Ich sehe - hoffentlich keine Halluzination, dass das Lehrerideal eher noch in den Schulen ländlicher Regionen zu finden ist. Früher war man der Meinung, dass die vom Lande die etwas Zurückgeblieben sind. In den größeren Städten haben mehr und mehr die Anbeter - besonders die Anbeterinnen - des Zeitgeistes das Lehren. Die erzeugen aber keine gebildeten Menschen, sondern im schlimmsten Fall bornierte Trottel und im besten Fall - sozusagen als Rose auf dem Misthaufen - neue Ketzer (seltener Ketzerinnen), so dass sich das früher kolportierte Bildungsgefälle Stadt -> Land umkehren wird.
@Arthur Sonnenschein „ Ganztagsverwahrung“ Warum habe ich zunächst „Ganztagsverwahrlosung“ gelesen?...;-)
Sie haben recht, meine besten und auch nettesten Lehrer waren auch immer gute Erzähler. Ich nehme an, dass Lehrer, die sich die Zeit nehmen, Geschichten oder kleine Anekdoten zu erzählen, anstatt stur ihren Stoff durchzuziehen, auch persönlich bessere Menschen sind. Die Schüler merken, dass der Lehrer sie ernst nimmt, sich um sie bemüht und auch (mit kleinen Schwanks aus dem eigenen Leben) ein wenig von sich selbst als Mensch preisgibt. Sie danken es, indem sie aufmerksamer sind und sich besser betragen. Ich glaube, dass GERADE der Lehrerberuf eine Berufung ist. Leider studieren die meisten Leute aus den falschen Gründen auf Lehramt. Ich finde, Didaktik und der Umgang mit Kindern und Jugendlichen kommt im Studium immer noch viel zu kurz. Die Studenten haben viel zu wenig Kontakt mit Schülern, viele stellen erst zu spät fest, dass sie Kinder gar nicht leiden können, kein Durchsetzungsvermögen haben oder dass andere soziale Kompetenzen fehlen, die im Lehrerberuf notwendig sind.
Kann ich alles nur bestätigen. Im ersten Semester Chemie erzählte ich immer beim Thema Elektrolyse folgende Geschichte. Ich war in Burghausen bei Wacker und hab mir die Chlor-Alkali-Elektrolyse angeschaut. In der betreffenden Halle herrscht ein so großes Magnetfeld, dass die Schlüssel an meinem Schlüsselbund fast senkrecht nach oben standen. Der Werksleiter erzählte mir dann folgende Geschichte: Zur Eröffnung des Werkes wurden eine Menge Politiker eingeladen. Als der Strom feierlich eingeschaltet wurde, da fiel ein Landrat tot um. Was war geschehen? Er hatte ein Stahlgebiss und das Magnetfeld hat es im an die untere Schädeldecke geschlagen. Riesige Aufregung unter den Studenten. Als sich die Emotionen beruhigt hatten, da sagte ich, so ihr glaubt doch jeden Scheiß, die Geschichte stimmt doch vorn und hinten nicht, alles erlogen. Bei weiteren Geschicht passten sie genau auf, weil sich mich immer im Verdacht hatten, ich wolle sie veralbern.
Ein sehr guter Text, gespickt mit Erinnerungen daran, was ein gesundes Lehrer-Schüler-Verhältnis bestenfalls einmal ausgemacht hat. Ich denke nicht, dass es pessimistisch ist, zu sagen, dass diese Entwicklung irreversibel ist, sondern realistisch in Anbetracht der Tatsache, dass die mittlerer Weile überwiegende Menge der heutigen Lehrer selbst bereits Kinder einer Zeit sind, in der Sprache, Zuhören, Konzentration oder Leidenschaft schon aufhörten wichtige Säulen der Bildung zu sein. Will heißen, diese Entwicklung hat nun die (Aus-)Bildung der aktuellen Lehrerschaft eingeholt…
Eine wertvoller, höchst wichtigr Aufsatz, dem man nur begeistert zustimmen kann! Gestatten Sie mir eine kleine Ergänzung, die aus einer anderen Perspektive die Überlegenheit des Präsenzunterrichts über den “digitalisierten” Unterricht aufzeigt: Ich denke (ein beliebig vermehrbares Beispiel) an die Interpretation von Gedichten oder Texten im Deutschunterricht! Sie kann nur dann gelingen und für die Klasse fruchtbar werden, wenn sie gemeinsam erarbeitet wird! Das vom Lehrer gesteuerte Unterrichtsgespräch, an dem möglichst alle Schüler teilnehmen, ist unabdingbar. Der Lehrer gibt durch seine Fragen Impulse. Die Schüler tragen ihre Beobachtungen und Eindrücke bei, formulieren eigene Gedanken und Ideen, entdecken bisweilen mit großartigem Feinsinn Dinge, an die der Lehrer selber gar nicht gedacht hat. Solche nur im Klassenzimmer möglichen Unterrichtsgespräche erreichen bisweilen höchstes Niveau, und allmählich entwickelt sich an der Tafel ein Ergebnis, auf das die Klasse und der Lehrer stolz sein dürfen. Überhaupt: Die Unterrichtsgespräche gehen in allen Fächern oft weit über den sogenannten, im Lehrplan verankerten „Stoff“ hinaus; sie leisten, nicht nur in Religion und Ethik, einen wesentlichen Beitrag zu dem, was man „Werteerziehung“ nennt! Werterziehung digital? Da sollte doch lieber ein Lehrer oder eine Lehrerin leibhaftig vor der Klasse stehen und u.a. - spannend und mitreißend “erzählen”!
Mein 20-Jähriger Sohn kennt solch Telefon, wo sich das Telefonkabel verwickelt, von seiner 86-jährigen Großmutter. Für sie bleibt das Telefon für schnelle, kurze, wichtige Informationen. Die persönlich, sozialen Kontakte ausschliesslich von Angesicht zu Angesicht, deshalb kein modernes Telefon. Auch zu Zeiten der schlimmsten Corona-Einsperraktionen nicht anders gehandhabt. Sie erklärt sich das damit, dass zu Kriegszeiten die Phasen der Entbehrungen viel länger und schlimmer waren (Bombennächte, Flucht über Landstraßen mit russischen Tieffliegerangriffen) und das Wiedersehen um so schöner und intensiver.
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