„…dass diese unterbewusst den Lehrer für dumm halten“ — Wichtig ist auch ein Überschreiten der Fachgrenzen; sonst meinen die Schüler, dass sie viel mehr Fachgebiete beherrschen müssten als ihre Lehrer. Dann: mit der gebotenen Neutralität, Querverbindungen zur Aktualität; damit die Schüler merken, dass die Lehrer in der gleichen Welt leben wie sie. Drittens schließlich: widersprüchliche Botschaften und subversiver Humor, die zum Selberdenken anregen; auf keinen Fall fertige Meinungen, kopierfertig von der Stange. – Eltern und Erzieher sollten ihre Klienten nicht zu Klonen ihrer selbst machen, sondern dazu anhalten, eine eigene Position zu erwerben. Aber das wissen Sie als Waldorflehrer ohnehin.
Und dann gibt es Lehrer, die sich komplett auf das Lehrbuch verlassen und nicht einmal mitbekommen, dass sich im abgedruckten Lösungsweg Zahlendreher befinden. Oder eine Lehrerin, die religiöse Beschneidung bei Jungs als „Handlung des Rabbiners im speziellen Bereich der Jungs“ beschreibt um dann, ohne Nachfragen zuzulassen, das Thema zu wechseln. Übrigens eine Woche vor dem angekündigten Sexualkundeunterricht, der dank Coronavirus nie stattfand.
Eine sehr guter Freund behandelt auch gerade Dürrenmatts “Der Richter und sein Henker” - in seiner NEUNTEN Klasse auf dem örtlichen Gymnasium… Und nein, die Schüler sind nicht überfordert, sondern kommen wohl immer wieder mit sehr interessanten Denkansätzen. Und lassen sich auf die des Lehrers ein, zum Beispiel zur Problematik des Primats der Moral über das Recht, wie vom Polizeikommissar praktiziert. Dafür können sie allerdings nicht ihren Namen tanzen.
“In den präfabrizierten Unterrichteinheiten wird alles auf das Fassungsvermögen der Schüler heruntergebrochen.” Das Herunterbrechen dieser Erklärungen des Lehrers auf mein “Fassungsvermögen” kann auch beleidigend wirken: “Sag’s ihm in Kindergartensprache, dann kapiert er es vielleicht”. + + + Erst meine Anstrengung, verstehen zu wollen, was jemand, der mehr weiß als ich, gemeint haben könnte, und meine nachfolgende eventuelle Frage an ihn, trainiert mich, und macht mich - hoffentlich - schlauer. Ein Beispiel: Ich habe vor fast zwei Jahrzehnten angefangen, mich mit der Einrichtung, Wartung und Anpassung von Linux Software an Powerpc Computer zu befassen. Ich hatte keine Wahl: denn die Architektur - powerpc - war wohl relativ neu, unfertig, und voller Bugs. Und ich hatte keine Ahnung von Software. Die Software Entwickler waren allerdings auf die Fehlerberichte der Nutzer angewiesen. Um nach so einem Fehlerbericht die von den Entwicklern korrigierte Software testweise einspielen zu können, waren Fähigkeiten des Nutzers Voraussetzung, die ich mir erst einmal unter Mühen beibringen musste: und ich wurde tatsächlich schlauer - kaum wegen irgend eines IQ’s, sondern weil ich mich für mein Wissen anstrengen musste. Die Erfahrung von Unwissenheit also ist per se nichts Schlechtes: im Gegenteil scheint sie mir ein wichtiges Agens für den Erwerb von Wissen, oder Bildung schlechthin zu sein. + + + Ich empfehle Spitzer und vielleicht sein Buch “Digitale Demenz” wenn man verstehen will, wie wichtig das Training der Synapsen vor allem für Kinder ist.
Was Sie da schreiben Herr Geißler, das kann ich nur bestätigen. Ich habe fast vierzig Jahre an einer TH Chemie unterrichtet. Die ersten Semester sind fürchterlich, da hat man ein total heterogenes Publikum. Bis man die auf einen Nenner gebracht, das erfordert schon viel Geduld. Da gibt es Studenten, die langweilen sich, weil sie das was ich bringe im Chemie-Leistungskurs schon hatten. Andere sind überfordert, weil sie Chemie in der Mittelstufe abgewählt haben. Mathekenntnisse, da fang ich erst gar nicht an. In den ersten Wochen nach Studienbeginn ist ein Schwund von ca. 20% zu beobachten. Sie kommen einfach nicht mehr oder wechseln zu Sozialwesen, wenn da ein Platz frei wird. Disziplin ist auch so eine Sache. Muss ich im Hörsaal für Ruhe sorgen, man hat schließlich erwachsene Menschen dasitzen. Also wird man etwas heftig und droht mit Saalverweis, was man auf der Schule übrigens wegen der Aufsichtspflicht nicht darf. Tut man es nicht, dann wird man deswegen bei der nächsten Evaluation kritisiert: “Der Dozent sollte für mehr Ruhe sorgen!” Die Mehrzahl meiner Studenten haben mich meist sehr positiv evaluiert. Apropos Bulimielernen. Erworbenes Wissen sollte immer wieder verwendet und benutzt werden, sonst wird es tatsächlich vergessen. Das geht in Mathe und den Naturwissenschaften besser, die quadratische Gleichung taucht halt immer wieder auf, aber wenn der Dreißigjährige Krieg rum ist, dann ist er halt rum.
@ Kunstlehrer an einer Waldoofschule. Nachdem ich mich vor Lachen wieder eingekriegt habe: Da wissen Sie ja Bescheid. “Ich habe in den letzten Wochen aushilfsweise eine schwierige 12. Klasse unterrichtet. Thema: Dürrenmatts „Der Richter und sein Henker.“ Die von den Verlagen zubereiteten Unterrichtsmodelle waren supersimpel. Der Text ist im Grunde nicht ganz einfach, impliziert eine Auseinandersetzung mit Fragen individueller Schuld und mit Positionen des Nihilismus.” War zu meiner Zeit für 18-jährige kein Problem. Einige hatten das Buch schon vorher gelesen. Ein Lehrer der diesen Text “Im Grunde genommen nicht ganz einfach findet” ist das Problem nicht die Lösung. Vielleicht wäre in “schwierigen Klassen” die Micky-Maus Taschenbuchreihe besser. Vor Jahren bei Günther Jauchs “Wer wird Millionär?. Ein Lehrer auf dem Ratestuhl. Jauch: Was muss ein Lehrer können?” Der Herr ganz trocken: “Angst erzeugen.” Empörung. Ich habe gelacht. Bei einem Gespräch darüber mit einem Schulfreund. “Weisste an wen…” Er lachte schon. “Herr… unser Mathelehrer.” Genau, da saßen die schlimmsten Rabauken ganz brav auf ihrem Platz und warteten (vielmehr fürchteten), das er sie ansprach. Der Mann war fair, gerecht aber knallhart, wenn man ihm auf dem Kopf rumtanzte. Der hat doch an der Tafel zum Molli gemacht, aber die Klassenarbeiten nie nach Sympathe bewert. Unser Niveua war so, dass man im ersten Semester Mathe an der Uni auf wenig Neues traf. Auf dem Fest zum 100-jährigen Bestehen unserer Schule war er der umlagerste Lehrer. Ein Lehrer muss ein Persönlichkeit sein, sonst kriegt der gar keine Chance zu lehren. Wenn die Schüler nicht mitkommen, dann sie vielleicht einfach zu blöde und habe auf einer höhrer Bildungsanstalt nix verloren. Mal darüber nachgedacht?
Ein Lehrer der es wagt “Der Richter und sein Henker” zu lesen muss gut sein, weil es ein sehr, sehr tiefes Buch ist, das genauso wie Dürrenmatts “Besuch der alten Dame” sehr gut erklärt was hierzulande los ist. Wobei ich ich schon immer wieder frage wer denn bitte der Alfred der alten Dame, die dieses Land in den Untergang treibt, ist. Davon noch mal abgesehen sagen wir so, nicht nur die Schüler sind initialisiert, nein auch die Erwachsenen und die wurden teilweise noch ganz klassisch unterrichtet. Weiter sind in meinen Augen, seit Jahrzehnten die Walldorfschulen die Schulen der Eliten und Bessergestellten, aber diejenigen die da raus kommen, machen auch fleißig mit beim Gutmenschenzirkus. Möglicherweise ist das Problem ganz einfach: Unser Systeme sind zu groß und damit wird automatisch, zwingend der einzelne der darauf besteht Einzelner zu sein verhindert.
“Die angekündigte Digitalisierung mit Tablets und Whiteboards, ... wird’s mit Sicherheit nicht besser machen.” Dazu einfach mal googeln: prof. spitzer digitale demenz. Es ist definitiv falsch, in der Schule Smartphones, Tablets, etc. bis zum 18. Lj. überhaupt zuzulassen. In Südkorea (wo die vielen Smartphones produziert werden…) soll deren Einsatz generell verboten sein. Die eigenen dürfen auch nicht in die Schule mitgebracht werden. Und in den Schüler-Leistungstests liegt Südkorea deutlich vor D. Zufall?
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