Roger Letsch / 08.08.2018 / 06:02 / Foto: FORTEPAN/ Urbán Tamás / 37 / Seite ausdrucken

Aufstehen mit Sahra?

Trotz des medialen Theaterdonners und einer eher spärlich bestückten Webseite ist Sahra Wagenknechts neue linke Sammelbewegung „Aufstehen“ noch nicht wirklich gestartet. Doch als handele es sich um das Bestellformular für das brandneue iPhone, von dem noch niemand nix genaues weiß, das man aber unbedingt haben muss, bietet „Aufstehen“ schon mal an, „Teil der Bewegung“ zu werden. In welche Front man sich damit einreihen würde, kann man natürlich nur ahnen, auch wenn es sich, technisch gesehen, zunächst mal nur um einen Newsletter handelt.

„Teil der Bewegung“ klingt natürlich besser. Ich witzelte neulich noch, dass dies im Gegensatz zu dem, was in der Presse behauptet wird, natürlich nicht die erste linke Sammelbewegung in Deutschland sei, schließlich gibt es das „Duale System“ und den „Grünen Punkt“ schon seit 1990. Aber auch jenseits des Humors gibt es bereits etwas, das als linke „Sammelbewegung“ mit intensiver deutscher Beteiligung schon eine ganze Weile weitgehend unbeachtet vor sich hin dümpelt: DiEM25.

Gestartet ist man dort 2016 mit dem Ziel, „binnen zwei Jahren eine verfassunggebende Versammlung“ in Europa hinzubekommen und den ganzen Kontinent mit einer seltsamen Mischung aus sozialistischer Demokratie (was auch immer das sein soll), Graswurzelbewegung (wo auch immer die wachsen mag) und utopischen Umverteilungsphantasien (bedingungsloses Grundeinkommen) umzukrempeln.

Daraus wurde bekanntlich nichts, oder haben Sie davon gehört, dass Europa jetzt eine Verfassung hat, an der Yannis Varoufakis, Georg Diez und Julian Assange mitgeschrieben haben? Das hat man jetzt klammheimlich auf das Jahr 2025 oder 2027 (je nach Lesart) verschoben. Gut Ding will eben Weile haben, das kennen wir ja schon vom Berliner Flughafen.

Ausgerechnet meine Lieblingslinkslinke Katja Kipping gehört übrigens zu den Mitinitiatorinnen von DiEM25, auch wenn es dort mittlerweile recht still um sie geworden ist. Aber DiEM25 ist generell sehr still heutzutage. Europa umzubauen, hat man wohl zunächst aufgeschoben, jetzt heißt es erst mal, brüchige Schlauchboote auf dem Mittelmeer einsammeln, das ist eine Kerbe, in die ja alle schlagen. Da mitzutun und mahnende Worte wie Pfeile auf alles und jeden zu schleudern, wenn die vorsichtige Frage gestellt wird, ob das denn nun ewig so weitergehen soll, ist der billigst zu habende Aktionismus. Seltsam, dass es DiEM25 nicht einmal mit dieser „mutigen“ Positionierung über die allgemeine Wahrnehmungsschwelle schafft…ob das ein gutes Omen für „Aufstehen” sei kann?

Dass Kipping und die Linke ganz allgemein nicht gerade erfreut sind, dass eine weitere linke „Bewegung“ ihr das Wasser abgräbt, Spenden sammelt und Aufmerksamkeit heischt, ist verständlich – besonders in Anbetracht des Zustands der eigenen „Revolutionären Bewegung“. Was aber die Medien dazu bringt, in derart verzückter Weise ein noch ungelegtes Ei zu begackern, ist geradezu komisch. Ob die Zauberkräfte, die man Wagenknecht offenbar zuschreibt, tatsächlich von einer neuen, noch unformulierten politischen Idee oder doch eher von ihrer Erscheinung ausgehen, weiß man bei der „Welt“ wohl selbst noch nicht so genau. Aber man mutmaßt schon mal, das diese Idee der AfD schaden werde.

„Es kann sein, dass diese professionell vorbereitete Attacke auch Wähler von rechts holt und damit allen Parteien außer der AfD nützt. Gerade weil Wagenknecht in der Flüchtlingsfrage eine dezidiert kritischere Politik als ihre Partei Die Linke vertritt."

Wer schon steht, muss nicht mehr aufstehen

Seltsame Logik. Bekommen wir nicht seit Wochen und bis zum Ohrenbluten eingeschärft, dass die CSU, da sie angeblich blind die Themen der AfD imitiere, wenn sie auf geltendes Recht pocht, nur scheitern könne, weil die Menschen dann doch lieber „das Original“ AfD wählen würden, statt zur CSU zurückzukehren?

Was den Konservativen per Zuschreibung nicht gelingen könne, soll nun also weit links der Mitte klappen? Obwohl es mit Migrations- und Flüchtlingsfragen dieselben „AfD-Themen“ sind, die beackert werden sollen? Warum sollten die Bürger (oder darf man schon „Wähler“ sagen?) „aufstehen“, wenn sie doch längst stehen, weil es sie als vermeintliche „Wutbürger“ schon lange nicht mehr auf dem Sofa hält? Nein, ich denke, der politische Instinkt der Linken, der SPD und der Grünen liegt hier richtig, die „Welt“ liegt falsch.

Dieses „aufstehen“ saugt eher am Mobilisierungspotenzial von links/grün, an denen, die sich inhaltlich schon längst von ihrer Partei verabschiedet haben, es aber aus ideologischem Kadavergehorsam im besten stalinschen Sinne einfach nicht wagten, konservativ zu werden, um sich nicht den üblichen Nazi- und Verratsvorwürfen aussetzen zu müssen.

Wie groß das Zittern der Linken und der SPD vor Wagenknechts neuer Operette sein muss, ist schwer zu sagen, ich vermute aber, dass die Idee einen ähnlichen Verlauf nehmen wird wie DiEM25, deren langsames Siechtum ich seit zwei Jahren mit Interesse beobachte. Auch „Aufstehen” wird in Selbstlob, Programmdiskussionen und utopischen Spinnereien versinken. Der fehlende Wirtschaftsverstand, den die „Welt“ der neuen „Sammelbewegung“ ganz richtig attestiert, kann dort angesichts des kommunistischen Betriebssystems im Kopf Wagenknechts auch unmöglich Fuß fassen. Spricht der Wirtschaftsverstand von „Marktchancen“, verstünde sie „Regulierung“, bei „Freiheit“, dächte sie an „Kontrolle“, und wenn von „Wohlstand“ die Rede ist, träumt Wagenknecht von „Umverteilung“.

Teil irgendeiner linken „Bewegung“ werden ich also sicher nicht, weil jede Bewegung, die von Wagenknecht gegründet wird, zwangsläufig kommunistische Züge aufweist, ganz gleich, welchen Anstrich sie sich nach außen geben mag. Ich bleibe lieber 100 Prozent „ganz und ich”, als Teil irgendeines sozialistischen Kollektivs zu sein, das mir vorschreiben will, dass ich aufstehen soll, wenn ich mich vielleicht viel lieber hinlegen möchte. Es genügt, dass mir mein Wecker solche Befehle erteilt.

Anmerkung: Wecker auf 4. September 2018 stellen.

Dieser Beitrag erschienauch auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.

Foto: FORTEPAN/ Urbán Tamás CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Robert Bauer / 08.08.2018

Neben der Wagenknecht möchte so mancher Mann morgens ´mal aufstehen, natürlich ohne den kleinen Dicken an ihrer Seite.

Karl Eduard / 08.08.2018

Die ganzen “Bewegungs"besorgten möchte ich daran erinnern, daß die Nazis das gesamte deutsche Alphabet für ihren Schriftverkehr nutzten und wem jetzt immer noch nicht klar ist, auf welchen Spuren er wandelt oder welche Erfahrungen er nutzt, der hat aus der deutschen Geschichte einfach nichts gelernt und ist bereits wieder da, wo es anfing. (Tut mir leid aber das mußte jetzt sein.)

Karl Eduard / 08.08.2018

Würde Sahra Wagenknecht das Sahra Wagenknecht-Partei nennen, würden genau so viele begeistert sein. Sie tritt auf, wie Jeanne de Arc in schimmernder Rüstung, stets bereit, den Globalismus, Imperialismus, die immer reicher werdenden Reichen und die immer weiter aufklaffende Schere zwischen Arm und Reich zu bekämpfen und hat gemerkt, wenn eine Regierung national gar nichts mehr melden will oder zu melden hat, nicht mal beim Umverteilen, warum sollen Menschen dann noch solche Drachentöterinnen wählen? Wozu braucht es teure inländische Plapper - Abgeordnete, wenn in Brüssel bereits gütige Umverteiler sitzen? Da hat sie wahrscheinlich gemerkt, daß der Spruch “Nur national geht Sozial” (oder so)  im Prinzip richtig ist. Mal sehen, ob sie wie Frauke Petry endet. Schade wärs.

Roland Jungnitsch / 08.08.2018

Richtig witzig finde ich ja, daß deren linke Gefolgschaft allen Ernstes meint, die geplante Umverteilung bedeute, daß sie den Reichen das Geld wegnehmen würden, um es den Armen oder der Allgemeinheit zukommen zu lassen. Was für ein Brüller, das haben Kommunisten in mehr als 100 Jahren nicht gemacht! Die einzige Umverteilung, die in deren System tatsächlich stattfindet, ist die aus den Taschen produktiver, Steuern zahlender und Arbeitsplätze schaffender Unternehmer in die Taschen ihrer führenden Parteifunktionäre, die dafür aber immerhin heiße Luft produzieren. Fällt es diesen linken Zukurzgekommenen und Neidern eigentlich nicht auf, daß ihre sozialistischen Idole für arbeitsfreies Nichtstun wie die dicksten Maden im fettesten Speck leben und sie selbst weiterhin den Kitt aus den Fenstern fressen dürfen? KEINER dieser marxistischen Vorbeter hat jemals ernsthaft körperlich arbeiten müssen, faseln aber immer wieder davon, was der Proletarier ihrer Vorstellung braucht und wie er zu denken hat. Im realen Leben würden sie einen Malocher oder einen Hartz IV-Empfänger nicht einmal mit der Kneifzange anfassen!

Archi W. Bechlenberg / 08.08.2018

Brian: Seid ihr von der Judäischen Volksfront? Rech: Judäische Volksfront. Quatsch! Wir sind die Volksfront von Judäa! Judäische Volksfront. Loretta: Schwächlinge. Brian: Kann ich in eurem Verein mitmachen? Ich hasse die Römer genauso wie ihr! Judith: Sagst du das auch nicht nur so? Brian: Oh nein. Todsicher. Ich hasse die Römer schon lange. Rech: Hör zu: wenn du eintreten willst, in die VVJ, dann mußt die Römer wirklich verdammt hassen. Brian: Das tu ich ja. Rech: Oh ja? Und wie sehr? Brian: Wie ein Verrückter. Rech: Du bist aufgenommen. Hör zu. Es gibt Typen, die wir noch mehr hassen als die Römer: diese verfluchten Judäischen Volksfrontmistkerle. Alle: Oh ja… ja. Spalter Francis: Und diese Populäre Volksfront. Alle: Ja! Und wie… Spalter, Pisser. Loretta: Und die Volksfront von Judäa! Francis: Ja! Alles Spalter. Loretta: Die Volksfront von Judäa. Spalter. Rech: Wir sind die Volksfront von Judäa. Loretta: Ou. Ich dachte, wir wären die Populäre Front. Rech: Mann: Volksfront. Loretta: Tze! Francis: Was ist eigentlich aus der Populären Front geworden? Rech: Die sitzt da drüben. Alle: SPALTER !!!

Heinrich Niklaus / 08.08.2018

Die Medien, insbesondere die ÖR, machen beim “Aufstehen” nicht mit. Deren “Bewegung” heißt GRÜNE. Die “Aufsteher” fahren in puncto Migranten in eine Richtung, die den ÖR nicht passt. Der im Dezember 2018 von der Bundesregierung zu unterzeichnende “Global Compact of Migration” darf nicht durch Querfrontschüsse der Wagegnknecht-Linken gefährdet werden. Die Altlinken hoffen immer noch, durch unkontrollierte Massenmigration einen revolutionären Zustand innerhalb der Gesellschaft zu erzeugen. Hoffentlich werden diese Hoffnungen nicht wahr. Sicher bin ich mir aber längst nicht mehr.

Helmut Driesel / 08.08.2018

Als Liebhaber elementarer Logik und linksnationaler Spinnereien habe ich mal wieder die wichtige Phase des Hinlegens verpasst. Es ist zum Davonstehlen!

Angela Seegers / 08.08.2018

Na Herr Letsch, da haben Sie ja ordentlich ausgeteilt oder besser gesagt be(g)ackert. Zurzeit geben alle Parteien hilflose Hilferufe ab, da allen der Allerwerteste auf Grundeis geht. Inhalte bei allen nahezu null bzw. nicht mehrheitsfähig, da jeder was anderes (aber was?) will. Aber könnte man zugeben, dass man nichts weiß. Eine Unmöglichkeit per se, da doch alle auf gute Antworten warten (wobei “gut” dann auch wieder zu diskutieren wäre).

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