Ich gestehe: In den letzten fünf Jahre meines Lehrer-Daseins wurden mir die Korrekturen von Texten zur körperlich empfunden Qua. Mein Gehirn krampfte sich spürbar zusammen bei den endlosen Versuchen zu verstehen, was ein Schüler jeweils mit seinen Sätzen gemeint haben könnte. Ich vollbrachte im wahrsten Sinne geistige Galeerenarbeit. Wenn von 20 Schülern 17 Migrationshintergrund haben und die Grundschule in verständlicher Resignation (oder unverzeihlicher Bequemlichkeit?) „das Ungefähre“ im sprachlichen Ausdruck zur Norm erhebt, ist guter Rat teuer, bzw. unbezahlbar. Mein Fazit: Wir lassen uns zu wenig Zeit, um das, was ausgedrückt werden soll, auch zu verstehen und wir haben es aufgegeben, auf einer „korrekten und verständlichen Formulierung zu bestehen“, auch wenn dabei in Zeiten von Multikulti zugegebenermassen grosse Widerstände zu überwinden sind. Wir lassen uns zudem durch „Stoffe“ und „Kompetenzen“ jagen und vergessen, die Grundlagen der Sprache seriös einzuüben. Doch weshalb verzagen? Um uns verständlich zu machen, haben wir ja unterdessen „als neue Sprachen“ Computerprogramme und die uns immer genauer abbildenden Algorhitmen. Dass sich mit der Nicht-Entwicklung von Sprache auch die Persönlichkeit eines Menschen in entscheidenden Bereichen nicht entwickelt, interessiert niemanden. Evolutionstechnisch reicht ja: „Ich Tarzan - Du Jane“. Was wollen wir mehr?
Zum Mathestoff der Oberstufe gehörte zu meiner Zeit axiomatische Beweisführung. Fehler in der Rechtschreibung wurden bei solchen Klassenarbeiten extra bewertet und fanden Eingang in die Notengebung. In Physik war das nicht anders. Gern wurde man wegen derartiger Lapalien auch noch beim Deutschlehrer denunziert. Früher war alles besser, Abi 1973.
Zur Ehrenrettung der Deutschen Bahn muss man aber sagen, dass sie die letzten Jahre hart an ihren Problemen gearbeitet hat. Derzeit gibt es nur noch vier Probleme: Frühling, Sommer, Herbst und Winter.
Das Geschimpfe auf die Jugend, die heute nichts mehr lernt in der Schule und die aufmüpfig, faul und dumm ist, ist sicherlich nicht neu. Aber man hört ja immer wieder von altgedienten Lehrern, Kinderpsychologen oder Kinderärzten, dass sich da sehr wohl etwas verändert hat in den letzten Jahrzehnten. Auch die Ausbildungsbetriebe klagen schon lange darüber, dass die Azubis heute weniger Fähigkeiten mitbringen, als noch vor 20 oder 30 Jahren. Natürlich gibt es immer auch einen Wandel die Allgemeinbildung und Erziehung betreffend. So ist z.B. das Aufsagen von Gedichten schon lange völlig out. Aber solche “Fähigkeiten” sind hier auch nicht gemeint. Das Gerücht, dass das Leistungsniveau seit einiger Zeit abgesenkt wird, hörte ich bereits Anfang der 2000er, als ich in der Oberstufe war. Ca. um 2008 rum, während meines Studiums bekam ein Dozent mir gegenüber mal einen regelrechten Wutanfall. Ich war durch eine Prüfung gefallen und wollte wissen, wann denn die Nachklausur stattfindet. Er echauffierte sich darüber, dass noch immer Studenten durchfallen, obwohl die Klausuren doch mittlerweile so einfach seien. Noch viel leichter könne man sie nicht mehr machen! Irgendwo habe ich mal gelesen, dass meine Generation dabei wohl noch recht brauchbar ist. Insbesondere den ab 1995 geborenen sagt man, äh, nichts allzu Gutes mehr nach. Zum Thema korrektes deutsch: Mein persönliches Sahneschnittchen eines Muttersprachlers, das ich vor ca. 15 Jahren einmal im Bus hörte ist “Du bist doch das Dümmste, wo rumläuft!”. Man denke auch den alten Mantafahrerwitz: Ein Mantafahrer fragt einen Ausländer “Ey, wo geht`s denn hier nach Aldi?”. Sagt der Ausländer “ZU Aldi!”. Sagt der Mantafahrer “Ey was, Aldi hat zu?!” Ich fürchte, heute betrifft diese mangelnde Beherrschung der eigenen Muttersprache längst nicht mehr nur die Mantafahrer der Gesellschaft.
Auf den verhinderten Philosophen sei verwiesen. Es wird tatsächlich schlechter. In der Bild war mal ein Wunschzettel. Einmal aus den 50er Jahren und einer von heute. Und jetzt raten Sie mal welcher in fehlerfreier Schreibschrift war obwohl sogar eine Klasse weiter unten? Auch kann ich mich noch an wöchentliche Diktate erinnern. Mit Benotung! Das ist doch heute keinem mehr zuzumuten. Fürderhin würde durch so etwas ein Lese oder Schreibproblem schon vor der 3. Klasse aufgedeckt. Ein Kind das Probleme mit Schreiben respektive Lesen hat und dem das noch zusätzlich verleidet wird durch Schraiben nach Gehöhr wird in eigentlich allen Fächern Probleme haben. Schön zu sehen auch an einer Abitur? Mathematik Textaufgabe wie “Ein Schiff läuft aus”. Ja wieviel in der Minute läuft denn raus? Die Aufgabe ist doch nicht lösbar.
In einem der ersten “Werner” Comicbände (war es Ende der 70er oder Anfang der 80er - weiß es leider nicht mehr so genau) wurde nach meiner Erinnerung folgendes fröhliches Liedchen gesungen: ” Wir trampeln durchs Getreide, wir trampeln durch die Saat - hurra wir verblöden, für uns bezahlt der Staat”
Denglisch und Jugendsprache sind schon längst auch in konservative Medien eingezogen. Aber auch das verzagte schulpolitische „“ Roll-Back „“ mit seiner erneuten halbherzigen Leistungsbetonung, das allenthalben zu beobachten ist, scheint nicht, jedenfalls nicht auf die Schnelle, zu Erfolgen zu führen.
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