Hubert Geißler, Gastautor / 26.09.2020 / 10:00 / Foto: Tomaschoff / 20 / Seite ausdrucken

Aus dem Heldenleben eines Lehrers (17): Berater über Berater

In meiner Schulzeit beschränkte sich die Beratung durch die Lehrkräfte in der Regel auf den Hinweis, man solle sich gefälligst auf den Hosenboden setzen, oder der Vater würde einem denselben nach dem nächsten Sprechtag schon mal strammziehen. Defizitäre mündliche Leistungen wurden mit unsensiblen Kommentaren wie „Geißler, Geißler, des war heit aber gar nix!“ kommentiert, wenn nicht, ich lüge nicht, derart grenzwertige Aussagen vorkamen, wie die meines Chemielehrers, der, finster in sein Notenheftchen blickend, sprach: „Heute schlachten wir mal ein Weib!“ Die Jungs haben aufgeatmet, aber für eine derartige Äußerung wäre er heute aus dem Verkehr gezogen und mindestens auf eine Psychokur geschickt worden. Unter Humor, auch schwarzen, wär das wohl nimmermehr eingeordnet worden.

Heute schmarotzt, ähnlich wie in der Landesverteidigung, ein veritables Beratersystem vom kränkelnden Schulorganismus. Auch der Armee stehen ja nicht finstere Gesellen, wie der Russe Schoigun, vor, dem man schon ansieht, dass mit ihm vielleicht gut Wodka trinken, aber schlecht Kirschen essen ist, nein, an der Spitze der Ministerien findet man von aggressivem Ingrimm befreite Damen inzwischen in vielen europäischen Ländern, die wohl den familiären Charakter der Truppe verkörpern sollen, sich allerdings nicht scheuen, die armen Kämpfer grundgesetzwidrig global in alle auffindbaren Nesseln zu setzen, wobei immer auch auf Gendergerechtigkeit, Stillräume im Panzer und diverse Toiletten geachtet wird.

Zwar ist die Truppe nicht k.v. und nutzt Besenstiele statt Panzerrohre, aber was tut’s. Der Friede bleibt so unbedingt gesichert und die ein oder andere (Ex-)Ministerin nähert sich auf jeden Fall dem Zustand der Svf (Spindverwendungsfähigkeit). Scherz beiseite! (Apropos, ich stelle die martialischen Fähigkeiten des weiblichen Geschlechts keineswegs infrage, Musterbeispiele: Katharina die Große oder Jeanne d’Arc. Aber wo sind heutzutage die Inspirationen der Heiligen Jungfrau oder des Erzengels Michael? Nur im Heer der Rechtgläubigen scheint noch eine gewisse Moral vorzufinden sein).

Träumen wird man ja noch dürfen

Aber wo waren wir stehengeblieben? Berater! Logisch, dass die bei weitgehender Fachunkenntnis und zur Vertuschung von Verantwortlichkeiten das Mittel der Wahl sind und heutzutage allenthalben wuchern wie der Efeu an einer alten Mauer.

Woher kommt das? Einmal sicher von der durchaus grassierenden Sozialpädagogisierung und Psychologisierung der Gesellschaft. Heerscharen von Soziologen, Pädagogen und Psychologen werden in den Unis produziert, die ja schließlich auch ihr Auskommen finden müssen, wenn die „Zivilgesellschaft“ (klingt klasse, meint allerdings ein staatlich alimentiertes Parallelbeamtentum) und ihre NGOs nicht mehr genügend Versorgungsposten für die Expertenschwemme zur Verfügung stellen. Da nun aber jedes gesellschaftliche Problem auf die Schulen projiziert wird, ist Nachschulung das Gebot der Stunde. Die Lehrkräfte müssen ja gendersensibel, umweltbewusst, kreativ, innovativ und wirtschaftskompetent sein, und dazu bedarf es eines Systems, das das alles vermittelt.

Rohe Gewalt im Klassenzimmer ist nicht mehr „in“, also muss der Lehrer zum Sozialmanager werden, Hobbypsychologe ist er meist sowieso. So schneien einem die Fortbildungsangebote serienweise ins elektronische Postfach, und nur die endlosen Nachschreibtermine verhindern die Inanspruchnahme von Bildungsurlaub in meist angenehmer Umgebung bei Vollverpflegung und Fahrtkostenersatz. Auch für die Vermittlung und Implementierung der immer neuen Prüfungsanforderungen und sonstigen Erlasse ist Schulung erforderlich. Es gründen sich Institute für alle möglichen humanistisch-fortschrittlichen Ziele, und die drängen in die Kataloge der Kultusministerien.

Munter werden fragwürdige Methoden der Unternehmensberatung, in die sich nicht selten kommerzielle Interessen einschieben, in die Schule übertragen. Leitbilder müssen entwickelt werden, (in dem Fall tät es „guttenbergen“ auch oder das gute, alte „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!“), Minderheiten sollen berücksichtigt werden, Mädchen an Technik und Jungs ans Kochen gebracht werden, um die Ideale, die momentan en vogue sind, zu erfüllen. Man kann das mit einem Krebsgeschwür vergleichen: Der Rest des gesunden Organismus wird bis zur Unkenntlichkeit und bis zum Kollaps überwuchert.

Vielleicht an dieser Stelle noch ein Wort zu einer möglichen Reformierbarkeit des Schulsystems. Einerseits glaube ich nicht daran, andererseits müsste es doch Lösungen geben. Ich sehe diese eigentlich nur darin, dass aus dem Gymnasialsystem, das mit den Gesamtschulen nunmehr die eigentliche „Hauptschule“ des Landes geworden ist, wieder eine anspruchsvollere Schulform ausgegliedert werden sollte, eine, die vielleicht im Sinne der schweizerischen Maturitätsschulen Methoden und Ziele des Humboldtschen Gymnasiums wieder aufgreift. Und damit eine eigentliche Wissenschaftspropädeutik in unverdünnter Form leistet.

Träumen wird man ja noch dürfen.

 

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Foto: Tomaschoff

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Dieter Kief / 26.09.2020

Och ja, die Schweiz. Die Lehrer nicht verbeamtet, sondern angestellt bei den Gemeinden, also praktisch bei den Bürgern jeweils am Ort. Und von denen penibel kontrolliert, ne. Wenn ich das hier in Grenznähe anspreche, kommen bei den Lehrerinnen sofort Hitler-Verweise. Das ganze Schweizer System sei genaugenommen: Populistisch, also Hitler-nah, und deshalb - von der AfD ja prompt wohlgelitten - und daher klarerweise aus übergeordneten moralisch-ethischen antifa-Gründen rundweg abzulehenen. Klappe zu - und die Schule hierzulande bleibt wie sie ist. - So hat man seine Ruhe und - - -  kann auch weiter sehr schön über Missstände klagen - das hat auch was! - Da sieht man wieder, was unsere gebildeten Schichten aus dem Hitler-Gedenken immer noch herausholen! - Phantastisch!

Roland Stolla-Besta / 26.09.2020

Bei dem Satz „Heute schlachten wir mal ein Weib“ fiel mir folgende Episode aus meiner frühen Schulzeit vor über 60 Jahren ein (wohl 2. Volksschulklasse). Wie allmorgendlich mit der Nachbarstochter Marina zusammen ca. 15 Minuten Schulweg (kein SUV damals vorhanden, also kein Almauftrieb durch Mama oder Papa). Da ich auf den letzten Drücker eiligst aus dem Haus stürzte, unterwegs festgestellt, daß ich meinen Schulranzen vergessen hatte. Soll ich nicht schnell zurücklaufen und ihn holen? Marina: „Nein, wir kommen doch sonst zu spät in die Schule!“ Dann die Stunde der Wahrheit, als Lehrer Holland die Klasse aufforderte, die Lesebücher hervorzuholen. Ich verschämt: „Ich habe meinen Ranzen vergessen, wollte zurückgehen und ihn holen, aber die Maria hat gesagt, ich sollte das sein lassen.“ Herrn Hollands bis heute unvergessene Antwort: „Hörst du immer auf das, was Frauen dir sagen?“ Ja, für das Leben lernen wir! Heute würde der arme Herr Holland wegen eines solchen Ausspruches von der Freideisvorfuttscher-PISA-Generation gesteinigt werden.

Wolfgang Kaufmann / 26.09.2020

Heute darf ein Lehrer froh sein, wenn er den Schüler mit dem Nachnamen ansprechen darf, wegen der DSGVO. Auch der Vorname empfiehlt sich nicht, denn heute ist Murat eine Prinzessin, will ihre Trans-ition aber nicht der Klasse bekannt machen. – Leistungen vor der Klasse zu bewerten, ist auch ein No Go; bei den Benachteiligen darf ja nicht mal Leistung verlangt werden, wegen Inklusion, Integration und sonstigen Inkompatibilitäten mit der Leistungsgesellschaft. – Fazit des Unterrichts: Gut dass wir drüber geredet haben.

Gabriele Klein / 26.09.2020

“Heute schmarotzt, ähnlich wie in der Landesverteidigung, ein veritables Beratersystem vom kränkelnden Schulorganismus. ” Bei jedem Einkauf durch die öffentliche Hand, sei es die angeblich 69 Mio schwere COVID App, die Beratungen von Frau Dr. v. d. Leyen oder auch die Seminare unzähliger Lehrer interessiert mich nur eines: Wie hoch war die Zuschlagsprämie für den Vertrag durch den Anbieter an den der den Auftrag im Auftrag des Steuerzahlers vergab und wohin ist diese Prämie dann geflossen. .......Können wir Zuschlagsprämien im Steuerseckel verzeichnen und wo und wie werden sie ausgewiesen…..

K.Lehmann / 26.09.2020

Jörg Themlitz, “Prof. Dr. Lesch hab ich mal ganz gern geschaut” Den Satz klau ich mir mal, brauch ich ihn nicht selber schreiben…., und alles Andere auch, Danke….

Waltraud Köhler / 26.09.2020

Ich wünsche mir eine Schule, die sich einfach nur wieder ihrem ursprünglichen Auftrag widmet: Der Vermittlung von Wissen. Schüler die sich nicht benehmen können sollten dem Jugendamt gemeldet werden und von dort zunächst zu Lehrstunden in sozialem Verhalten verdonnert werden, dann zu Sozialstunden, danach zu 2 bis 6 Wochen Unterbringung in einem Erziehungsheim und wenn das immer noch das Verhalten nicht ändert, dann zu dauerhaftem Aufenthalt im Erziehungsheim. So haben dann die Schüler, die von daheim noch ein anständiges Benehmen mitbringen die Chance etwas zu lernen. Und der Rest lernt zumindest, dass schlechtes Benehmen nichts nutzt.

Marcel Seiler / 26.09.2020

“... eine anspruchsvollere Schulform ausgegliedert werden sollte, eine, die vielleicht im Sinne der schweizerischen Maturitätsschulen Methoden und Ziele des Humboldtschen Gymnasiums wieder aufgreift.” Ich sage nur: Privatschulen! Für Kinder, deren Eltern wollen, das sie was lernen.

Sonja Bauch / 26.09.2020

Mit der Betreuung von Migranten hat sich für viele Sozialarbeiter ein lukratives Geschäftsfeld aufgetan. Viele, die vor 2015 noch große Schwierigkeiten hatten überhaupt in den Arbeitsmarkt einzusteigen, sind jetzt, dank Staatsversorgung, auf der sicheren Seite. Darum darf der Strom an Neuankömmlingen auch nicht abreißen.

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