Vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen warnt EDEKA vor der Farbe Blau, sie sei keine gute Wahl. Für ein Straßenfest mit jüdischer Kultur ist Hamburg ein zu heißes Pflaster und Mark Zuckerberg gibt ihm nachgewiesene Zensur zu.
Übermorgen ist Landtagswahl in zwei Bundesländern, da steht natürlich ein Wort zum Sonntag an. Es kommt von Georg Bätzing, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. „Rechtsextremistische Parteien wie die AfD in Thüringen sind für […] Christen nicht wählbar", verkündete er. Wenigsten droht der römisch-katholische Bischof von Limburg Anhängern der blauen Partei noch nicht mit der Exkommunikation. Kann der Westerwälder – dessen Cousine Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) den Rheinland-Pfälzern jüngst als neue Landesmutter erspart geblieben ist – eigentlich für Christen aller Konfessionen sprechen? Auch für Russisch-Orthodoxe? Frage fürs BSW, dessen Putin-Nähe Bätzing nämlich gleich mit anprangerte.
Blau, blau, blau blüht der Edeka
Eine Einrichtung, deren Gänge voller sind als die Kirchenbänke, stößt ins gleiche Horn: Edeka. In ganzseitigen Anzeigen informiert die Supermarktkette: „Blaue Lebensmittel sind ein Warnhinweis der Natur, der uns sagt: ‚Achtung! Ich könnte unverträglich sein!“ Die Evolution hat uns gelehrt: Blau ist keine gute Wahl.“ Die Junge Freiheit verweist allerdings auf Ausnahmen. Mit Blick auf die Landtagswahlen warnt uns Edeka vor den „‚Blauen‘“ als „größte Bedrohung einer vielfältigen Gesellschaft“. Nur gut fürs Image, dass die wenigsten wissen, wofür die abgekürzte Unternehmensbezeichnung steht: „Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler“.
Alarmstufe Vielfalt
Apropos vielfältige Gesellschaft: Das Grindelfest, ein Hamburger Straßenfest, fällt dieses Jahr aus (Achgut berichtete). Mitte September wollte man „die Vielfalt feiern“, diesmal in Zusammenarbeit mit der Jüdischen Gemeinde unter dem Motto „Kultur. Jüdisch. Bunt“. Aus Angst davor, dass sich die Vielfalt so entfaltet wie in Solingen, entschieden sich die Organisatoren für eine Absage. Der Vorsitzende des veranstaltenden Vereins räumt ein, „dass wir damit ein falsches Zeichen senden“. CDU, FDP und AfD in Hamburg üben Kritik. FDP-Landesvorsitzende Sonja Jacobsen sagt sogar: „Der gewaltbereite Islamismus ist die stärkste Bedrohung unserer freien Gesellschaft. Der Senat muss sich selbst prüfen, ob er angesichts dieser Lage die richtigen Prioritäten im Kampf gegen Verfassungsfeinde setzt.“
Omas gegen Bank
Zurück zur AfD. Dass ein Spendenkonto der Partei bei der Berliner Volksbank geschlossen wurde, nachdem sich die Omas gegen Rechts eingeschaltet hatten, hat die Organisation offenbar zum Weitermachen ermuntert. Die Omas gegen rechts im Wetteraukreis fordern in einer Online-Petition die Sparkasse Oberhessen auf, das Konto der örtlichen AfD zu kündigen. Diese passe nicht zum Engagement der Sparkasse für „Umwelt-und Naturschutzprojekte“ und gegen „Rassismus“. Die älteren Damen drohen, wenn die Sparkasse nicht spuren sollte, „uns eine neue Bank [zu] suchen“. Übrigens durfte der erste Bundeskongress der Omas gegen Rechts, der Anfang dieses Monats stattfand, im Plenarsaal des Thüringer Landtags abgehalten werden, auch auf den Sitzen gewählter AfD-Abgeordneter.
Reuiger Sünder?
Mark Zuckerberg gab jetzt zu, was ohnehin ans Tageslicht gekommen war. Am Montag räumte der Chef des Meta-Konzerns in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Justizausschusses des US-Repräsentantenhauses Zensur seitens seiner Plattformen ein. Zu seinem Unternehmen gehören Facebook, Instagram und WhatsApp. Ja, man habe auf Druck der US-Bundesregierung massiv in Sachen Corona gelöscht, auch bei „Humor und Satire“. Ja, man sei dem FBI gefolgt, um Enthüllungen über Präsidentensohn Hunter Bidens Laptop zu unterdrücken. Nun zeige man jedoch Reue und Erkenntnisgewinn. Außerdem wolle man sich künftig gegen solche staatlichen Einmischungen wehren. Die Botschaft hör‘ ich wohl….
Aber man kann ja auch ohne direkte Anweisung einer Regierung fleißig weiter zensieren. Das gilt insbesondere für „die schlimmste aller sozialen Plattformen, Facebook“, wie Rechtsanwalt und Achgut-Autor Joachim Steinhöfel sie nennt. Er selbst musste einen Eilentscheid beim Landgericht Hamburg erwirken, damit ihn das Social Medium nicht daran hindert, ein YouTube-Video von Fox News zu posten. In dem Video kommentiert Laura Ingraham kritisch die Personalien Joe Biden und Kamala Harris.
Cantare – no, no, no, no
Der italienische Liedermacher Giuseppe Povia darf bei einem Stadtfest nicht singen. Nach Unterzeichnung des Vertrages für das Konzert in Nichelino, einer Mittelstadt bei Turin, entschieden sich die Stadtoberen um. Bürgermeister Giampiero Tolardo räumt ein, sich erst spät mit der Person Povia – 2006 Sieger des berühmten Sanremo-Musikfestivals – beschäftigt zu haben. Dabei habe er dessen „homophobe, gegen Abtreibungen und Impfungen gerichtete Positionen entdeckt“. Eine Kontroverse darum, ob Povia Schwulsein für therapierbar hält, stammt noch aus den 2000er-Jahren. Der Musiker kritisiert z.B. die EU und die Gender-Ideologie. 2021 hatte er sich in einem Lied gegen staatlichen Corona-Impfzwang gewandt.
„Rechts und links haben nichts damit zu tun“, begründet Bürgermeister Tolardo von der linken Demokratischen Partei die Ausladung. Vielmehr vertrete Povia „das Gegenteil der demokratischen Werte“ seiner Stadt. Dem Sänger zufolge handelt es sich hierbei um das 40. abgesagte Konzert seiner jahrzehntelangen Karriere. Zuletzt habe er aber hunderte Auftritte absolvieren können, ohne dass es zu Problemen gekommen sei. Auf sein Ausfallhonorar in Nichelino wolle er verzichten. Der Künstler, der sich politisch dort verortet, wo früher die „Mitte“ war, beklagt, dass gerade diejenigen, die ständig „Inklusion“ im Mund führen, gerne Andersdenkende ausschließen. Kritik an der städtischen Entscheidung war sowohl aus Reihen der rechten Fratelli d’Italia als auch der eher linken Fünf-Sterne-Bewegung zu vernehmen.
Less Macklemore
Sein Konzert gleich selbst gecancelt hat Rapper Macklemore. Der US-Amerikaner, bürgerlich Benjamin Haggerty, sagte einen Auftritt in Dubai ab, der dort am 4. Oktober stattfinden sollte. Grund: Die Rolle der Vereinigten Arabischen Emirate im sudanesischen Bürgerkrieg. Deren Unterstützung der RSF-Truppen, die seit letztem Jahr gegen die Regierung des Sudans kämpfen, ist Macklemore ein Dorn im Auge. Auf Instagram schreibt er von „Völkermord“ in der Region und von „globaler systemischer Unterdrückung“, die der „Kapitalismus […] zusammenhält“. Deshalb wolle er keine Gage aus Dubai.
In den letzten zehn Monaten will er sich nämlich über dergleichen informiert haben. Wieso zehn Monate? Da bezieht er sich auf den 7. Oktober und die Folgen. Der Rapper engagiert sich antiisraelisch, wirft auch Israel „Völkermord“ vor und spendete den Erlös aus einem einschlägigen Song an die UN-Problemorganisation UNRWA. Vielleicht hat er vor diesem Hintergrund ein geopolitisches Problem mit den RSF-Truppen im Sudan, die in der Vergangenheit schon gegen die jemenitischen Huthi im Einsatz waren. Wenn Macklemore allerdings kapitalistisches Geld so verabscheut, warum tritt er dann in Bratislava auf statt in Pjöngjang?
Leipziger Allerlei
Kommen wir wieder zur blauen Partei und zum Vorfeld der Landtagswahlen. In der Antifa-Hochburg Leipzig wurde am vergangenen Wochenende die Wohnung von AfD-Stadtratsmitglied Sylvia Deubel angegriffen. Mehrere Steine flogen und beschädigten Fenster der Hochparterre-Wohnung, in der die Kommunalpolitikerin mit ihrem Mann und ihrem Sohn wohnt. Ihr Balkon wurde mit einer schwarzen Flüssigkeit, mutmaßlich aus einem Feuerlöscher, verschmutzt. Die AfD-Stadtratsfraktion weist darauf hin, dass es bereits 2019 eine ähnliche Attacke auf Deubel und ihre Familie gegeben habe. Die Tat fand diesmal in der Nacht nach einer großen Demo ‚gegen rechts“ in Leipzig statt, bei der Oberbürgermeister Burkhard Jung vorne mit lief.
Dieser habe „sich am Samstag wiederholt als Schutzpatron der gewalttätigen ‚Antifa‘ erwiesen“, kritisiert die AfD. Jung, ein SPD-Wessi, enthüllte gegenüber dem YouTuber Weichreite, der von der Demo streamte und der AfD angehört, sein Demokratieverständnis: „Demokratisch ist, wenn Sie nicht gewählt werden“. Weichreite alias Sebastian Weber wurde erst vor wenigen Monaten wieder in den Leipziger Kreistag gewählt. Mit Antifanten, die Weber körperlich bedrängten, um seine Berichterstattung zu vereiteln, hatte der in der Nähe stehende OB offenbar kein Problem. Der Streamer musste von vielen Polizisten vor dem Mob geschützt werden, zeitweise bestand nach deren Einschätzung sogar „Lebensgefahr“ für ihn. Als Streamer braucht man nicht einmal ein einschlägiges Parteibuch, um von Anti-Rechts-Demonstranten körperlich angegangen zu werden.
Wer darf zur Wahlparty?
Dem Spiegel zufolge ist es jedoch die AfD, die „kritischen Journalismus […] seit langem regelmäßig behindert“, ihn der Deutschlandfunk zitiert. Vielleicht bezieht er sich auf den kritischen Zustand, in dem sich sein eigener Journalismus seit langem regelmäßig befindet. Jedenfalls war das Nachrichtenmagazin genauso wenig wie Springers Bild und Welt sowie weitere Medien damit einverstanden, keine Akkreditierung zur Wahlparty der Partei in Thüringen erhalten zu haben. Stefan Möller, der mit Björn Höcke den AfD-Landesverband führt, erklärte, man habe von 200 Plätzen in der betreffenden Räumlichkeit 50 für Journalisten reserviert, allerdings für solche, die öfter speziell Landespolitik und die Thüringer AfD behandeln. Möller möchte keine Situation, in der „wir keine eigenen Leute mehr reinnehmen dürfen, weil wir nur noch Journalisten aufnehmen müssen." „Die einfachen Leute sollen mal Platz machen, denn jetzt kommen die wichtigen Jungs aus den Hauptstadtredaktionen“, spottet die Junge Freiheit. Das Landgericht Erfurt hat jetzt den Zugang für die klagenden Medien verfügt – auf rechtlich unklarem Boden. Im Raum steht allerdings noch die Absage der ganzen Veranstaltung.
Where the streets have new names
Sind Sie Kölner? Dann können Sie noch bis morgen Vorschläge zur Umbenennung zweier Straßen im Stadtbezirk Ehrenfeld einreichen (hier und hier). Die Wissmann- und die Gravenreuthstraße verlieren ihre bisherigen Namensgeber wegen Verstrickung in den Kolonialismus. Hermann von Wissmann wurde wegen grausamer Kriegsführung in Deutsch-Ostafrika schon Ende des 19. Jahrhunderts kritisiert, der kongolesische Gelehrte Prof. Mubabinge Bilolo soll ihn aber noch vor knapp 20 Jahren als „großen Afrikaner“ gewürdigt haben. Söldnerführer Karl von Gravenreuth starb bei Gefechten in Kamerun. Manche bisher vorliegende Vorschläge von Bürgern genügen den Vorgaben für neue Namenspatrone jedoch nicht: Robert Habeck erfüllt nicht das Kriterium, bereits zwei Jahre verstorben zu sein, die „Strasse [sic!] des Dritten Geschlechts“ überschreitet die gewünschte Zeichenzahl. Die Stadt Köln ist dabei, mit Hilfe eines Historischen Beirats mehr als tausend Straßennamen, ein Fünftel des Bestands, auf politische Korrektheit zu überprüfen.
Und so endet der allwöchentliche Überblick des Cancelns, Framens, Empörens, Strafens, Umerziehens, Ausstoßens, Zensierens, Denunzierens, Entlassens, Einschüchterns, Moralisierens, Politisierens, Umwälzens und Kulturkämpfens. Bis nächste Woche!
Ein Archiv der Cancel Culture in Deutschland mit Personenregister finden Sie unter www.cancelculture.de. Um auch weniger prominente Betroffene aufnehmen zu können, sind die Betreiber der Website auf Hinweise angewiesen. Schreiben Sie ihnen gerne unter cancelculture@freiblickinstitut.de.
Christoph Lövenich ist Novo-Redakteur und wohnt in Bonn. Er hat zum Sammelband „Sag, was Du denkst! Meinungsfreiheit in Zeiten der Cancel Culture“ beigetragen.
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