Ich hege von jeher eine große Bewunderung für Schrauber. In einer Akademikerfamilie aufgewachsen - Vater promovierter Mathematiker, Bruder Dr. jur. - weiß ich ein Lied zu singen von vier “linken” Händen. Gott sei Dank war meine Mutter technisch begabt und agierte als eine Art Schrauberin, sobald irgend etwas im Haushalt nicht funktionierte. Wenn auch sie überfordert war, kam der berühmte Vetter aus Dingsda zum Einsatz. Ganz unaufgeregt brachte er in kürzester Zeit wieder auf Vordermann, was uns irreparabel erschienen war, und dies mit den schlichten Worten: “Tja, das war’s. Jetzt könnt ihr euch dranhängen, das hält.” Heute wird selbiger Vetter aus Altersgründen durch einen jüngeren, außerordentlich kompetenten Schrauber ersetzt, der zudem viel von Computern versteht und deshalb in meinem Freundes/Freundinnenkreis sehr beliebt ist. Wenn er bei uns aufkreuzt, muss ich immer an Richard Wagners Meistersinger von Nürnberg und die Arie des Hans Sachs denken: “Verachtet mir die Meister nicht und ehrt mir ihre Kunst. Was ihnen hoch zum Lobe sprach, fiel reichlich euch zur Gunst…” Den Meister kann man heute getrost durch “Schrauber” ersetzen. Bei jenen, die diesen Berufsstand nicht ernst nehmen oder gar verachten, sind mit Sicherheit gleich mehrere Schrauben locker.
Lieber Herr Dörre, Was Sie beschreiben, sind eher die Fließbandarbeiter der IT. 2 Beispiele: 1) Hatte einen VW Baujahr 2001. Kurz nach Ablauf der Garantie kam es während der Fahrt sporadisch zum Reset des Armaturenbretts. Das fiel nur nächtens auf, weil alle LEDs aufleuchteten. Über Jahre fand das Serviceteam trotz aller Diagnoseinstrumente keinen Fehler. Auch in der Service Datenbank war dazu nicht eingetragen. Durch eine Rotation in der Werkstatt, kam ich zu einem anderen Team. Dort war ein „Schrauber“, der herausfand, dass ein Kabel einen Wackelkontakt hatte. So kam der Fehler auch in die Service Datenbank. 2) Von einem Freund: Service für eine Software mit tausenden Mannjahren an Entwicklungsaufwand: Kritischer Fehler irgendwo in Afrika. Die Internetanbindung langsam und immer wieder mit Unterbrechungen. Die Daten mit den Symptomen tröpfeln nach dem Aufsetzen eines ftp-Servers vor Ort, davor kam wegen der Unterbrechungen gar nicht verwendbares in der Zentrale an. Das Management wird unruhig, will Zeitangaben. Zwei Wochen bis die notwendigen Daten vorhanden sind, lösen Unverständnis aus. Die Schrauber-Lösung: Vor Ort USB Stick mit 64 GB kaufen, Symptome darauf kopieren und mit DHL in die Zentrale schicken, dauert 2 Tage, Problem gelöst
Ich gehe davon aus,das dem Zusammenbruch von D,jede Menge Schrauber gebraucht werden.Es wird Jahre dauern,bis D dann durch die Schrauber und ihre Lehrlinge wieder auf Vordermann gebracht werden kann.
Früher oder später werden wir keine Schrauber mehr haben, nur Studierte oder Studienabbrecher mit dem Titel B. A. Selbst die verstopfte Toilette, den tropfenden Wasserhahn werden wir entweder selbst “heile” schrauben - oder uns irgendwie mit der Situation abfinden. Mein Vater, Kriegskind war zwangsweise ungelernter Schrauber, ich bin von seinen Fähigkeiten fasziniert in in seine Fußstapfen getreten, ebenfalls ungelernt und repariere nach wie vor so gut wie alles. Die Generation, die jetzt aufwächst, wird keinen Schrauber mehr stellen können. Das Erwachen wird fürchterlich sein!
Auch nicht schlecht, wenn wir unsere Schrauber nicht in den Krieg schicken können müssen - für die Zeit danach.
Meine Erfahrung als Bauhandwerker (seit Ende der 1970er Jahre), mit vorzeitig abgeschlossener Lehre, Meister- und Technikerabschluß als Jahrgangsbester, mit eigenem Betrieb und seit 30 Jahren Sachverständiger: Diejenigen am Bau, die am wenigsten vom Bauen verstehen, sind die Architekten und Bauingenieure. Baukonstruktionslehre? Systematische Vermeidung von Bauschäden? Wissen um die einfachsten physikalischen Zusammenhänge? Einfallsreichtum bei nicht alltäglichen, schwierigen Lösungen? Alles Fehlanzeige. Noch kein Inschinör hat je ein Haus gebaut. Aber die Nase senkrecht nach oben tragen, insbesondere frisch von der Schule weg (Uni oder Hochschule wäre zuviel gesagt). Erst wenn ein Architekt ein wenig Erfahrung hat, so etwa ab 10 - 15 Jahre im Job, dann kommt er vielleicht mal auf den Gedanken, daß seine Planungen immer jemanden brauchen, der die (immer weiter ausufernden) gestalterischen Wolkenkuckucksheime in die Tat umsetzt. Und der Bauherr sich heutzutage schon freuen kann, wenn die Bauschäden nicht allzu umfangreich und zu teuer zum Reparieren wurden. Wie sagt der Arschitekt gerne? “Es gibt keinen Bau ohne Mängel.” Na denn, Prost!
Ein Biotop der Schrauber bildet die Schar der Fahrer alter Motorräder. Wer einmal viele von ihnen auf einem Haufen sehen möchte, sollte seine Wege zum Elefantentreffen der Beiwagenfahrer in Solla lenken im Bayerischen Wald (das nächste beginnt am 31.01.2020). Aber nicht mit dem Auto kommen! Die meisten dieser Maschinen sind alt, die allermeisten stammen aus dem Hause Ural. Da sind immer einige Kisten dabei, die am nächsten Morgen nicht anspringen, mehr Öl als gewöhnlich verlieren, nicht leuchten, nicht bremsen oder sonstige Wehwehchen produzieren. Fast alle werden wieder in Gang gebracht, von Leuten, die aussehen wie motorisierte Yetis, ein Sammelsurium von schmutzigen Winteruniformen tragen und in allen Sprachen des Kontinents sprechen - aber mitten im Schlamm zerlegen, reinigen und zusammensetzen sie Vergaser mit Gleichmut und Zartgefühl (für die Technik).
Ist es eigentlich erlaubt hier auf die schier unglaubliche, ja geradezu übermenschliche Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der deutschen Wehrmacht hinzuweisen, und einen Zusammenhang damit herzustellen dass Deutschland damals sehr agrarisch geprägt war und die Wehrmacht voller Bauernsöhne war, die das Allround-Schraubertum und die Hands-On und Macher Mentalität mit der Muttermilch aufgesogen haben (und zudem körperlich fit waren mit solider Schulausbildung)?
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