Das Bild stammt von Orwell, der einen seiner Romane „Coming Up For Air“ nannte. Luftholen, psychotherapeutisch gemeint. Erzählt wurde die Geschichte eines Mannes, der die Heuchelei und Verlogenheit seiner Umgebung als so bedrückend empfand, dass er ein Refugium suchte, einen – wenigstens zeitweiligen – Wechsel des Atmosphärischen. So wie Fische, ins Dunkel ihrer Unterwasserwelt gebannt, manchmal hinauf an die Oberfläche schwimmen, zum Sonnenlicht, und dort nach Luft schnappen.
In Fische möchten uns die Mainstream-Medien verwandeln, in stumme, lichtentwöhnte Wesen, die in den schattigen Niederungen ihrer täglichen Verrichtung gelegentlich ein paar ins Wasser gestreute Brocken zugeteilt bekommen. Leitmedien-Berichterstattung ist die Kunst der Selektion, der Auslassung, der Zubereitung: Was von dem, das tatsächlich passiert ist, können unsere dummen Leser verstehen? Informationen werden unterschlagen, wenn die Gefahr besteht, sie möchten unerwünschte Gefühle auslösen. Andere über Gebühr aufgeblasen, um positive Regungen zu evozieren. Manche ganz erfunden.
Schattenhafte Gremien entscheiden, was für uns „hilfreich“ ist. Das eingehende Material wird zerkleinert, verwässert, aufgeweicht, seines authentischen Geschmacks beraubt, anderes verzuckert und aufgepufft. Die jeweilige Version ist verbindlich, wir können sie fast wortgleich in allen Zeitungen lesen. Denn die Unwahrheit wirkt erst durch dauernde Wiederholung. Leitmedien-Brei ist processed food, wovor – in seiner materiellen Form – jedes Buch über gesunde Ernährung nachdrücklich warnt.
Sie vermissen in all dem Nebel den klaren Gedanken
Auch geistiges processed food ist ungesund. Es löst quälenden Ärger aus, manchmal wahre Wut, und ist – zumindest für intelligente Menschen – in jeder Hinsicht unbekömmlich. Daher suchen sie nach Quellen der Information und Diskussion, in denen noch echte, mineralhaltige Kost angeboten wird. Frische, anregende Nahrung für ihr Denkvermögen.
Auf meiner Lesereise durch Deutschland war ich erstaunt, wie viele Menschen Achse des Guten lesen. An jedem Abend, ob im Ruhrgebiet oder in Thüringen, in München oder in Magdeburg, wurde ich auf Veröffentlichungen der Achse angesprochen. Von Menschen jeden Alters, von Rentnern, Damen in den besten Jahren oder Studenten. Manchmal nach der Veranstaltung, im persönlichen Gespräch, manchmal in der öffentlichen Diskussion, coram publico. Und dann schienen auch die meisten anderen zu wissen, wovon die Rede war. „Ich lese die Achse täglich“, sagte ein pensionierter Studienrat in München. „Sonst wäre es nicht auszuhalten“, erklärte Rebecca, eine junge Jüdin in Erfurt. Eine ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin schenkte mir in Halle eins ihrer Bücher, eingelegt fand ich einen Zettel: „Von einer dankbaren Leserin der Achse.“
Die Leser betonen, dass sie nicht mit allem übereinstimmen, was ich oder andere Autoren auf Achgut schreiben. Das soll auch nicht sein. Die Autoren der Achse streben keine massenhafte Zustimmung an wie die RednerInnen auf einem Parteitag der Grünen. Ihre Leser verstehen sich als denkende Individuen. Sie spüren Unbehagen angesichts des Schwindelns und des Schweigens ringsum, sie vermissen in all dem Nebel den klaren Gedanken, das offene Wort. Es gibt ein „Unbehagen in der Kultur“, wie Freud es nannte, dazu gehört die Neigung, in die Stummheit der Barbarei zurückzufallen. Und es gibt ein Unbehagen an der Lüge – Teil unseres Bemühens zu überleben.