Ob Kommunismus oder Islam: Die Strategie des Terrors basiert auf dem Verbreiten von Angst und Einschüchterung, auf dem Erlahmen der Abwehr, dem furchtsamen Schweigen und der allmählichen Paralyse der demokratischen Strukturen.
Der Philosoph Bertrand Russell konstatierte in seinem 1920 erschienenen Buch The Theory and Practice of Bolshevism eine innere Nähe von Marxismus und Islam: „Unter den Religionen müsste der Bolschewismus eher dem Mohamedanismus zugerechnet werden als dem Christentum oder dem Buddhismus (…) Mohamedanismus und Bolschewismus sind praktisch auf das Gesellschaftliche orientiert, nicht auf das Spirituelle, und ganz damit beschäftigt, das Reich dieser Welt zu gewinnen.“
Auf den ersten Blick wirkt Russells Feststellung überraschend. Es mutet abwegig an, den Kommunismus mit einer Religion in Verbindung zu bringen, so anti-religiös, betont diesseitig, strikt wissenschaftlich wie sich Marxens Lehre gab. Der Marxismus setzt anstelle Gottes einen radikalen Atheismus. Sehr verschieden in Kommunismus und Islam ist die rechtliche Lage der Frauen. Hier zählt der Marxismus zur Moderne, während die Lehre Mohameds einen Rückfall in die vor-biblische Epoche darstellt.
Doch wer mit beiden Bewegungen, Kommunismus und Islam, seine Erfahrungen gesammelt hat, weiß um die erstaunliche Parallelität vieler Phänomene. Zunächst kennzeichnet beide Bewegungen ein globaler Anspruch. Beide Lehren zielen auf eine Veränderung in toto, nicht, wie etwa Judentum oder Buddhismus, im Individuellen. Ziel ihrer Anhänger ist nicht primär die Vervollkommnung der eigenen Persönlichkeit und ihres unmittelbaren Umfeldes, sondern die Verbesserung der Welt. Kommunismus und Islam sind globale Erlösungslehren in dem Sinne, dass sie die Welt, wie sie ist, ablehnen, die Menschheit aus ihrem jetzigen Zustand befreien und in einen idealen Endzustand versetzen wollen: hier die Befreiung der Welt von Ausbeutung und sozialer Ungerechtigkeit, dort von den Irrlehren der Ungläubigen und einer durch sie bestehenden Bedrohung der Gläubigen, hier ein Reich perfekter kommunistischer Gleichheit, dort perfekter muslimischer Erfüllung.
Auch in den Methoden bestehen auffallende Ähnlichkeiten. Beide Bewegungen operieren erfolgreich mit dem Wort „Frieden“. Die auf Kosten ihrer verarmten Bevölkerung hochgerüstete Sowjetunion verfolgte nach eigener Darstellung eine „Friedenspolitik“, wie das iranische Mullah-Regime sein kostspieliges Atomprogramm angeblich zur Friedenssicherung, zur Verteidigung gegen eine zionistisch-amerikanische Gefahr unterhält. Wie der Islam entwickelte auch der Kommunismus ein weltanschauliches System der erklärten höheren Absichten und ließ dadurch vergessen, dass in Wahrheit irdische Ziele angestrebt werden, „das Reich dieser Welt“, wie Russell feststellte, ständige Erweiterung des eigenen Machtbereichs und territoriale Expansion.
Hier „Klassenkampf“, dort „Glaubenskampf“
Wie der Kommunismus predigt auch der Islam das Selbstopfer des Einzelnen zugunsten der Gemeinschaft. Er erwartet von seinen Anhängern den kritiklosen Gehorsam gegenüber der Führung und die Treue zur Lehre. Der gläubige Muslim soll die Verbesserung der Welt im Sinne der Lehre als die eigentliche Aufgabe seines Lebens ansehen, die globale Durchsetzung des Konzepts seiner Bewegung. Ähnlich Marxens Lehre der Welt, genannt „Weltanschauung", legt auch der Islam aller gesellschaftlichen Realität ein antagonistisches Muster zugrunde und erklärt einen aus diesem Antagonismus erwachsenden permanenten „Kampf“ zum „Gesetz der Geschichte“.
Da dieser Dauerkampf, hier „Klassenkampf“, dort „Glaubenskampf“ genannt, die vorherrschende „historische Gesetzmäßigkeit“ bzw. „der Weg Allahs“ sei, verstehen sich beide, Kommunisten wie Muslime, als eine Gemeinschaft von Kämpfenden. In ihrem unablässigen Kampf gegen einen „Gegner“ sehen beide den Weg, das eigene Endziel durchzusetzen. Die Komplexität des menschlichen Daseins wird im Kommunismus wie im Islam auf einen einfachen Dualismus reduziert. Schon die Kinder lernen, dass sich die Menschheit in zwei feindliche Parteien spaltet, hier in „Genossen“ und „Gegner“, dort in „Gläubige“ und „Ungläubige“. Dabei gehen beide Bewegungen davon aus, dass sie sich in einem Verteidigungszustand befinden, selbst dann, wenn ihr Tun eindeutig aggressiven und expansiven Charakter trägt. Ihre Kriege sind immer Verteidigungskriege, ihre Angriffe immer Widerstandskampf, ihre Gewalttaten immer damit begründet, dass die andere Seite ihre Würde verletzt, ihnen Schaden zugefügt, sie nicht ausreichend begünstigt, ihnen nicht genug gegeben habe.
In Marxens Lehre hat das Raster der „antagonistischen Widersprüche“ das Geschichtsbild derart dominiert, dass es aus kommunistischer Sicht keine Gruppen oder Individuen mehr geben kann, die nicht entweder „für oder gegen uns“ sind. Eine ähnliche Unterteilung der Menschheit in zwei diametral gegenüberstehende Lager vollzieht der Koran mit der Teilung in „Gläubige“ und „Ungläubige“. Die Forderung, im weltweiten Kampf Partei zu ergreifen, wird zunächst an die Bewohner des eigenen Herrschaftsgebiets gestellt, die damit die ersten Opfer dieses intransigenten Menschenbildes sind, dessen Hüter sich nicht auf Erklärungen beschränken, sondern schon bei Gleichgültigkeit gegenüber der Lehre ein Arsenal von Strafen anwenden.
Das Übertreten aller Regeln des Humanen
Die im Koran bestehenden totalitären Tendenzen sind nicht die ganze Wahrheit über dieses Werk arabischer Dichtkunst, aber die in der Geschichte immer wieder dominierende Art seiner Rezeption. Um den aggressiven Islam von moderateren Interpretationen auch begrifflich zu unterscheiden, wurde der Terminus „Islamismus“ eingeführt. Gemeint ist konsequentes, schriftgetreues, also eigentlich vorbildliches Muslim-Sein. „Islamismus ist der dritte Totalitarismus”, erklärte der amerikanische Islam-Experte Daniel Pipes. „Er wurde in den Zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts geboren und von Kommunismus und Faschismus inspiriert.“
Nicht nur die bekannte Allianz zwischen Hitler und dem Großmufti von Jerusalem Haj Amin al-Husseini symbolisiert die Nähe islamistischer und modern-totalitärer Bewegungen, auch die pro-arabische Bündnispolitik der Sowjetunion, die sich – wie vordem die Nazi-Führung – mit ihren arabischen Gesinnungsfreunden darin einig war, die „amerikanische Hegemonie der Welt“ zu brechen und das „zionistische Experiment“ im Nahen Osten so schnell wie möglich zu beenden. Dabei machen beide Bewegungen gegenüber ihren Anhängern deutlich, dass im Kampf der Zweck die Mittel heilige und jede Methode erlaubt sei, „Taktisches“ wie Lüge und Verstellung, das Hintanstellen von Barmherzigkeit und Gnade, das Übertreten aller Regeln des Humanen. Trotz beständiger Erklärungen, das eigentliche Ziel der Bewegung sei Frieden, wurde der Klassen- respektive Glaubenskampf zum jeweils prägenden existenziellen Motiv.
Daher konzentriert sich das Interesse beider Bewegungen an Entwicklung und Fortschritt auf die Mittel des Kampfes. Unter kommunistischer wie islamischer Herrschaft kommt es zu hochgerüsteten Staaten mit Riesenarmeen und Anlagen zur Herstellung atomarer Waffen, während die Bevölkerungen in Zurückgebliebenheit, Elend und Unbildung leben. Auch sonst wird vernachlässigt, was nicht dem Endziel dient. Die Umweltzerstörung kommunistischer Staaten war noch brutaler als die des Westens. Auch die islamischen Länder tragen fast nichts zu den Problemlösungen der heutigen Menschheit bei, nicht einmal zur Lösung der Probleme, die sie selbst verursachen oder von denen sie existenziell bedroht sind: Ihr Anteil an Klima- und Wüstenforschung, Katastrophenschutz, Ökologie, alternativen Technologien etc. ist annähernd Null.
Neue Mittel des Psycho-Terrors
Kommunismus wie Islamismus sind darauf orientiert, neue Reiche zu errichten. Hier „klassenlose Gesellschaft“, dort Dar al islam. Dabei soll es sich um neuartige, pseudo-messianische, qualitativ alles Bisherige übertreffende Gebilde handeln, die folglich auch ungeheure, sichtbare, nie zuvor gesehene Anstrengungen erfordern. Es kommt zu einer Apotheose des Kampfes, der Gewaltanwendung, zur Verherrlichung von Grausamkeit im gesellschaftlichen Bewusstsein, in öffentlicher Selbstdarstellung, Kunst, Literatur und Film, wie etwa in dieser Gedichtzeile eines sowjetischen Schriftstellers: „Nirgends ging die Sonne schöner auf, nirgends als über zerschossenen Städten.“ In den Tagen von Videoclip und Internet stehen den Kämpfern des Islamismus neue Mittel des Psychoterrors zu Gebote, etwa das Abschlachten von Geiseln vor laufender Kamera.
Von Anfang an haben Kommunismus wie Islamismus den Terror als Mittel des Kampfes eingesetzt, vor allem wegen seiner paralysierenden Wirkung auf den „Gegner“. Islamischer Terror hat eine lange Vorgeschichte, beginnend mit den von Mohamed befohlenen Massenhinrichtungen, etwa der Juden von Medina im Jahre 627. Im 11. Jahrhundert entwickelte sich das internationale Netzwerk der Assassinen, eines ismailitischen Geheimbunds, der durch seine grausamen Mordanschläge eine unvergessliche Spur im europäischen Bewusstsein hinterließ, sogar in Europas Sprachen. Unter den osmanischen Herrschern war es Sitte, alle Gefangenen zu enthaupten und Schädelpyramiden zu errichten. Die kommunistische Bewegung hat in ihrer relativ jungen Existenz alles getan, um solchen Standards gerecht zu werden. Die Ausbreitung des Marxismus als einer politischen Massenbewegung war seit 1890 von einer ganz Europa erfassenden Terrorwelle begleitet, im damaligen Sprachgebrauch „Anarchismus“. Vor allem in Russland nahm die kommunistische Bewegung ihren Aufschwung aus einer terroristischen heraus. Der Student Alexander Ulyanov, Organisator eines Bombenanschlags auf Zar Alexander III., rechtfertigte vor Gericht den Terror als „die einzig mögliche Methode gegen den Polizeistaat“. Anlässlich seiner Hinrichtung schwor sein jüngerer Bruder Wladimir, der sich später Lenin nannte, dem verhassten „Gegner“ Rache und gründete die Partei der Bolschewiki.
Die Bolschewiki konnten zu keiner Zeit mehr als ein Viertel der Wähler hinter sich bringen. Ihr Aufstieg bewies eine beunruhigende Wahrheit: In einer geistig desorientierten, in Einzelinteressen zerfallenen Gesellschaft ist eine solche Minderheit ausreichend zur Machtergreifung. Demographische Voraussagen schätzen für europäische Länder schon in kommenden Jahrzehnten islamische Minderheiten von zwanzig Prozent und mehr – könnten sie den Hintergrund einer Machtübernahme durch Extremisten bilden wie 1917 in Russland?
Eine Reflexion von Schwächen der westlichen Gesellschaft
Beide Bewegungen, Kommunismus und Islamismus, verbreiten eine Aura der Angst. Ihre Selbstdarstellungen sind einander sehr ähnlich: Personenkult der Führer, Vorliebe für Militärparaden, Massenaufmärsche, die Aversion gegen alles kritische Denken, nicht zuletzt die totale Humorlosigkeit, wie sie etwa in der Charta der Hamas festgeschrieben ist: „Eine Nation, die sich dem heiligen Kampf widmet, kennt keinen Spaß.“ Das Konzept, Angst zu verbreiten, spielt in den programmatischen Texten beider Bewegungen eine entscheidende Rolle. „Ein Gespenst geht um in Europa“ waren die berühmten ersten Worte im 1848 von Marx und Engels verfassten „Manifest der Kommunistischen Partei“. Ähnlich verhieß kürzlich ein palästinensischer Politiker: „Macht euch bereit, bald wird der Islam in jedes Haus eindringen und sich über die ganze Erde ausbreiten.“
In vielem sind beide Bewegungen eine Reflexion von Schwächen der westlichen Gesellschaft. Beide profitieren davon, dass Europa die Entschlossenheit ihres Angriffs mit Versuchen der Beschwichtigung und Leugnung beantwortet. Appeasement scheint eine immanente Neigung demokratischer Gesellschaften, seit der „Friedenspartei“ im republikanischen Rom, die aus Geschäftsinteresse eine energische Verteidigung so lange verschleppte, bis Hannibal vor den Toren stand. In seinem berühmten Buch Les Barbares sah der französische Historiker Louis Halphen das siegreiche Vordringen der Glaubenskrieger Mohameds in das Europa des frühen Mittelalters weniger in der Stärke der Muslime begründet als in der damaligen Demoralisierung Europas: „Die Siege der Araber sind darauf zurückzuführen, dass die Welt, die sie angriffen, reif war für ihren Untergang.“ Wirksame Abwehr kam nicht zustande, da mächtige Kreise Europas mit den aggressiven Angreifern kollaborierten. Auch im heutigen Europa blühen Geschäfte mit dem Iran, mit der Hamas, Hisbollah und anderen Terrorgruppen, wird die Gefahr des Islamismus verharmlost und in diesem Sinn die öffentliche Meinung manipuliert.
Hinzu kommt die Wirkung der Angststrategie und des Terrors. Der Effekt der Anschläge, Lynchmorde, Geiselnahmen durch die Glaubenskämpfer wird mit Hilfe der modernen Medien potenziert. Die islamische Gewalt scheint noch grausamer als die des Kommunismus. Sie ist atavistisch und primitiv, sie verzichtet sogar auf Scheinjustiz, die Hinrichtungen und Morde werden nicht im Geheimen, sondern mit Absicht in aller Öffentlichkeit vollzogen. All das scheint richtig berechnet: auf den modernen westlichen Menschen, der ganz auf das irdische Leben fixiert ist und den Tod am liebsten daraus verbannen würde, auf eine „Spaßgesellschaft“, die Leid und Sterben allenfalls eine verschwiegene Randzone einräumt und sich nun unversehens mit dem blutigsten Geschehen, Krieg und Terror, konfrontiert sieht.
Daher finden die Morde auf offener Straße statt oder wenigstens, wie dieser Tage im Fall des britischen Parlamentsabgeordneten Sir David Amess, vor Zeugen in einer Kirche. Das Medienecho ist erwünscht und eingeplant, da es die Wirkung der Angst potenziert. Man weiß, dass die öffentliche Diskussion in ihrer heutigen Form, das Zerreden des Anschlags in der politisch korrekten Auswertung, jede natürliche Empörung lähmen und gedankliche Schlussfolgerungen und Verallgemeinerungen verbieten wird. Denn auf dieser erwünschten Wirkung, auf dem Verbreiten von Angst und Einschüchterung, auf dem Erlahmen der Abwehr, dem furchtsamen Schweigen und der allmählichen Paralyse der demokratischen Strukturen, basiert die Strategie des Terrors.