Dass viele Lehrer überfordert sind, ist schon seit Jahrzehnten Fakt. Als ich Anfang der 80er Jahre als junger Lehrer einmal eine Vertretung in einer Grundschule übernahm und in der ersten Vormittagspause im Lehrerzimmer erschien, erschrak ich förmlich. Die Leute dort wirkten bleich, abgekämpft, fast schon verwahrlost und hatten Augenringe bis zum Kinn. Zwei Lehrer um die 60, die ich in jener Zeit vertrat, waren offensichtlich völlig am Ende, schleppten sich nur noch mühsam durch ihre letzten Arbeitsjahre. Es war so schlimm, dass man es nicht mehr mit Humor nehmen oder sonst wie abstrahieren konnte. Mein Reflex war nur noch: weg von hier! Weil ich mich als 22-Jähriger nicht gleich verheizen lassen wollte, habe ich mich dann beruflich anders orientiert und diese Entscheidung nie bereut. Sowas wie in jenem Lehrerzimmer habe ich danach nicht mehr wieder gesehen. Bei meinen diversen Vertretungen stellte ich fest, dass die Zustände in der Stadt besonders schlimm waren. Auf dem Land war die Welt damals noch einigermassen in Ordnung.
Nicht die Schule sondern die Schüler sind immer leistungsunfähiger geworden. Um das zu kaschieren senkt man die Anforderungen und verstärkt die lautmalerischen Beschönigungen. “Praxisuniversität” als Euphemismus für Hauptschule ist ein grade zu geniales Beispiel dafür. Aber das auszusprechen ist ein Tabu, weil sich die Planer, Konstrukteure und Macher der schönen, neuen Scheinwelt nicht ihr Lebenswerk von Kritikern als Pfusch bezeichnen und kaputt machen lassen wollen.
Zu meiner Oberstufenzeit in den 1970er Jahren führten 6 Rechtschreib- und Zeichenfehler in einer 6-stündigen Deutscharbeit (wir nannten es noch nicht “Klausur”) zu einer Abstufung um eine Note! Gesisteswissenschaftler zeichneten sich dadurch aus, dass sie die deutsche Sprache “beherrschten”! Und heute? Ich hatte im Abitur in Deutsch ein “Mangelhaft”, ausgeglichen durch gute Leistungen in MINT und Kunst/Sport, konnte aber dennoch als Redakteur und Lektor von Lehrmaterialien mein Geld verdienen. Was ich da so als Texte von heutigen Studierenden und Absolventen geisteswissenschftlicher Bildungsanstalten vorgelegt bekomme, ist schon zum Verzweifeln.
@Alex Müller: Sie verwechseln da was. Die TH hatte schon immer einen universitären Anspruch und war auch in ihren Strukturen so aufgebaut, nur eben mit Schwerpunkt auf naturwissenschaftlichem und technischem Gebiet. Die FH hingegen war die verschulte Version der akademischen Ausbildung und hatte auch eine verkürzte Regelstudienzeit (in den mir bekannten Fächern 3 Jahre auf der FH vs. 4 Jahre auf der TH). In Darmstadt gab es zumindest in den 80er Jahren auch beide Institutionen, also eine TH und eine FH. Viele Studenten, die nach der ersten Jahr auf der TH gescheitert sind, sind damals auf die FH gewechselt (im Fachbereich Physik bestimmt ca. 50%, im FB Mathematik deutlich weniger, aber immer noch ein signifikanter Anteil).
Qualität der schulischen Ausbildung in Deutschland? Es wäre doch bereits ein Erfolg, wenn an Grundschulen weiterhin auf Deutsch unterrichtet werden könnte - angesichts steigender Anteile nicht-deutsch sprechender Schüler/innen. Und es wäre ebenfalls sehr zu begrüssen, wenn die Kriminalitätsrate auf deutschen Schulhöfen wieder massiv sänke. Damit wäre wenigstens ein Anfang gemacht. Und, zum letzten Absatz: Herabstufung der Beamtenbesoldungsgruppe? Warum müssen Lehrer/innen heutzutage noch beamtet sein? Sicher, jetzige Generationen werden den berüchtigten Bestandsschutz geltend machen, um die Bevorzugung als Beamte auch für die Zukunft durchzusetzen. Aber Neuanstellungen sollten gefälligst im Angestelltenverhältnis erfolgen - warum denn nicht? Komme bitte niemand mit der Klamotte hoheitlicher Aufgaben…
@Gisela Tiedt: Ich danke Ihnen für den Einwurf ” Mädchen bevorzugt” Das gesamte System hat sich tatsächlich dahingehend geändert: Grundschulen , ganz wenige männl. Lehrer ( Grund: zuwenig Geld u.a.). Weiterführende, zumindest Gesamtschulen, auch dort vermehrt sich die Frauenschaft. Gymnasium in etwa gleichbleibend. Es hat sich bis HEUTE noch nicht herumgesprochen, dass laut Entwicklungspsychologie Jungens ANDERS als Mädchen sind ( Gerald Hüther hat sich darüber die Finger wund geschrieben). Jungens sind bis ca. 16 Jahren etwa 2 Jahre ’ zurück’, d.h. nicht, dass sie dümmer sind, sondern sie brauchen andere, teils bewegende Lern - und Interessensphasen, die ihrer Identität entsprechen. Was passiert? Sie werden von Frauen erzogen, werden wie diese behandelt ( kleiner Streit zwischen Jungens auf dem Schulhof) und entsprechend sanktioniert: Konferenz….die ganze Palette. Kunst in Jahrg.10 Nicki de S. : weiblich: zeichnen lieber, männlich: zeichnen nicht lieber, beschiessen mit Farbwasserpistolen aufgehängte Luftballons an einer übergroßen Leinwand nach Nicki de S. - Und die Jungs sind richtig gut! Mit allem pi pa po! So geht das! Vielleicht ist das der Grund, im ersteren beschrieben, warum wir soviele männl. “Weicheier” haben, salopp ausgedrückt. LG
Die Irrationalität unseres Bildungswesens ist nur ein Spiegelbild der Irrationalität in der Bevölkerung resp. Elternschaft. Wie wohl bei vielen Lesern hier im Forum ist auch mein Umfeld reichlich gefüllt mit engagierten Rot-Grün-Wählern ... die ihre eigenen Kinder jedoch aufs Gymnasium schick(t)en. Diese Leute freuen sich auch wie Bolle, wenn ihr Kind auf ein Elite-Gymnasium gehen kann. Auf meine Frage, ob jetzt als nächstes auf der Bildungspolitik-Agenda ihrer Partei stehe “Elite-Gymnasium für alle”, erhalte ich nie eine Antwort.
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