Sie werden immer dreister. Kaum ein Wochenende, an dem die NPD oder die mit ihnen verbündeten „freien Kameradschaften“ nicht eine Demonstration anmelden. Im Windschatten der öffentlichen Präsenz wächst die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten. Brutale Gewalt wird ausgeübt, aber auch die symbolischen Schläge sind hart: Nur wenige Stunden nach einer Gedenkfeier zum Novemberpogrom in Frankfurt (Oder) können Jungnazis Kränze und Kerzen vom Gedenkstein reißen. Die Angst in den jüdischen Gemeinden wächst. Je mehr rat- und hilflose demokratische Parteien, verharmlosende Politiker, feige Behörden und schlecht informierte Polizei vor allem in ostdeutschen Kommunen zurückweichen, desto mächtiger fühlen sich die Rechtsextremen. Vor allem: Sie fühlen sich anerkannt.
„Aus der Mitte des Volkes“ lautete das Motto des NPD-Bundesparteitags in Berlin. Das Motto ist ein bißchen hochtrabend – und doch weniger abwegig, als viele das wahrhaben wollen. Eine Studie der Universität Leipzig zeigt erneut, wie trügerisch die Metapher vom „rechten Rand“ ist. Bis zu 40 Prozent der Befragten stimmten ausländerfeindlichen Aussagen zu. Fast jeder fünfte findet, die Juden hätten „auch heute noch“ zu viel Einfluß. Die Ergebnisse rückten „Wahlerfolge der NPD in greifbare Nähe“, jubelt die Partei im Internet. Der Kampf um die Köpfe muß bei der Selbstgewißheit der Neonazis ansetzen. Sie sollen sich als Randfiguren fühlen. Politiker müssen damit aufhören, populistische Parolen salonfähig zu machen. Antiisraelische Propaganda von „Antifaschisten“, antikapitalistischer Populismus bei Gewerkschaften, fremdenfeindliches Geraune bei Konservativen – es gibt vieles, was die Rechten im Glauben bestärkt, sie seien die „Volksstimme“. Und: Nicht nur Jugendliche benötigen Aufklärung. Alle Umfragen zeigen, daß ältere Menschen mindestens genauso rassistisch sind. Die Frechheit der Jungnazis kommt auch aus der Mitte der Familien. Schon dort muß sie bekämpft werden.
(Jüdische Allgemeine, 16.11.06, Seite 1)