Kann ich alles nur bestätigen. Im ersten Semester Chemie erzählte ich immer beim Thema Elektrolyse folgende Geschichte. Ich war in Burghausen bei Wacker und hab mir die Chlor-Alkali-Elektrolyse angeschaut. In der betreffenden Halle herrscht ein so großes Magnetfeld, dass die Schlüssel an meinem Schlüsselbund fast senkrecht nach oben standen. Der Werksleiter erzählte mir dann folgende Geschichte: Zur Eröffnung des Werkes wurden eine Menge Politiker eingeladen. Als der Strom feierlich eingeschaltet wurde, da fiel ein Landrat tot um. Was war geschehen? Er hatte ein Stahlgebiss und das Magnetfeld hat es im an die untere Schädeldecke geschlagen. Riesige Aufregung unter den Studenten. Als sich die Emotionen beruhigt hatten, da sagte ich, so ihr glaubt doch jeden Scheiß, die Geschichte stimmt doch vorn und hinten nicht, alles erlogen. Bei weiteren Geschicht passten sie genau auf, weil sich mich immer im Verdacht hatten, ich wolle sie veralbern.
Ein sehr guter Text, gespickt mit Erinnerungen daran, was ein gesundes Lehrer-Schüler-Verhältnis bestenfalls einmal ausgemacht hat. Ich denke nicht, dass es pessimistisch ist, zu sagen, dass diese Entwicklung irreversibel ist, sondern realistisch in Anbetracht der Tatsache, dass die mittlerer Weile überwiegende Menge der heutigen Lehrer selbst bereits Kinder einer Zeit sind, in der Sprache, Zuhören, Konzentration oder Leidenschaft schon aufhörten wichtige Säulen der Bildung zu sein. Will heißen, diese Entwicklung hat nun die (Aus-)Bildung der aktuellen Lehrerschaft eingeholt…
Eine wertvoller, höchst wichtigr Aufsatz, dem man nur begeistert zustimmen kann! Gestatten Sie mir eine kleine Ergänzung, die aus einer anderen Perspektive die Überlegenheit des Präsenzunterrichts über den “digitalisierten” Unterricht aufzeigt: Ich denke (ein beliebig vermehrbares Beispiel) an die Interpretation von Gedichten oder Texten im Deutschunterricht! Sie kann nur dann gelingen und für die Klasse fruchtbar werden, wenn sie gemeinsam erarbeitet wird! Das vom Lehrer gesteuerte Unterrichtsgespräch, an dem möglichst alle Schüler teilnehmen, ist unabdingbar. Der Lehrer gibt durch seine Fragen Impulse. Die Schüler tragen ihre Beobachtungen und Eindrücke bei, formulieren eigene Gedanken und Ideen, entdecken bisweilen mit großartigem Feinsinn Dinge, an die der Lehrer selber gar nicht gedacht hat. Solche nur im Klassenzimmer möglichen Unterrichtsgespräche erreichen bisweilen höchstes Niveau, und allmählich entwickelt sich an der Tafel ein Ergebnis, auf das die Klasse und der Lehrer stolz sein dürfen. Überhaupt: Die Unterrichtsgespräche gehen in allen Fächern oft weit über den sogenannten, im Lehrplan verankerten „Stoff“ hinaus; sie leisten, nicht nur in Religion und Ethik, einen wesentlichen Beitrag zu dem, was man „Werteerziehung“ nennt! Werterziehung digital? Da sollte doch lieber ein Lehrer oder eine Lehrerin leibhaftig vor der Klasse stehen und u.a. - spannend und mitreißend “erzählen”!
Mein 20-Jähriger Sohn kennt solch Telefon, wo sich das Telefonkabel verwickelt, von seiner 86-jährigen Großmutter. Für sie bleibt das Telefon für schnelle, kurze, wichtige Informationen. Die persönlich, sozialen Kontakte ausschliesslich von Angesicht zu Angesicht, deshalb kein modernes Telefon. Auch zu Zeiten der schlimmsten Corona-Einsperraktionen nicht anders gehandhabt. Sie erklärt sich das damit, dass zu Kriegszeiten die Phasen der Entbehrungen viel länger und schlimmer waren (Bombennächte, Flucht über Landstraßen mit russischen Tieffliegerangriffen) und das Wiedersehen um so schöner und intensiver.
Marcel Reich-Ranicki musste in einem Versteck vor den Nazis einem gastgebenden Bauern jeden Abend Geschichten erzählen, die er im Wesentlichen aus deutschen Klassikern ab und zu “dichtete”. Im antiken Griechenland gehörte Rhetorik zu den grundlegenden Künsten: Schöpfer ist Homer, der bereits im 8. Jahrhundert v. Chr. in seinen Werken „Ilias“ und „Odyssee“ erste Rhetorikbeispiele in Form von Reden verarbeitet hat. Heute ist das Ganze zum heulsusenden Storytelling verkommen, eine Unterabteilung der Spezies, die lebenslange, lobhudelnde Heiratsanträge erstellen muss (Werbeagenturen). Immer wieder denke ich bei linkem Storytelling an Gregor Gysi, dessen Videobeitrag “Die Deutschen sind Nazis und sterben zum Glück aus” immer wieder sehenswert ist.
Mein Vorschlag: Meditation statt Pädagogik. Denn sie öffnet dafür, wo in einer Begegnung sich das Gegenüber gerade befindet, man spürt es einfach. Das scheint mir wichtiger zu sein, als alle pädagogische Theorie, die sich eher trennend zwischen die Beteiligten schiebt, anstatt sie zu verbinden.
Der Lehrer darf sich nicht als wertvolles Vorbild stilisieren, als ob von seinen politischen Ermahnungen und ökologischen Erklärungen das Seelenheil der Schüler abhinge. Solche scheinbar perfekten Erwachsenen haben die Jungs und Mädels schon zu Hause und von denen müssen sie sich ja gerade abnabeln. Lieber provozieren mit schrägen Thesen und absurden Jokes, und damit das eigene Denken anregen. – Denn dies ist die Frage: Will ich lieber einen Schüler, der ohne nachzudenken einfach die korrekte Meinung wiederkäut, also meine? Oder will ich einen Schüler, der vielleicht heute noch eine unreife Auffassung verteidigt, aber eben seine eigene? – Die heutigen Boomer neigen ganz klar zur billigen Harmonie, bei der jene Schüler am besten fahren, die ein feines Gespür für die erwarteten Antworten beweisen. Dies bereitet sie perfekt vor auf ihre Zukunft im System, als Journalisten, Politiker oder Wissenschaftler. Selber Denken und eigene Persönlichkeit stören da nur, und ein offenes Ringen um Wahrheiten würde die Schneeflöckchengesellschaft viel zu sehr verunsichern.
Die hier geschilderten Lehrer waren immer die Ausnahme, während schon zu meiner Schulzeit linke Moralisten und Versorgungssuchende mit dem Wunsch nach 10 Wochen Jahresurlaub die Szenerie bestimmten. Inzwischen sind Schulen Institutionen zur Ganztagsverwahrung und Kontrolle von 6-20jährigen, in der die Betreung folgerichtig von einem stetig steigenden Anteil weiblicher Lehrkörper betrieben und das Ganze in irreführender Weise als Lehranstalt bezeichnet wird. Das absurde Szenario um die Märchengrippe treibt Schule als Zuchtbetrieb auf Kosten des Nachwuchses auf die Spitze und je schneller die Schüler sich davon distanzieren umso besser für sie und ihre Eltern.
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