Chaim Noll / 21.11.2018 / 06:29 / Foto: Robin Hughes / 70 / Seite ausdrucken

Auftauchen zum Luftholen: Die Achse des Guten als Psychotonikum

Das Bild stammt von Orwell, der einen seiner Romane „Coming Up For Air“ nannte. Luftholen, psychotherapeutisch gemeint. Erzählt wurde die Geschichte eines Mannes, der die Heuchelei und Verlogenheit seiner Umgebung als so bedrückend empfand, dass er ein Refugium suchte, einen – wenigstens zeitweiligen – Wechsel des Atmosphärischen. So wie Fische, ins Dunkel ihrer Unterwasserwelt gebannt, manchmal hinauf an die Oberfläche schwimmen, zum Sonnenlicht, und dort nach Luft schnappen.

In Fische möchten uns die Mainstream-Medien verwandeln, in stumme, lichtentwöhnte Wesen, die in den schattigen Niederungen ihrer täglichen Verrichtung gelegentlich ein paar ins Wasser gestreute Brocken zugeteilt bekommen. Leitmedien-Berichterstattung ist die Kunst der Selektion, der Auslassung, der Zubereitung: Was von dem, das tatsächlich passiert ist, können unsere dummen Leser verstehen? Informationen werden unterschlagen, wenn die Gefahr besteht, sie möchten unerwünschte Gefühle auslösen. Andere über Gebühr aufgeblasen, um positive Regungen zu evozieren. Manche ganz erfunden.

Schattenhafte Gremien entscheiden, was für uns „hilfreich“ ist. Das eingehende Material wird zerkleinert, verwässert, aufgeweicht, seines authentischen Geschmacks beraubt, anderes verzuckert und aufgepufft. Die jeweilige Version ist verbindlich, wir können sie fast wortgleich in allen Zeitungen lesen. Denn die Unwahrheit wirkt erst durch dauernde Wiederholung. Leitmedien-Brei ist processed food, wovor – in seiner materiellen Form – jedes Buch über gesunde Ernährung nachdrücklich warnt.

Sie vermissen in all dem Nebel den klaren Gedanken

Auch geistiges processed food ist ungesund. Es löst quälenden Ärger aus, manchmal wahre Wut, und ist – zumindest für intelligente Menschen – in jeder Hinsicht unbekömmlich. Daher suchen sie nach Quellen der Information und Diskussion, in denen noch echte, mineralhaltige Kost angeboten wird. Frische, anregende Nahrung für ihr Denkvermögen.

Auf meiner Lesereise durch Deutschland war ich erstaunt, wie viele Menschen Achse des Guten lesen. An jedem Abend, ob im Ruhrgebiet oder in Thüringen, in München oder in Magdeburg, wurde ich auf Veröffentlichungen der Achse angesprochen. Von Menschen jeden Alters, von Rentnern, Damen in den besten Jahren oder Studenten. Manchmal nach der Veranstaltung, im persönlichen Gespräch, manchmal in der öffentlichen Diskussion, coram publico. Und dann schienen auch die meisten anderen zu wissen, wovon die Rede war. „Ich lese die Achse täglich“, sagte ein pensionierter Studienrat in München. „Sonst wäre es nicht auszuhalten“, erklärte Rebecca, eine junge Jüdin in Erfurt. Eine ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin schenkte mir in Halle eins ihrer Bücher, eingelegt fand ich einen Zettel: „Von einer dankbaren Leserin der Achse.“

Die Leser betonen, dass sie nicht mit allem übereinstimmen, was ich oder andere Autoren auf Achgut schreiben. Das soll auch nicht sein. Die Autoren der Achse streben keine massenhafte Zustimmung an wie die RednerInnen auf einem Parteitag der Grünen. Ihre Leser verstehen sich als denkende Individuen. Sie spüren Unbehagen angesichts des Schwindelns und des Schweigens ringsum, sie vermissen in all dem Nebel den klaren Gedanken, das offene Wort. Es gibt ein „Unbehagen in der Kultur“, wie Freud es nannte, dazu gehört die Neigung, in die Stummheit der Barbarei zurückzufallen. Und es gibt ein Unbehagen an der Lüge – Teil unseres Bemühens zu überleben.

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Claus Pfeffer / 21.11.2018

Stimmt - aber in ganz D gibt es gerade mal neben der Achse noch Tichy, und ein paar vereinzelte Rufer in der Wueste - kann man wirklich an EINER Hand abzaehlen. Ueberlegen Sie sich, WAS das bedeutet - die Staerke der Herdenmentalitaet!!!!!! Und im Vergleich etwa zum 3. Reich beruht das heute weitgehend auf FREIWILLIGER UNTERWERFUNG bzw. Gleichschaltung mit der Heerde, gepaart mit aggressivem Verbeissen potenzieller Abweichler. Eine freiwillige Verzombifizierung. Eine niederschmetternde, neue Erfahrung - wirft ein voellig neues Licht auf menschliches, hier im besonderen leider auch insofern es Deutsch ist Verhalten. Samuel Beckett hatte doch recht. Heute laeuft noch “Warten auf Godot”, demnaechst wird ENDSPIEL gegeben. Schoene Bescherung.

Th. Wagner / 21.11.2018

“... denkende Individuen” - ja so sehe ich das auch. Die Beiträge UND die Leserbriefe auf der Achse sind eine Bereicherung des Denkens und der Gedanken. Vor allem findet man hier viele (bis zum Ende) Denkende ohne in irgendeine Ecke gestellt zu werden. Wer eine blonde Tochter im teenager Alter, die zudem noch demnächst eine Ausbildung machen muss, der macht sich in diesen Zeiten doppelt Sorgen. Die meisten Mitmenschen sind dank ihrer laissez-faire Einstellung keine Hilfe, noch nicht einmal ein Ansprechpartner.

Nora Banz / 21.11.2018

Ich hätte es niemals so ausdrücken können, aber Ihr Artikel beschreibt meine Gedanken und Gefühle bis ins Letzte. Die derzeitige Situation in unserem Land belastet mich so stark, dass ich oft keine Luft (nicht im physischen Sinn) mehr bekomme. Jeder klar denkende Mensch muss sich völlig erdrückt fühlen bei dem, was in den letzten Jahren alles auf ihn eingestürmt ist. Und wer nicht vollkommen verblödet und abgestumpft ist, braucht dieses Atemholen täglich. Morgens stehe ich nur deshalb früher auf, weil ich vor der Arbeit wenigstens noch einen Artikel auf der Achse des Guten oder TE lesen möchte.  Dann habe ich häufig etwas zum Lachen, Nachdenken oder auch einfach als Trost.  Das ist der geistige und lebenswichtige Sauerstoff, den alle Achse-Autoren für uns und auch die Leser selbst (die Zuschriften bestätigen das) produzieren und den wir gerade jetzt so dringend benötigen. Vielen Dank dafür!

U. Unger / 21.11.2018

Ganz offen, Herr Noll, es gibt großes Unbehagen an der Lüge. Bei mir ist es weniger religiös, aber aus tiefer Verwurzelung in den Gedanken der Aufklärung und dem folgerichtigen System, Demokratie und Marktwirtschaft. Persönlich schwärme ich seit der gymnasialen Oberstufe für das Schweizer System, da es in großen gesellschaftlichen Fragen im Stande ist, die Macht der Funktionäre auszuhebeln. Daher habe ich auch größte Sympathie für den Brexit, egal wie die realen Folgen für Großbritannien danach tatsächlich sind. Sollte wirklich etwas in der Art eintreten, wie es von den Eurokraten behauptet wird? Sollten die Briten etwaige Fehler feststellen, könnten Sie doch korrigieren, ach ich vergaß, dies kann nur die EU! Bei uns ist Freiheit zur Farce verkommen. Wer frei sein will, muss über Millionen verfügen und seinen persönlichen Staat im Staate durchsetzen, das kostet, mindestens teure Steuerberater und Rechtsanwälte. Wer es geschafft hat kann wenig hinterfragt, wie Grönemeyer im ÖR schwadronieren, warum es dem Einzelnen nicht schlecht gehen kann, wo es den Prominenten doch so gut geht!

Franck Royale / 21.11.2018

Das Abschneiden von Informationen über die tatsächliche Entwicklung „da draußen“ gehört zu den Methoden jeder „guten“ Diktatur und berüchtigter Gefängnisse. Schon die während des „Großen Terrors“ unter Stalin und NKWD-Chef Jeschow massenhaft inhaftierten Wissenschaftler und Intellektuellen fischten sich gierig die Nachrichten aus dem Toilettenbecken, wenn dort ein Wärter mal wieder eine abgerissene Zeitungsseite hinterlassen hatte.

dr. michael kubina / 21.11.2018

Na ja, Herr Noll, Ihr Eindruck ist leider wohl kaum zu verallgemeinern. Kann es vielleicht sein, dass wir es hier mit einem Zirkelschluss zu tun haben? Also, Leser von Achgut gehen zu einer Lesung von Noll? Ist natürlich nur ein Vermutung, aber eine naheliegende, oder?

Matthias Braun / 21.11.2018

“Immer wenn man glaubt es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein (achgut) Lichtlein her.” Ein dankbarer “ACHSE DES GUTEN” Pate

Martin Michael / 21.11.2018

Die faktische Wahrheit ist unser Schwert! Wie Giordano Bruno trotzen wir den Lügen der mächtigen!!!!

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