Quentin Quencher / 05.09.2016 / 06:00 / Foto: Antonio Rosas / 7 / Seite ausdrucken

Die „aufsuchende Verbraucherberatung“ kommt

Jetzt kommt die „Aufsuchende Verbraucherberatung“. Das Bundeskabinett verabschiedet die „ressortübergreifende Strategie Soziale Stadt“ und auf der Seite des Bundesumweltministeriums wird erläutert, was darunter zu verstehen ist. Klaus Müller von der Verbraucherzentrale ist ganz begeistert und twittert: „Kluge Entscheidung von @BMUB und @BMJV: Bundesweit soll die aufsuchende #Verbraucherberatung aufgebaut werden.“

Was ist darunter zu verstehen, von dieser „direkten Ansprache im Wohnumfeld“, wie es auch auf der Seite des BMUB in dem Zusammenhang heißt? Stehen nun bald staatlich finanzierte Berater" mit einem Öko-Wachturm vor der Tür, schauen in meine Mülltonne und wollen den Kühlschrank inspizieren? Natürlich nur um mich zu beraten. Was anders als ein grünes Blockwartsystem soll denn dabei raus kommen? Egal, ich freue mich jedenfalls schon drauf, wenn solche Typen bei mir klingeln werden. Die netten Leute mit dem anderen Wachturm sind auch nur einmal da gewesen.

Aber ach, ich habe wohl etwas durcheinander gebracht. Da ich dem Link in einem Tweet des Bundesumweltministeriums gefolgt bin, hatte ich natürlich die dort übliche Indoktrination vermutet. Aber hier geht es ja um Problemviertel in Städten. Klar doch, soziale Stadt, dann eben statt Nachhaltigkeit, Bio oder Klimawandel. In der unsozialen Stadt ist eben noch nicht bis ins letzte Glied durchgedrungen, welche segensreichen Integrations- und Einbürgerungshilfen es so gibt. Soziale Integration im Quartier" nennt es das BMUB (Das Bild für die entsprechende Zielgruppe entnehmen Sie bitte ihrer Phantasie). Und so was gehört jetzt offensichtlich auch zur Verbraucherberatung. Weil man Kohle abgreifen kann? So wie bis vor kurzem, als auf jeden Antrag für ein Programm, irgendwas mit Nachhaltigkeit oder Klima drauf stehen musste um an Staatsknete zu kommen, muss jetzt halt Integration und Eingliederung oder "Soziale Integration im Quartier" bemüht werden.

Wo man Knete abgreifen kann, weiß man in der Zielgruppe sehr genau

Mein Eindruck ist allerdings nicht, dass es Wissensdefizite in den Problemvierteln gibt, bei der die Verbraucherberatung helfen könnte. Wo man Knete abgreifen kann, weiß man da sehr genau. Jeder der sich mal mit einem Formular zu entsprechenden Hilfen des Staates herum geschlagen hat, wundert sich, wie das Ausländer mit teils nur sehr rudimentären deutschen Sprachkenntnissen hinbekommen. Aber sie bekommen es hin. Vielleicht durch Formen der Nachbarschaftshilfe, vielleicht mit Helfern vom entsprechenden Amt oder durch irgendwelche sich selbst organisierende Prozesse. Soziale Integration im Quartier gibt es da nämlich schon lange, nur eben ein bisschen anders als meist dargestellt, und da wird viel praktisches Wissen vermittelt. Es ist auch nebensächlich woher das Wissen herkommt, es ist auf jeden Fall vorhanden. Was bei so manchen deutschen Rentner sicher nicht der Fall ist.

Was soll denn also die direkte Ansprache im Wohnumfeld? Und was macht die Verbraucherberatung dabei? Mutiert die nun zu einer Art Lebensberatung im Problemviertel. Die meisten der Angesprochenen werden sich ein Grinsen kaum verkneifen können. Zumal die sicher auch noch die Abzock-Tricks kennen, von denen die Berater der Verbraucherzentralen keine Ahnung haben.

Dennoch wünschte ich mir schon eine „direkte Ansprache im Wohnumfeld“, vor allem in sogenannten Problemgebieten. Nur denke ich dabei eher weniger an die Verbraucherzentrale und mehr an die Polizei. Aber das wäre ein gänzlich anderes Konzept. Und was machen dann die ganzen Helferlein? Müssen die sich dann wieder um den Klimawandel kümmern?

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Quentin Quenchers Blog Glitzerwasser hier

Foto: Antonio Rosas usmc via Wikimedia

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Leserpost

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Gidon David / 06.09.2016

“Kommen Sie uns, bevor wir zu Ihnen kommen.” - So lauteten geflügelte, als Verballhornung zu verstehende, DDR-Worte über das Gebaren der Organe der damaligen Staatsmacht, sprich Stasi, VoPo, ABV, IM & Co. Je länger ich mir diesen köstlichen Beitrag hier auf der Zunge zergehen lasse, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, es sei bald wieder soweit: “Vorwärts, wir wollen zurück!” - noch so ein typischer DDR-Volksmund.

Conny Beesken / 06.09.2016

Nur zur Info: Die aufsuchende Verbraucherberatung gibt es in Hamburg schon etwas länger.  Etwa seit 2008. Sie durchwühlt den Hausmüll in den Müllcontainern vor größeren Mietshäusern nach (illegalen bzw interessanten) Sachen.  Wie damals die Stasi in der DDR.  Der Name der Firma ist “Innotec abfall-management GmbH “.

Stefan Reinbott / 05.09.2016

Zwei Dinge, weil das ganze gar nicht lustig ist. Ich zitiere die angegeben Quelle: 1. Mit den jährlichen Mitteln von 10 Millionen sollen Maßnahmen des Bundes in benachteiligten Stadtteilen gefördert werden, zum Beispiel die aufsuchende Verbraucherberatung. Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, Heiko Maas, dazu: “Unser Ziel ist eine Verbraucherpolitik, die alle Verbrauchergruppen erreicht. Mit der Verzahnung von Stadtentwicklungspolitik und Verbraucherpolitik wollen wir bereits vorhandene örtliche Strukturen nutzen. Wir wollen niedrigschwellig, bürgernah und präventiv Hilfestellung geben durch die direkte Ansprache im Wohnumfeld und so die Zugangswege zu Informationsangeboten für die Verbraucherinnen und Verbraucher verbessern.” Was hat der Bundesjustizminister mit Stadtentwicklungspolitik zu tun. Angesichts der von ihm initiierten Antonio Amadeu Stiftung sind niedrigschwellige, bürgernahe und präventive (...) Ansprachen irgendwie “unheimlich”. 2. geht es um die Förderung von Baumassnahmen zur Integration. Sind hier Moscheen angedacht?

Wolfgang Richter / 05.09.2016

Die genannten Anspruchsteller werden direkt ab Ankunft von einem Heer der freundlichen Helferleins -Sozialindustrie, die wir zahlen u. die sich selbst erfüllenden Ehrenamtler- als Zeichen der gelebten Willkommenskultur begleitet. Und weiterhin gibt es seit nunmehr Jahrzehnten spezialisierte Anwaltskanzleien, die von der Vertretung dieser Klientel leben, Rechtsschutz gezahlt vom ggf beklagten deutsche Steuersäckelwalter. Erstaunlich schon mal, daß die Anreisenden beim Erstaufgriff im Lande nach illegaler Einreise zwischen Gemüsekisten auf einem LKW zwar infoge der diversen Unpäßlichkeiten auf der Reise bedauerlicherweise ihre Ausweise verloren haben, nicht aber das Zettelchen mit Namen u. telefonischer Erreichbarkeit besagter Rechts- u. Systemkundiger.

Karl Helger / 05.09.2016

“Tweed” ist ein Stoff für Anzüge, “Tweet” eine Nachricht bei Twitter.

Karla Kuhn / 05.09.2016

Herrlicher Witz Herr Quencher. So muß man das sehen, sonst fällt man vom Stuhl. Anstatt, wie Sie schreiben, die POLIZEI !!! in diesen Vierteln drastisch aufzustocken, werden diese sinnlosen, vom Steuezahler zu zahlenden, Maßnahmen erfunden. Wem fällt so ein Zeugs bloß ein ? Aber wahrscheinlich müssen die vielen Gutmenschen wirklich beschäftigt werden.  Immer wenn ich denke, die letzte Stufe des Irrsinns ist erreicht, geht es munter weiter.  Die zu betreuenden Personen lachen sich einen Ast.

Andreas Huber / 05.09.2016

...es soll wohl heißen “heimsuchende Verbraucherberatung” ?

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