Kolja Zydatiss / 29.04.2022 / 06:25 / Foto: Imago / 42 / Seite ausdrucken

Ausgestoßene der Woche: Marina Owsjannikowa

Marina Owsjannikowa, ehemals russische Staats-Journalistin und nun Anti-Kriegs-Rebellin, steht als „Wendehals“ in der Kritik. Die Position der meisten ihrer Ankläger ist jedoch bedeutend bequemer und darum heuchlerisch.

Im deutschen Haltungs-„Journalismus“ fallen in letzter Zeit immer mehr Artikel auf, die Teil eines ganz bestimmten Genres sind: Dem Rufmord-Beitrag. Im Juni 2021 beschäftigte ich mich etwa in dieser Kolumne mit einer faszinierenden ausufernden Anklageschrift des Westfalen-Blatts gegen die Chefin des Paderborner Jugendtheaters Paulina Neukampf, die nichts weiter getan hatte, als auf Facebook (ob im Scherz oder im Ernst, das ist nicht ganz klar) zu schreiben, dass sie der Corona-Protestpartei dieBasis beitreten wolle. Auch der „coronakritische“ Arzt und Publizist Paul Brandenburg sollte durch eine lange Litanei größtenteils an den Haaren herbeigezogener Vorwürfe  dekonstruiert werden, die Anklage erschien beim Berliner Tagesspiegel, der später einige der abstruseren Formulierungen zurückzog.

Beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (rnd) ist nun ein Beitrag erschienen, der, Kraft des Mutes und der Distinktion des im Putin‘schen Russland lebenden und journalistisch arbeitenden „Opfers“ und der unvergleichlich bequemeren Position ihrer Ankläger, noch billiger ist. Es geht um Marina Owsjannikowa, die, wir erinnern uns, als Mitarbeiterin des russischen Staatssenders Perwy kanal vor einigen Wochen während einer Live-Nachrichtensendung mit einem Plakat auf die Propaganda der russischen Staatsführung im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg aufmerksam machte und deshalb festgenommen, verhört und wegen „Organisation einer nicht genehmigten öffentlichen Veranstaltung“ zu einer Geldstrafe von 30.000 Rubel (etwa 250 Euro) verurteilt wurde. Am 25. März wurde die ehemalige Redakteurin, deren Vater Ukrainer ist, außerdem wegen angeblicher „Diskreditierung der Armee“ angeklagt, die Gerichtsverhandlung läuft noch.

Seit April arbeitet Marina Owsjannikowa als freie Russland-Korrespondentin für die Axel-Springer-Marken Die Welt und den Welt-Fernsehsender. Vielleicht, weil er ein grundsätzliches Problem mit der liberal-konservativen Springer-Presse hat, versucht Matthias Schwarzer, laut LinkedIn-Profil „Redakteur Panorama/Medien/Unterhaltung“ beim rnd, die junge Frau mit einer Sammlung kritischer O-Töne von „ukrainischen und unabhängigen russischen Medienschaffenden“ und, als Zugabe, noch ein Paar feindseliger Deutscher, in die Pfanne zu hauen.

„Verhöhnung der unabhängigen russischen Journalisten“

„Wie sieht es mit ihren beruflichen Fähigkeiten aus? Ist sie eine qualifizierte Journalistin? Ich habe Zweifel: Journalismus gibt es in den russischen Staatsmedien nicht. Sie hat dort jahrelang gearbeitet und war mit der Propaganda über die Ukraine zufrieden“, wird eine ukrainische Journalistin namens Olga Tokariuk zitiert. „Bei allem Respekt, [Owsjannikowa] war es nicht, die ihre Sicherheit bei der Arbeit in Putins Russland riskiert hat“, wird die Einschätzung von Farida Rustamova, Journalistin bei Meduza (einer Putin-kritischen russischsprachigen Internetzeitung mit Sitz in Lettland), wiedergegeben.

Ähnlich gelagert ist die Kritik von Nikolai Klimeniouk, einem seit Jahrzehnten in Berlin lebenden freien Journalisten aus der Ukraine. Süffisant weist Matthias Schwarzer darauf hin, dass Letzterer in einem aktuellen FAZ-Beitrag Marina Owsjannikowas Engagement bei der Welt als „Verhöhnung der unabhängigen russischen Journalisten“ bezeichnete, denn die junge Frau habe über Jahre hinweg die journalistischen Tugenden „mit Füßen“ getreten, „während Dutzende Journalisten unter Druck und teilweise unter Lebensgefahr nach journalistischen Standards berichteten.“

Gut, das sind immerhin noch die Stimmen von Ukrainern und Russen. Aber auch die Deutsche Gesine Dornblüth wird von Schwarzer in den virtuellen Zeugenstand geladen, um gegen Owsjannikowa auszusagen. Die Slawistin und Journalistin, bis Anfang 2017 Auslandskorrespondentin für das Deutschlandradio in Moskau und heute wieder im kuscheligen Berlin lebend, wird mit folgender Aussage zitiert:

„Owsjannikowa hat acht Jahre Propaganda gemacht, das hat sie selbst beschrieben: gelogen, manipuliert und zum Hass aufgestachelt. Sie hat nicht selber Beiträge gemacht, sondern recherchiert mit den Schwerpunkten: schlechte Nachrichten über den Westen und gute Äußerungen über Russland aus dem Westen. Leute, die das machen, sind Propagandisten. Wenn wir sie als Journalistin bezeichnen, dann beschädigen wir unseren Berufsstand.“ Für Berichte und Reportagen, gerade auch über die Ukraine, sei Owsjannikowa „mit Sicherheit die Falsche“.

 „Die Ehre des Landes gerettet“

Noch abstruser und problematischer ist ein von Schwarzer widergegebenes Zitat von Anna Romandash. Die in Washington D.C. lebende Ukrainerin, die unter anderem für das linke deutsche Magazin Katapult schreibt, diffamiert Marina Owsjannikowa gar als eine Agentin Putins: „Es gibt eine Menge Fragen. Warum ist sie so leicht davon gekommen? Sie kann sich frei äußern und so viel Kritik üben, wie sie will, während alle anderen regimekritischen Stimmen zum Schweigen gebracht werden. Das ist merkwürdig“, behauptet Romandash faktenwidrig.

Und dann tritt der Autor noch selbst nach: „Die ersten Texte lassen zumindest eine Schlagrichtung erahnen: Owsjannikowa schreibt keine journalistischen Berichte oder Reportagen aus ihrer russischen Heimat – sondern vor allem über sich selbst. Ihre Texte sind vor allem Kolumnen, oder vielmehr persönliche Erfahrungsberichte, die mit allerhand Rechtfertigungen einhergehen“, lästert Matthias Schwarzer über die Moskauerin, und muss dafür (sofern im Home-Office) noch nicht einmal die Pantoffeln ausziehen und vor seine Haustür – laut LinkedIn in Hannover, Niedersachsen – treten.

Was Schwarzer in seinem Beitrag nicht erwähnt: Für einige unabhängige russische Journalisten ist Marina Owsjannikowa, ganz anders als von seinem Framing nahegelegt, eine Heldin. So schrieb die oppositionelle Moskauer Nowaja Gaseta am 15. März, wenige Tage bevor sie ihr Erscheinen vorläufig einstellte, um einem Publikationsverbot zuvorzukommen, Owsjannikowa habe „die Ehre des Landes gerettet“. Ihr Name werde in politische Lehrbücher und in die russische Geschichte eingehen und zitiert werden, wenn die Enkel vieler heutiger Regierungsmitglieder sich nur ungern an ihre Vorfahren erinnern würden.

Für Matthias Schwarzer, falls er diese Kolumne liest, noch zwei bedenkenswerte Stellen aus dem Neuen Testament, über die Unvollkommenheit des Menschen und die Bedeutung von Vergebung und Neuanfang:

„Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.“ (Johannes 8, 7)

„Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot nie übertreten, und du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich wäre. Nun aber, da dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Hab und Gut mit Huren verprasst hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet. [Der Vater] aber sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, das ist dein. Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden.“ (Lukas 15, 11-32, „Vom verlorenen Sohn“)

„Populistisch geprägte pauschalierende Ausgrenzung“

In Bayern fordern Flüchtlingsrat und SPD den Rücktritt der Integrationsbeauftragten des Freistaats Gudrun Brendel-Fischer (CSU). Die Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte Bayerns (AGABY) wirft der Politikerin „populistisch geprägte pauschalierende Ausgrenzung“ vor. Brendel-Fischer hatte in einer kürzlich veröffentlichten Pressemitteilung geschrieben, ukrainischen Geflüchteten müsse nicht erklärt werden, wie eine Waschmaschine funktioniert, oder dass auf dem Zimmerboden nicht gekocht werden darf. Wichtiger sei ein schneller und koordinierter Zugang zu Sprachkursangeboten.

Mit der Kritik konfrontiert erklärte die CSU-Politikerin aus dem Landkreis Bayreuth: „Es war nicht meine Absicht, andere Flüchtlinge zu diskreditieren.“ Vielmehr habe sie auf die Tatsache angespielt, dass ukrainische Geflüchtete in den letzten Tagen oder Wochen in Erst-Orientierungskurse verwiesen worden seien, deren Inhalte nicht auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet wären. Dadurch werde Zeit und Energie verschwendet und die Lern- und Leistungsmotivation geschwächt. (Quellen: BR24BR24)

Reden und Vorträge bei AfD-Veranstaltungen

Im Kreis Höxter (Nordrhein-Westfalen) steht der CDU-Landrat Michael Stickeln wegen seines Lobes für eine Ordensschwester und prominente humanitäre Aktivistin in der Kritik, die sich in der Vergangenheit migrations- und islamkritisch geäußert hat. In einem Facebook-Post würdigte der Politiker das „fast übermenschliche Engagement“ von Hatune Dogan für die Ärmsten der Armen. Letztere ist Mitglied des syrisch-orthodoxen Klosters in Warburg (NRW) und Gründerin und Leiterin der Schwester-Hatune-Stiftung, die gemäß ihrer Satzung gemeinnützige, mildtätige und kirchlich-karitative Zwecke verfolgt und nach eigenen Angaben die Arbeit von weltweit über 5.000 ehrenamtlichen Mitarbeitern in 37 Ländern koordiniert. Zu den Projekten der Stiftung, in deren Kuratorium Michael Stickeln sitzt, gehören unter anderem der Bau von Häusern für Obdachlose sowie von medizinischen Einrichtungen, Schulen und Trinkwasserbrunnen in armen Ländern.

Aber Hatune Dogan ist, wie die Neue Westfälische (NW) erklärt, auch eine umstrittene Person, denn die in der Osttürkei als Mitglied der verfolgten syrisch-orthodoxen christlichen Minderheit aufgewachsene Nonne hat in der Vergangenheit Reden und Vorträge bei AfD-Veranstaltungen gehalten. Außerdem gab sie 2017 dem islamkritischen Journalisten Imad Karim ein Interview und äußerte sich in diesem Zusammenhang sehr kritisch über die deutsche Flüchtlingspolitik. Von der AfD hat sich Dogan später distanziert. Michael Stickeln hat gegenüber der NW angegeben, dass diese Distanzierung ein „wichtiges Signal“ für seine weitere Mitarbeit im Stiftungskuratorium war. „Seit Sommer 2018 sind keine politischen Äußerungen von Schwester Hatune mehr bekannt“, so die Zeitung weiter.

Die SPD im Kreis Höxter versucht, aus dem Ganzen einen Skandal zu machen, und die NW hilft fleißig mit, den banalen Facebook-Post, aus nachrichtenredaktioneller Sicht eigentlich ein Nicht-Ereignis, aufzubauschen. „Es sind schon scharfe Vorwürfe, die die SPD im Kreis Höxter gegenüber Landrat Michael Stickeln erhebt“, so der erste Satz des Beitrags, und sofort weiß der aufgeweckte Leser, dass er es mit einem Framing-Text zu tun hat.

Stellvertretend für die örtliche SPD kommt das Kreistagsmitglied Holger Joedicke zu Wort. „Nun frage ich mich, ob Herr Stickeln sich auch mit [Dogans] rechtspopulistischen Äußerungen ausreichend auseinandergesetzt hat. Als Landrat hat er sich vorzubereiten“, wird der SPD-Politiker zitiert. Indirekt deutet Joedicke sogar an, sein CDU-Kontrahent sei vielleicht gar kein überzeugter Demokrat: „In seiner Nachricht hat Herr Stickeln aber keinerlei kritische Aspekte erwähnt. Genau das irritiert sehr – es irritiert mich und viele andere Demokratinnen und Demokraten im Kreis Höxter, die sich beharrlich den rechtsradikalen AfD-Aktivitäten entgegenstellen.“ 

Nur noch ein „russischer Söldner“

Canceln, das kann die Union allerdings auch. Der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat jüngst angeregt, das Porträt von Ex-SPD-Kanzler Gerhard Schröder aus der Galerie der Altkanzler im Berliner Kanzleramt zu entfernen. Dobrindt wirft Schröder zu Recht vor, nur noch ein „russischer Söldner“ zu sein, der im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg „perverse Geschichtsfälschung“ betreibe. Das Abhängen des Schröder-Bildes dürfte dem belagerten ukrainischen Volk allerdings in etwa so sehr helfen wie der kürzlich beschlossene Ausschluss von russischen und weißrussischen Sportlern vom Tennis Grand-Slam-Turnier in Wimbledon – also überhaupt nicht. Immerhin: Mit seinem symbolpolitischen Vorschlag hat es Alexander Dobrindt in einen kurzen Beitrag des Fernsehsenders Welt geschafft.

Großer Kampf gegen „rechte Dozierende“

In Berlin fährt der AStA der Freien Universität (FU) eine Kampagne gegen den Bioinformatiker Michael Grünstäudl und fordert, seine Habilitation zu stoppen. In einer Pressemitteilung heißt es: „Kein Platz für rechte Ideologien an der FU! Keine Habilitation von Grünstäudl!“ Vorgeworfen wird ihm, dass er Videos von Martin Sellner (Sprecher der Identitären Bewegung Österreich) verbreitet habe und Unterzeichner der  Gemeinsamen Erklärung 2018 sei, die sich im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise in Deutschland 2015/2016 gegen „illegale Masseneinwanderung“ richtete. Die Schwere letzteren Vergehens wird mit dem Hinweis veranschaulicht, dass weitere Unterzeichner zum Beispiel Thilo SarrazinHenryk M. Broder und Max Otte seien.

Stolz berichtet der AStA: „In der vergangenen Woche kam es zu Protesten sowie Plakatier- und Sprüh-Aktionen seitens der Studierenden. Außerdem gab es einen Bannerdrop auf dem größten Gebäude der Biologie.“ In der Pressemitteilung werden einige Teilerfolge aufgezählt: Grünstäudls Antrag für ein interdisziplinäres Habilitationsverfahren sei wegen dessen politischer Haltung vom Fachbereich Mathematik und Informatik abgelehnt worden, vom Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie allerdings leider nicht.

Immerhin habe die Fachbereichsverwaltung zugesichert, Grünstäudls Arbeitsvertrag nicht weiter zu verlängern, und ein Schreiben „an die Erstsemester-Studierenden mit Erklärungen zur Situation versendet, wenn auch mit verharmlosender Wortwahl“. Generell sieht sich der AStA offenbar in einem großen Kampf gegen „rechte Dozierende“, die als verbreitetes Phänomen halluziniert werden: „Denn Michael Grünstäudl ist kein Einzelfall. Berliner Hochschulen haben ein strukturelles Problem.“ 

„Gewalt der intoleranten Ideologie namens Islam“

Im deutschsprachigen Twitter ist der unter anderem wegen seiner „coronakritischen“ Posts beliebte Account @Eddy_Bernayz nach kurzem Freigang wieder gesperrt worden. Auch der Account des rechtspopulistischen niederländischen Politikers Geert Wilders wurde diese Woche zeitweise gesperrt, wegen eines an den pakistanischen Premierminister Shehbaz Sharif gerichteten Tweets, in dem der Unterhausabgeordnete (Partij voor de Vrijheid) die „Gewalt der intoleranten Ideologie namens Islam“ anprangerte. Twitter spricht mittlerweile in diesem Zusammenhang von einem Fehler und hat den Account von Wilders wiederhergestellt.

Nach welchen Kriterien die ziemlich willkürlich wirkende Unterdrückung von Meinungsäußerungen auf Twitter genau funktioniert (@Zabehulah_M33, „Official Twitter Account of the Spokesman of Islamic Emirate of Afghanistan“, darf zum Beispiel weiter zwitschern, Donald Trump nicht), das wird uns vielleicht der selbsterklärte „Meinungsfreiheits-Absolutist“ Elon Musk nach seiner baldigen Übernahme der Plattform erklären können. Ob er wohl die internen Richtlinien veröffentlichen wird, nach denen die Twitter-Zensoren bislang arbeiten? Oder gibt es solche vielleicht gar nicht, und man hat das, wie Loriots berühmte Hausfrau, einfach im Gefühl?

500 Millionen Bücher in mehr als 80 Sprachen

In Großbritannien fehlt die Harry-Potter-Schöpferin Joanne K. Rowling auf einer Liste von 70 profilierten Autoren des Landes, die zu Ehren des 70. Thronjubiläums von Königin Elisabeth II. zusammengestellt wurde. Für jedes Jahrzehnt seit 1952 wählte ein „Expertengremium aus Bibliothekaren, Buchhändlern und Literaturspezialisten“ zehn Schriftsteller aus, die die britische Literatur dieses Jahrzehnts angeblich besonders gut repräsentieren. Warum da auch eine Frau mit aufnehmen, die Stand 2018 rund 500 Millionen Bücher in mehr als 80 Sprachen verkauft hatte und viele Jahre als die wohlhabendste Schriftstellerin der Weltgeschichte galt? Eins ist sicher: Mit Rowlings öffentlichen Äußerungen zum Thema Transgender hat ihr Ausschluss definitiv nichts zu tun.

„Transmenschen öffentlich als gefährlich bezeichnet“

Und auch in den USA wurde diese Woche wieder eifrig gecancelt. Wie der Blogger Graham Linehan erklärt, hat die „Eliteuni“ Harvard eine Einladung an Dr. Devin Buckley wieder zurückgezogen. Die Philosophin, die auch einen Abschluss in Biologie hat, sollte über die Dichter der britischen Romantik im frühen 19. Jahrhundert referieren, doch dann kam heraus, dass sie Mitglied der feministischen Organisation Women’s Liberation Front (WoLF) ist, welche, mit den Worten der Uni, „Transmenschen öffentlich als gefährlich und trügerisch bezeichnet“. In einer von Linehan online veröffentlichten Replik bestreitet Buckley, dass dies eine korrekte Darstellung der Positionen von WoLF ist, und bedauert die Absage.

„Kontroverse Ansichten“ über behinderte Menschen

Im Bundesstaat Minnesota hat das mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika (ELCA) assoziierte St. Olaf College den Direktor seines Institute for Freedom & Community, Prof. Dr. Edmund Santurri, gefeuert. Santurri war damit beauftragt worden, eine Vortragsreihe unter dem Titel „Contemporary Controversies“ (Aktuelle Kontroversen) zu organisieren. Aber zu kontrovers sollte es dann bitte auch nicht zugehen.

Laut der liberalen Bürgerrechtsorganisation Foundation for Individual Rights in Education (FIRE), deren Anwälte Santurri nun vertreten, wurde dem Professor eine Einladung an den australischen Philosophen und populärwissenschaftlichen Autor Peter Singer (unter anderem „Animal Liberation. Die Befreiung der Tiere“) zum Verhängnis. Singer hat in der Vergangenheit „kontroverse Ansichten“ über behinderte Menschen geäußert, erklärt FIRE. Außerdem kam bei der Leitung des College eine Einladung an John McWhorter nicht gut an. Der renommierte afroamerikanische Linguist vertritt mit den Worten von FIRE die Ansicht, dass „einige Antirassismus-Initiativen bei der Unterdrückung von Debatten zu weit gehen“.

20 Prozent Rabatt für Frauen

Zum Schluss noch ein Blick in die Schweiz. Dort will das Genfer Stadtparlament Frauen einen Rabatt von 20 Prozent für Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen gewähren, um Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern auszugleichen. Was es mit dieser Initiative auf sich hat, und warum die angestrebte staatliche Diskriminierung von Männern wahrscheinlich verfassungswidrig ist, erklärt Antonio Fumagalli in der NZZ.

Und damit endet der wöchentliche Überblick des Cancelns, Empörens, Strafens, Umerziehens, Ausstoßens, Zensierens, Entlassens, Einschüchterns, Moralisierens, Politisierens, Umwälzens und Kulturkämpfens. Bis nächste Woche!

Mehr vom Autor dieser wöchentlichen Kolumne Kolja Zydatiss zum Thema Meinungsfreiheit und Debattenkultur lesen Sie im Buch „Cancel Culture: Demokratie in Gefahr“ (Solibro Verlag, März 2021). Bestellbar hier. Ein Archiv der Cancel Culture in Deutschland mit Personenregister finden Sie unter www.cancelculture.de

Foto: Imago

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Leserpost

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Gudrun Meyer / 29.04.2022

Sie benutzen inzwischen auch schon den Ausdruck “rechtspopulistisch”. Gut, mit Bezug auf Geert Wilders ist “rechtpopulistisch” tatsächlich und ausnahmsweise mal eine ziemlich genaue Einschätzung. Aber meistens ist das ein reiner Propaganda-Schlachtruf mit der Absicht, die überwiegend scharfe Grenze zwischen Konservativen und Rechtsradikalen zu verwischen, und zwar, dass die Konservativen als rechtsradikal oder beinahe rechtsradikal dastehen. “Rechtspopulistisch” ist Neusprech und linkstotalitäres Propagandasprech. Dass übrigens Schwester Hatune Dogan seit 2018 keinen öffentlichen Satz über politische Fragen mehr ausgesprochen hat, liegt vielleicht nicht nur an ihr selbst. Als sie vor einigen Jahren in einer Kirche über Christenverfolgungen in islamischen Ländern sprechen sollte, bekamen der Pfarrer und seine Vorgesetzen Angst vor der eigenen Courage und luden sie wieder aus. Kirche today.

R. Reger / 29.04.2022

Führt hier überhaupt noch jemand Buch, wie viele deutsche Journalisten wegen unbequemer Meinungsvertretung, gar Berichterstattung, auf Eis gelegt wurden? Wie viele Corona Leichen (Journalisten) hat das System auf dem Kerbholz? Offenbar gibt es in Deutschland nicht mal einen einzigen “erlebenden” kritischen Kriegsberichterstatter, in so fern er den Gesamtzusammenhang des Konflikts beleuchtet. Übrigends, ist Owsjannikowa, die jetzt für Die Welt arbeitet, jetzt auch “korrekter Weise” ein “West-Söldner”?

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