Aus Liebe zu Deutschland

Von Johannes Kandel. 

Der deutsch-ägyptische Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad, bekannt durch seine zahlreichen islamkritischen Bücher, wendet sich mit einer literarischen Liebeserklärung direkt an die Deutschen, mit denen er nun schon 25 Jahre zusammenlebt. Er bekennt: „Ich liebe dieses Land mit all seinen Fehlern, Brüchen, Widersprüchen und Narben“ (S. 9). Er meint es gut mit Deutschland, bejaht seine Kultur, die für ihn mehr ist als nur „Sprache“, wie die SPD-Politikerin Aydan Özoguz einst bekundete. Er will Deutschlands Stärken und Schwächen be- denken, sowohl aus einer „Außenperspektive“ als ägyptisch-stämmiger „Ausländer“ als auch aus einer „Innenperspektive“ als deutscher Staatsbürger.

Der Untertitel zeigt an, dass ihn Sorgen um Deutschland umtreiben wie weiland Heinrich Heine, der sich "um den Schlaf gebracht" sah, wenn er an Deutschland dachte. Das Buch ist ein Warnruf „aus Dankbarkeit für die Freiheit“, die der Autor, wie er sagt, „hier genießen darf, aber auch aus Sorge um den inneren Frieden und die Errungenschaften dieses Landes, die wir nicht leichtfertig verspielen sollten“ (S. 12).

Die Deutschen scheinen nach traumatischen Erfahrungen in ihrer Geschichte ein besonders sorgengeplagtes Volk zu sein und die – gleichgültig aus welchem politischen „Lager“ (links, rechts, Mitte) die Klagen erschallen –  zu ähnlichen, wenn auch politisch sehr verschieden akzentuierten Bilanzen des „Deutsch-Seins“ kommen: Unfähigkeit zur Ausbildung einer gemeinsamen, stabilen Identität, fehlendes Selbstbewusstsein, Neigung zu Polarisierung, Spaltung, Feindbildfixierung, zu Unterordnung und zugleich extremistischen Haltungen, Geschichtsvergessenheit und Trägheit zur Verteidigung der inzwischen erreichten demokratischen Grundwerte und Freiheiten. Die Liste ließe sich je nach politischem Standort noch verlängern.

Die „Identität“ der Deutschen

Abdel-Samad begibt sich auf eine Identitätssuche nach dem „Deutsch-Sein“. Seine Suche ist eng mit seiner persönlichen Entwicklung verknüpft. Das ist ein spannender und aufschlussreicher Prozess. Die deutsche Identität ist offensichtlich eine besonders schwierige.

Zur Erforschung des „Wer sind wir“, hat er mit prominenten Historikern (Heinrich August Winkler), Schriftstellern, Journalisten und Politikern (Altbundespräsident Joachim Gauck) Gespräche geführt und deren Einsichten in sein Buch einfließen lassen. In der deutschen Geschichte, so konstatiert er, schwankten die Diskurse zur Identität zwischen den extremen Polen strotzender Selbstüberhöhung und nicht enden wollenden Schulddiskussionen. Was macht eine Nation aus, was braucht sie für ihre Identität? „Ein Gründungsmythos für die Nation, eine gelebte Erinnerungskultur und ein klares Bekenntnis zu den Spielregeln, die das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft regeln“ (S.18).

Für die Herausbildung und Stabilisierung der europäischen Nationen war in der Tat die Rückbesinnung auf die Vergangenheit ein zentrales Bauelement zur Konstruktion der Nation. Für die Deutschen war der Mythos vom „Reich“ (das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, 16.–19.Jahrhundert) eine sehr starke Identitätsmarkierung, die immer wieder neue Energien freisetzte, nach der „Einheit“ des imaginierten Reiches zu streben. Treffend zeichnet der Autor das Ringen der Deutschen um diese Einheit nach, die aufgrund tiefgreifender geschichtlicher Zäsuren in der deutschen Geschichte (Reformation, Dreißigjähriger Krieg, Napoleons Fremdherrschaft) erst 1871 im nationalstaatlichen Rahmen erreicht werden konnte. Ob dies nun „verspätet“ (Helmut Plessner) und auf einem „Sonderweg“ geschah, wodurch die Modernisierung der Nation im Sinne von individueller Freiheit und Demokratie behindert, wenn nicht gar verhindert wurde, wie Abdel-Samad wähnt, ist ein bis heute kontroverses Thema in der Geschichtswissenschaft. 

Es gibt m.E. keine „Normalwege“ zur Nationenbildung und eines demokratischen Nationalstaats. Die Wege der Nationen zu nationaler Vergemeinschaftung und Fundierung demokratischer Grundwerte verliefen sehr verschieden. Es bleibt die Frage offen, wie eine nationale Gemeinschaft entstehen kann, die, ohne in nostalgische Verklärungen zu verfallen, in der Lage ist, sich globalen (technologischen, gesellschaftlichen, politischen) Veränderungen zu öffnen, gesellschaftlichen Pluralismus und demokratische Streitkultur zu ermöglichen und dabei den Menschen in dieser Gemeinschaft „Identität“ zu verschaffen.

Die deutsche Nation: Ewige Untertanen und/oder freie Bürger?

In historischen Längsschnitten beschreibt er das eigentümliche Schwanken der Deutschen zwischen Untertanengeist, Gefolgschaft, nationalem „Größenwahn“, Kosmopolitismus und leidenschaftlichem Kampf um Einheit und Freiheit, der auch gelegentlich „revolutionäre“ Züge annehmen konnte (1848, 1919, 1989). Amüsant, wenn auch sehr konstruiert, ist die von ihm vorgestellte Typologie des Untertanengeistes (S. 90 ff.), insbesondere im Blick auf die Kategorie der „religiösen Untertanen“ (S. 91). 

„Kirchenfunktionäre“ und „Islamisten“, „die die Macht der Religion stärken“, und „Säkulare“, die die Religion „nicht kritisch hinterfragen“ wollen, in einen Topf zu werfen, ist religionsgeschichtlich und religionssoziologisch befremdlich. Diese, an zahlreichen Stellen seines Buches aufscheinende, Frontstellung zu „der“ Religion ist seiner säkularistisch-atheistischen Grundhaltung (und seiner Mitgliedschaft in der Giordano-Bruno-Stiftung) geschuldet, aber doch äußerst pauschalisierend. Hier mögen die persönlichen Erfahrungen („Mein Abschied vom Himmel“) und die Todesdrohungen aus islamistischen Kreisen stark gewirkt haben.

Im vierten Kapitel stellt der Autor beispielhaft historische Personen und Ereignisse vor, die für ihn das „rebellische und freiheitliche Herz des Bürgertums“ symbolisieren (S. 99 ff.): Hildegard von Bingen, die Legende von den Bamberger Bürgern, die im 14. Jahrhundert ihr Rathaus mitten im Fluss errichteten, weil ihr Bischof kein Land dafür hergeben wollte, Martin Luther (mit Abstrichen), die Bürgerbewegung des Hambacher Festes 1832 und die engagierten Bürger von Leutkirch (Allgäu), die das historische Bahnhofsgebäude restaurieren ließen und eine kulturelle Einrichtung daraus machten.

Für das verhängnisvolle Scheitern deutscher Freiheitsbewegungen macht Abdel-Samad in erster Linie das Bürgertum verantwortlich, gespalten in Konservative und Liberale. Es ist dieses geschichtliche Versagen der „Mitte“, dem „Herz der Demokratie“ (S. 112), das ihn umtreibt und das er bis in die Gegenwart wirken sieht. Trägheit und Feigheit der „Mitte“ hinderten diese, „zu sagen, was ist“. Ginge man hier in die Details der Bürgertumsforschung, so würde sich ein facettenreicheres Bild ergeben, als es der Autor in Trendbeschreibungen liefern kann. Aber der Kern seiner Aussagen bleibt dennoch richtig.

Meinungsfreiheit, Feigheit und „Political Correctness“

Wenn nach einer Meinungsumfrage von Allensbach im Mai 2019 63% der Deutschen bekundeten, ihre Meinung nicht mehr frei öffentlich äußern zu können, dann läuft einiges falsch in Deutschland. Der Autor konstatiert „ein vergiftetes Gesellschaftsklima, das unsere Streitkultur zunehmend verkrampft und den Diskursraum verengt“ (S. 111). Es ist in der Tat ein beklagenswertes Phänomen, das sich auf verschiedene Weise manifestiert: Tabuthemen, wie z.B. AfD, Islam, Migration, Flüchtlingspolitik verfestigen sich, die Sprachpolitik der „Political Correctness“ zeigt eine verhängnisvolle „Überregulierung“ an: „Macht- und Kontrollmechanismen verselbstständigen sich“. Gegen Greta Thunberg soll nichts Kritisches gesagt werden, und wer es tut, wie z.B. der Kabarettist Dieter Nuhr oder der Schriftsteller Philipp Möller, der in der Klimabewegung „Elemente einer neuen Säkularreligion“ erblickt (S. 115), wird mit massiver Kritik überzogen und beschimpft.

Der Autor selbst steht wegen seiner Islamkritik seit Jahren unter Polizeischutz. Aufgrund seiner Erfahrungen aus dem autoritären Ägypten weiß er, dass Freiheit kein „Geschenk“ des Staates ist, sondern „ein Lebensstil, den wir selbst pflegen und verteidigen müssen“ (S. 128). Zu seiner Enttäuschung muss er erleben, dass Parteien und politische Stiftungen kritische Themen ausblenden und Kritiker ausgrenzen. Es zeichnen sich fatale Emotionalisierungen gesellschaftlicher Diskurse und Verfeindungen ab. Gleichgültig ob links, rechts oder Mitte, man hört einander nicht mehr zu, lässt bestimmte Meinungen nicht gelten und verurteilt Andersdenkende. Hass und Gewalt nehmen zu, „Rechtsradikalismus, Islamismus, Rassismus, Antisemitismus“ wachsen „exponentiell“.

Er gibt dafür zahlreiche bestürzende Beispiele (S. 139 ff.). Immer wieder fordert eine demokratische Streitkultur: „Streitkultur bedeutet, nicht nur die eigene Meinung sagen zu dürfen, sondern sich abweichende Meinungen auch anzuhören“ (S. 144). Er geht mit gutem Beispiel voran und trifft sich mit einer „Hassfigur“, der Berliner Staatssekretärin für bürgerschaftliches Engagement, Sawsan Chebli, die „fast von allen Seiten angefeindet wird“ (S. 148 ff.). Er hat viel an ihr zu kritisieren, und sie hält seine Kritik an ihr für „Hetze“. Trotz dieser fast unvereinbaren Positionen gelingt doch ein Gespräch, das die verschiedenen Motivlagen deutlich macht.

Deutsche Schuld, Schuldkomplex und „German Angst“

Dass die Deutschen Probleme mit ihrer nationalen Identität haben, liegt in großem Maße an ihrer durch den Nationalsozialismus belasteten Vergangenheit. Daran wird und muss erinnert werden. Verdrängen und Verleugnen waren häufige Reaktionen der Nachkriegsgenerationen. Das hat sich bis heute gründlich geändert, die Erinnerungskultur der Deutschen widmet den 12 Jahren nationalsozialistischer Herrschaft eine uneingeschränkte und immer wieder neu belebte Aufmerksamkeit.

Aus dem „Nie wieder!“ wurde die Pädagogik des „Nicht-Vergessens“ formuliert und der Kampf gegen alle Erscheinungen nationalsozialistischer und „rechtsextremer“ Ideologie gefordert. Schmerz vergeht nicht, wie der Autor aus eigenem Erleben weiß (S. 75), aber er warnt auch vor einer „Überbetonung der deutschen Schuld als identitätsstiftendes Merkmal einer ganzen Nation“ (S. 69). Da mögen die einen an Schuldgefühlen zerbrechen, andere werden sie verharmlosen. Beides ist gegenwärtig zu beobachten. Doch Geschichte „sollte uns Mentor und Wegweiser sein, nicht aber Herrscher über Gegenwart und Zukunft.“ (S. 75). Sie darf nicht ängstliches Schweigen verewigen und z.B. die menschenrechtsfeindlichen Strukturen und Praktiken ethnischer, religiöser und kultureller Minderheiten relativieren.

Die Vergangenheit ist nach Auffassung von Abdel-Samad eine der Wurzeln der sprichwörtlichen „German Angst“, die der Autor als eine langfristig wirksame Verhaltensdisposition konstatiert (S. 161 ff.): Angst vor Krieg, Überwachung, Umweltkatastrophen, Seuchen, Waldsterben, Finanz- und Euro-Crash, Atomkraft, Flüchtlingen, Migranten, Ausländern, einem Rechtsruck, vor persönlichem wirtschaftlichen Abstieg, kurz: Angst vor der Zukunft, vor der „Apokalypse“. Die Angst scheint ständiger Begleiter der Deutschen zu sein, „Angstwellen“ mit erheblichen Folgen für gesamtgesellschaftliche und politische Entwicklungen erschüttern Deutschland. Man fürchtet sich vor Veränderungen und folgt dem bekannten Adenauer‘schen Bonmot: „Keine Experimente!“ 

Die Folge sind Stillstand und letztlich eine statische Gesellschaft ohne Mut und Kraft zum Fortschritt. Der Autor kann sich „manchmal des Eindrucks nicht erwehren, dass Angst das einzige Thema ist, in dem die Deutschen sich einig sind“ (S. 166). Das ist starker Tobak und scheint mir, insbesondere im geschichtlichen Längsschnitt, überzogen zu sein, trotz der unleugbaren Wirkungen der „Traumata“ in der deutschen Geschichte. Abdel-Samad relativiert seine Angst-These auch gleich und bescheinigt den Deutschen, dass sie „eigentlich nie technologie- oder innovationsfeindlich waren“ (S. 173).

Zahlreiche bahnbrechende Erfindungen gehen auf das Konto von Deutschen, vom Buchdruck, dem Dynamo, dem Computer und dem Hubschrauber bis zur Currywurst und dem Hefeweizen (!). Nur in puncto Digitalisierung und künstlicher Intelligenz bestehe ein deutlicher Rückstand zu anderen Nationen. Das ist bedauerlicherweise Fakt.

Die Defizite des Islam

Mit diesem Jahrhundertthema hat sich Abdel-Samad immer wieder intensiv auseinandergesetzt und eine Reihe von Studien vorgelegt. 2018 konstatierte er „das Scheitern der Migrations- und Integrationspolitik“ („Integration. Protokoll eines Scheiterns“). Dies bestätigt er eindrücklich mit zahlreichen Beispielen für die konzeptionslose Flüchtlings- und Asylpolitik hierzulande. Die Konzeptionslosigkeit mache es Ideologen leicht, Zustimmung zu erlangen, „Rechtspopulisten“ und „Islamisten“ gleichermaßen (S. 184 ff.) Als Ex-Muslim kennt der Autor die Defizite des Islam am besten.

Darüber hat er ausführlich geschrieben und immer wieder auf die Widersprüche bestimmter koranischer Lehren zu den universalen Menschenrechten verwiesen. Islamkritik sei legitim und notwendig. Der häufig erhobene Vorwurf der „Islamophobie“ sei „nicht nur irreführend, sondern auch gefährlich“ (S. 188). Der Unterschied zwischen Islam und Muslimen werde verwischt und schütze Muslime auch nicht vor „Hass und Ausgrenzung“ (S. 189). Integration bedeute, eine „Entscheidung zu treffen“ (S. 190) und zwar für eine emotionale, kulturelle und nationale Identifikation mit Deutschland, letztlich also für eine „Assimilation“ (S. 190). Dieser Begriff ist bei linksgrünen Ideologen ein rotes Tuch, weil sie damit die immer wieder geforderte „Gleichwertigkeit“ aller Kulturen infrage gestellt sehen. Kritik von dieser Seite am Autor ist also sehr wahrscheinlich.

„Manifest für eine aufgeklärte Leitkultur“

Was der Autor im letzten Kapitel diskutiert und vorschlägt, ist nicht neu und wird inhaltlich seit Mitte der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts unter verschiedenen Metakategorien und entlang konjunktureller Diskursepisoden diskutiert: „Wertewandel“, „Postmoderne“, „Postmaterialismus“, „Globalisierung“, „Multikulturalismus“ etc. Trotzdem ist es vor dem Hintergrund gesamtgesellschaftlicher und politischer Krisen weiterhin von zentraler Bedeutung, über leitende, alle Bürger verbindenden, „Werte“ zu reflektieren.

Der Autor scheut sich erfreulicherweise nicht, den von linksgrün vielfach denunzierten Begriff der „Leitkultur“ zu rehabilitieren. Welche „Werte“ sind es? Freiheit, Liberalismus, Demokratie, soziale Gerechtigkeit (statt „Identitätsgerechtigkeit“ für einzelne Gruppen!), Zivilcourage, Selbstverantwortung, Solidarität, Loyalität dem Gemeinwesen gegenüber Säkularismus und Pluralismus statt Multikulturalismus. Es bedarf Empathie und Toleranz, diese Werte nicht nur politisch-theoretisch und institutionell umzusetzen, sondern auch praktisch zu leben.

Hamed Abdel-Samads Buch ist eine Liebeserklärung eines Ägypters, für den das „Deutsch-Sein“ zu Koordinaten seines Lebens geworden sind: „Deutsch-Sein bedeutet für mich heute, für Freiheit und Vielfalt einzustehen und gegen jede Form der Bevormundung, Einschüchterung und Extremismus einzutreten, egal aus welcher Ecke sie kommen“ (S. 216).

Hamed Abdel-Samad: Aus Liebe zu Deutschland. Ein Warnruf. München (dtv), 2020. 223 Seiten. 20 €

 

Johannes Kandel, geb. 1950 in Berlin, hat Geschichte, Politikwissenschaft und Philosophie studiert. Promotion mit einer Arbeit zum "Christlichen Sozialkonservativismus im 19. Jahrhundert". Bis 2014 Dozent und Akademiedirektor im Bereich "Politische Erwachsenbildung" bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Freudenberg und Saarbrücken, zum Schluss in Berlin. Zahlreiche Veröffentlichungen, u.a. zum Themenfeld Religion und Politik, Islam und Islamismus.

Foto: Raimond Spekking CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Hans-Peter Dollhopf / 14.01.2021

Herr Arning, interessanter Ansatz! Ich halte dagegen: Die “Mitte” repräsendiert die Schöpfer realer Werte und ist somit per se apolitisch. Denn im Prozess der Wertschöpfung fällt Phraseologie, diese Existenzgrundlage der Rechten und der Linken, mangels Funktionalität aus dem Raster der Rationalität. Im Gegenteil nämlioch: Auf dem lebensnahen Betätigungsfeld der “Mitte” kacken Linke wie Rechte ab. Es gibt kein falsches Leben (Politik) im wahren (Wertschöpfung). Nicht Politik, sondern die gesellschaftliche Arbeit(steilung) schafft alle Tage die realen Grundlagen für unser aller Existenz. Die “Politik” (Linke, Rechte) ist Überbau, behindert die “Mitte”, wo sie nur kann, saugt sie aus und tut groß, obwohl nur Parasit. Wechseln Sie die Perspektive auf das Leben. Die “Politik” (Linke/Rechte) ist sinn- und wertlos und ein aufgeplusterter Truthahn. Die “Politik” (Linke/Rechte) ist sinn- und wertlos und ein aufgeplusterter Truthahn. Wo das Parteienherrschaftssystem ausgejätet wird und der Staat eingezäunt in das Refugium seiner an einer Hand abzählbaren Kompetenzen, da entfaltet sich die “Mitte” über Nacht zur Supermacht einer freien Welt!

Werner Arning / 14.01.2021

Nachtrag: Und das liegt vielleicht daran, dass die Deutschen niemals eine bürgerliche Republik, eine Demokratie erkämpft, selber herbeigeführt haben, sondern diese zugeordnet bekommen haben. Man schätzt das, was man sich erarbeitet und gewünscht hat und weniger das, was man „geschenkt“ bekommen hat. Bis heute ist die Demokratie den Deutschen in gewisser Weise fremd geblieben. Sie haben sie nicht verinnerlicht. Toleranz und absolute Respektierung der anderen Meinung fällt ihnen schwer, leuchtet ihnen nicht ein. Immer wieder finden sie deshalb Gefallen an extremen Gesellschaftsformen, die einen autoritären Charakter besitzen. Der Deutsche glaubt nicht wirklich, dass man auf die Bevölkerung hören sollte. Er erwartet von dieser (und im Grunde auch von sich selbst) nichts Gutes und möchte deshalb über sie bestimmen, bzw. über sich bestimmen lassen. Das macht seinen zutiefst autoritären Charakter aus. Diese Art von Charakter passt nicht wie selbstverständlich zur Demokratie.

Werner Arning / 14.01.2021

Woran es in Deutschland traditionell hapert, ist eine politisch von sich selber überzeugte, politische Mitte. Von dieser „Mitte“ wird zwar viel geredet, doch handelt es sich dabei wohl um reine Lippenbekenntnisse. Entweder lässt sich in Deutschland diese schwache Mitte nach links oder nach rechts ziehen. Im Moment sind die Linken wieder an der Reihe. Es gibt kein selbstbewusstes, konservativ-liberal-bürgerliches Lager. Es löst sich in Luft auf, sobald Linke oder Rechte einmal laut mit den Händen klatschen. Das bürgerliche Lager hat kein Fundament. Es lebt, solange man es leben lässt und geht unter, wenn stärkere, selbstbewusstere Kräfte es untergehen lassen wollen. Es biedert sich beim Stärkeren an, weil es seine eigene Existenzberechtigung infrage stellt. Die demokratische Mitte führt in Deutschland in Wirklichkeit ein Schattendasein und verschwindet völlig von der Bildfläche, wenn wie es derzeit der Fall ist, lautstarke Ideologen das mediale Regiment übernehmen. Dazu hat freilich ihre offizielle Führerin tatkräftig beigetragen. Und das „bürgerliche Lager“ hat ihr geglaubt. Mangels Selbstbewusstsein.

Hans-Peter Dollhopf / 14.01.2021

Herr Kandel, aufgrund Ihrer Rezension komme ich zu der Ansicht, dass Hamed Abdel-Samad mit “Aus Liebe zu Deutschland” ein sehr persönliches, sich seiner selbst versicherndes, Buch vorgelegt hat. Schon seine Wahl des Titels ist reflexiv. Denn indem der Autor diese Gesellschaft, dieses Land als Objekt seiner Liebe angibt, zeigt er sich selbst den Lesern von seiner subjektiven Seite. Gestützt wird meine Interpretation, wo Sie vom Autor schreiben, dass “„Deutsch-Sein“ zu Koordinaten seines Lebens geworden” wurde. Darum, aus dieser seinen Blick auf das Land wie eine Ablenkung auf objektiv scheinbar Nebensächliches fokussierenden Selbstwerdung heraus, stellen Sie an einer Stelle amüsiert fest: “sehr konstruiert, ist die von ihm vorgestellte Typologie des Untertanengeistes (S. 90 ff.), insbesondere im Blick auf die Kategorie der „religiösen Untertanen“ (S. 91).” Doch es ist tatsächlich das phänomenale Erzeugnis einer ganz persönlichen, innerlichen Handlungsnotwendigkeit, als Folge davon, dass man sich selbst zielstrebig in Bezug setzte, weil: “Integration bedeute, eine „Entscheidung zu treffen“ (S. 190) und zwar für eine emotionale, kulturelle und nationale Identifikation mit Deutschland, letztlich also für eine „Assimilation“ (S. 190).” Es ist also leicht zu erkennen, was den Autor zu dieser “launischen” Auswahl seiner Beobachtungen, Schlussfolgerungen und Erwartungen (der Untertitel lautet “Eine Warnung”) bezüglich seines neuen Heimatland motiviert hat. Das Buch wäre damit nur vorgeschoben eine Zustandsanalyse Deutschlands, sondern in Wirklichkeit die derart getarnte Selbstoffenbarung eines Immigranten, der sich auf intellektuell freundlichste Art und Weise, nämlich vorsätzlich und gründlich, selbst assimilierte. Darum dürfte besonders das Lesen des Kapitels über sein Gespräch mit Sawsan Chebli, die dazu nie fähig und/oder willens war, (warum wohl sonst “fast von allen Seiten angefeindet”?), für diese höchst entlarvend sein. Leseerwartung: psychologisch spannend!

M.-A. Schneider / 14.01.2021

Ein sehr lesenswertes Buch, das uns klar macht, was unsere Gesellschaft, durchdrungen von politisch-ideologisch gewolltem Selbsthass und Selbstverleugnung, bereit ist, aufzugeben.

Frank Stricker / 14.01.2021

Es ist ja fast schon grotesk, ein Ägypter zeigt uns, wie Identität und Vaterlandsliebe geht, und dass ohne jeglichen Pathos und der üblichen korrekten Sprachpolizei. Bleib so wie Du bist, lieber Hamed !

Frances Johnson / 14.01.2021

Er ist gut, aber Heinrich Heine ist er nicht, denn er nimmt inzwischen unübersehbar Rücksicht auf gewisse Kreise. Heine nahm keine Rücksicht und sah sich daher genötigt, diesen Staat, der noch nie liberal war, sondern nach WK II gut geschauspielert hat, zu verlassen. Außerdem schreibt er keine Gedichte, ist verheiratet und vermutlich nicht so liederlich in jeder Beziehung ;-). Über Heine, Goethe und Schiller kommt ohnehin niemand mehr, nicht mal auf eine ähnliche Ebene. Mit cancel culture und FB-Sperrungen und Twittergegröl. so laut wie Heine, aber längst nicht so differenziert, sondern meistens prollig alles niederwalzend, wird es das nicht mehr geben, es sei denn, es käme ein neues enlightenment. Oder un rinascimento. Galilei oder Voltaire - das brauchen wir. Unser weiblicher Voltaire-Abriss, Hirsi-Ali, musste nach Amerika emigrieren, und männliche Voltaires, die nach großen Malern hießen, werden schon mal auf offener Straße erstochen. Selbst der mutige de Winter ist still geworden. Heinrich Heine ist tot, endlich. Deutschland hat es geschafft mit einer Neuauflage von Antisemitismus. Man musste nicht einmal seine Bücher verbrennen. Ein unpassendes Zitat von ihm oder gar von Voltaire werden Twitter und FB einfach löschen und den User sperren. Und Heine würde evtl sagen: Wo man Schriften löscht und User sperrt, werden Menschen gelöscht oder gesperrt werden. Und beruflich passiert das schon, siehe Maron.

Karl Eduard / 14.01.2021

“Schmerz vergeht nicht, wie der Autor aus eigenem Erleben weiß (S. 75), aber er warnt auch vor einer „Überbetonung der deutschen Schuld als identitätsstiftendes Merkmal einer ganzen Nation“ Zu spät. Das Unheil ist angerichtet. Oder: Missetat begangen. Da kommen die Deutschen nicht mehr heraus, weil sie nicht mehr herauskommen sollen. Inzwischen hat fast jeder verinnerlicht, daß Deutsch zu sein, ein Verbrechen ist. Außer den Ausländern natürlich, mit deutscher Staatsbürgerschaft. Denen ist die deutsche Geschichte egal. Sie sind stolze Türken, Syrer, Russen oder POC und identifizieren sich nicht mit diesem Land. Ausnahmen bleiben leider Ausnahmen. Eine Änderung könnte nur ein so großer Umbruch herbeiführen, daß alle bisherigen Vorstellungen radikal zerschlagen werden. Ein solcher war 1933, als ein Kanzler praktisch diktatorische Vollmachten bekam, ein anderer 1945, als das Land in Trümmern lag und die Menschen an Leichenbergen vorbeidefilieren mußten und angeschrien wurden, was für Verbrecher sie sind. In diesem Staat wird das aber nichts mehr.

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