Herr Arning, interessanter Ansatz! Ich halte dagegen: Die “Mitte” repräsendiert die Schöpfer realer Werte und ist somit per se apolitisch. Denn im Prozess der Wertschöpfung fällt Phraseologie, diese Existenzgrundlage der Rechten und der Linken, mangels Funktionalität aus dem Raster der Rationalität. Im Gegenteil nämlioch: Auf dem lebensnahen Betätigungsfeld der “Mitte” kacken Linke wie Rechte ab. Es gibt kein falsches Leben (Politik) im wahren (Wertschöpfung). Nicht Politik, sondern die gesellschaftliche Arbeit(steilung) schafft alle Tage die realen Grundlagen für unser aller Existenz. Die “Politik” (Linke, Rechte) ist Überbau, behindert die “Mitte”, wo sie nur kann, saugt sie aus und tut groß, obwohl nur Parasit. Wechseln Sie die Perspektive auf das Leben. Die “Politik” (Linke/Rechte) ist sinn- und wertlos und ein aufgeplusterter Truthahn. Die “Politik” (Linke/Rechte) ist sinn- und wertlos und ein aufgeplusterter Truthahn. Wo das Parteienherrschaftssystem ausgejätet wird und der Staat eingezäunt in das Refugium seiner an einer Hand abzählbaren Kompetenzen, da entfaltet sich die “Mitte” über Nacht zur Supermacht einer freien Welt!
Nachtrag: Und das liegt vielleicht daran, dass die Deutschen niemals eine bürgerliche Republik, eine Demokratie erkämpft, selber herbeigeführt haben, sondern diese zugeordnet bekommen haben. Man schätzt das, was man sich erarbeitet und gewünscht hat und weniger das, was man „geschenkt“ bekommen hat. Bis heute ist die Demokratie den Deutschen in gewisser Weise fremd geblieben. Sie haben sie nicht verinnerlicht. Toleranz und absolute Respektierung der anderen Meinung fällt ihnen schwer, leuchtet ihnen nicht ein. Immer wieder finden sie deshalb Gefallen an extremen Gesellschaftsformen, die einen autoritären Charakter besitzen. Der Deutsche glaubt nicht wirklich, dass man auf die Bevölkerung hören sollte. Er erwartet von dieser (und im Grunde auch von sich selbst) nichts Gutes und möchte deshalb über sie bestimmen, bzw. über sich bestimmen lassen. Das macht seinen zutiefst autoritären Charakter aus. Diese Art von Charakter passt nicht wie selbstverständlich zur Demokratie.
Woran es in Deutschland traditionell hapert, ist eine politisch von sich selber überzeugte, politische Mitte. Von dieser „Mitte“ wird zwar viel geredet, doch handelt es sich dabei wohl um reine Lippenbekenntnisse. Entweder lässt sich in Deutschland diese schwache Mitte nach links oder nach rechts ziehen. Im Moment sind die Linken wieder an der Reihe. Es gibt kein selbstbewusstes, konservativ-liberal-bürgerliches Lager. Es löst sich in Luft auf, sobald Linke oder Rechte einmal laut mit den Händen klatschen. Das bürgerliche Lager hat kein Fundament. Es lebt, solange man es leben lässt und geht unter, wenn stärkere, selbstbewusstere Kräfte es untergehen lassen wollen. Es biedert sich beim Stärkeren an, weil es seine eigene Existenzberechtigung infrage stellt. Die demokratische Mitte führt in Deutschland in Wirklichkeit ein Schattendasein und verschwindet völlig von der Bildfläche, wenn wie es derzeit der Fall ist, lautstarke Ideologen das mediale Regiment übernehmen. Dazu hat freilich ihre offizielle Führerin tatkräftig beigetragen. Und das „bürgerliche Lager“ hat ihr geglaubt. Mangels Selbstbewusstsein.
Herr Kandel, aufgrund Ihrer Rezension komme ich zu der Ansicht, dass Hamed Abdel-Samad mit “Aus Liebe zu Deutschland” ein sehr persönliches, sich seiner selbst versicherndes, Buch vorgelegt hat. Schon seine Wahl des Titels ist reflexiv. Denn indem der Autor diese Gesellschaft, dieses Land als Objekt seiner Liebe angibt, zeigt er sich selbst den Lesern von seiner subjektiven Seite. Gestützt wird meine Interpretation, wo Sie vom Autor schreiben, dass “„Deutsch-Sein“ zu Koordinaten seines Lebens geworden” wurde. Darum, aus dieser seinen Blick auf das Land wie eine Ablenkung auf objektiv scheinbar Nebensächliches fokussierenden Selbstwerdung heraus, stellen Sie an einer Stelle amüsiert fest: “sehr konstruiert, ist die von ihm vorgestellte Typologie des Untertanengeistes (S. 90 ff.), insbesondere im Blick auf die Kategorie der „religiösen Untertanen“ (S. 91).” Doch es ist tatsächlich das phänomenale Erzeugnis einer ganz persönlichen, innerlichen Handlungsnotwendigkeit, als Folge davon, dass man sich selbst zielstrebig in Bezug setzte, weil: “Integration bedeute, eine „Entscheidung zu treffen“ (S. 190) und zwar für eine emotionale, kulturelle und nationale Identifikation mit Deutschland, letztlich also für eine „Assimilation“ (S. 190).” Es ist also leicht zu erkennen, was den Autor zu dieser “launischen” Auswahl seiner Beobachtungen, Schlussfolgerungen und Erwartungen (der Untertitel lautet “Eine Warnung”) bezüglich seines neuen Heimatland motiviert hat. Das Buch wäre damit nur vorgeschoben eine Zustandsanalyse Deutschlands, sondern in Wirklichkeit die derart getarnte Selbstoffenbarung eines Immigranten, der sich auf intellektuell freundlichste Art und Weise, nämlich vorsätzlich und gründlich, selbst assimilierte. Darum dürfte besonders das Lesen des Kapitels über sein Gespräch mit Sawsan Chebli, die dazu nie fähig und/oder willens war, (warum wohl sonst “fast von allen Seiten angefeindet”?), für diese höchst entlarvend sein. Leseerwartung: psychologisch spannend!
Ein sehr lesenswertes Buch, das uns klar macht, was unsere Gesellschaft, durchdrungen von politisch-ideologisch gewolltem Selbsthass und Selbstverleugnung, bereit ist, aufzugeben.
Es ist ja fast schon grotesk, ein Ägypter zeigt uns, wie Identität und Vaterlandsliebe geht, und dass ohne jeglichen Pathos und der üblichen korrekten Sprachpolizei. Bleib so wie Du bist, lieber Hamed !
Er ist gut, aber Heinrich Heine ist er nicht, denn er nimmt inzwischen unübersehbar Rücksicht auf gewisse Kreise. Heine nahm keine Rücksicht und sah sich daher genötigt, diesen Staat, der noch nie liberal war, sondern nach WK II gut geschauspielert hat, zu verlassen. Außerdem schreibt er keine Gedichte, ist verheiratet und vermutlich nicht so liederlich in jeder Beziehung ;-). Über Heine, Goethe und Schiller kommt ohnehin niemand mehr, nicht mal auf eine ähnliche Ebene. Mit cancel culture und FB-Sperrungen und Twittergegröl. so laut wie Heine, aber längst nicht so differenziert, sondern meistens prollig alles niederwalzend, wird es das nicht mehr geben, es sei denn, es käme ein neues enlightenment. Oder un rinascimento. Galilei oder Voltaire - das brauchen wir. Unser weiblicher Voltaire-Abriss, Hirsi-Ali, musste nach Amerika emigrieren, und männliche Voltaires, die nach großen Malern hießen, werden schon mal auf offener Straße erstochen. Selbst der mutige de Winter ist still geworden. Heinrich Heine ist tot, endlich. Deutschland hat es geschafft mit einer Neuauflage von Antisemitismus. Man musste nicht einmal seine Bücher verbrennen. Ein unpassendes Zitat von ihm oder gar von Voltaire werden Twitter und FB einfach löschen und den User sperren. Und Heine würde evtl sagen: Wo man Schriften löscht und User sperrt, werden Menschen gelöscht oder gesperrt werden. Und beruflich passiert das schon, siehe Maron.
“Schmerz vergeht nicht, wie der Autor aus eigenem Erleben weiß (S. 75), aber er warnt auch vor einer „Überbetonung der deutschen Schuld als identitätsstiftendes Merkmal einer ganzen Nation“ Zu spät. Das Unheil ist angerichtet. Oder: Missetat begangen. Da kommen die Deutschen nicht mehr heraus, weil sie nicht mehr herauskommen sollen. Inzwischen hat fast jeder verinnerlicht, daß Deutsch zu sein, ein Verbrechen ist. Außer den Ausländern natürlich, mit deutscher Staatsbürgerschaft. Denen ist die deutsche Geschichte egal. Sie sind stolze Türken, Syrer, Russen oder POC und identifizieren sich nicht mit diesem Land. Ausnahmen bleiben leider Ausnahmen. Eine Änderung könnte nur ein so großer Umbruch herbeiführen, daß alle bisherigen Vorstellungen radikal zerschlagen werden. Ein solcher war 1933, als ein Kanzler praktisch diktatorische Vollmachten bekam, ein anderer 1945, als das Land in Trümmern lag und die Menschen an Leichenbergen vorbeidefilieren mußten und angeschrien wurden, was für Verbrecher sie sind. In diesem Staat wird das aber nichts mehr.
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