Ulrike Stockmann / 10.02.2024 / 10:00 / Foto: Achgut.com / 96 / Seite ausdrucken

Aufstand der Gratismutigen

Wenn die Politik Wellness-Veranstaltungen als Widerstand vermarktet, muss man sich nicht wundern, wenn Unternehmen und Medien das Gleiche versuchen. Mit teils bizarrem Ergebnis.

Aktuell tummeln sich auf Deutschlands Straßen sowie in den Medien und sogar in Unternehmen allerhand „Kämpfer gegen Rechts“. Während seit Anfang Januar unermüdlich Bauern, Handwerker, Spediteure und mit ihnen sympathisierende Bürger protestieren (laut NIUS gingen allein am 8. Januar bundesweit mindestens 278.480 Menschen auf die Straße), versuchen die Politik und viele Medien, diesen Widerstand zu kriminalisieren beziehungsweise kleinzureden. Man muss kein allzu scharfer Beobachter sein, um das zeitgleiche Aufblasen des „Potsdamer Geheimtreffens“ für keinen Zufall zu halten. Als Reaktion auf die angebliche rechte Gefahr mobilisiert man seither „Demos gegen Rechts“, die wiederum die Berichterstattung dominieren. Und deren Zahlen regelmäßig bundesweit, und nicht bloß regional genannt werden, anders als bei den Bauernprotesten. So meldete etwa der Deutschlandfunk, dass am vergangenen Samstag deutschlandweit über 250.000 Menschen „gegen Rechtsextremismus“ demonstriert hätten.

Die Regierung ruft also, sekundiert von vielen großen Medien, zum „Kampf gegen Rechts“ auf. Diese Entwicklung trieb bereits einige skurrile Blüten. Der SWR blamierte sich vorletzte Woche, als er auf Facebook postete: „Sophie Scholl kämpfte einst gegen die Dunkelheit des Nationalsozialismus mit der Weißen Rose. Am Wochenende erhoben Hunderttausende ihre Stimmen gegen Rechts.“ Der Text wurde begleitet von einem Bild Sophie Scholls und dem Satz „Man darf nicht nur dagegen sein, man muss etwas tun“. Laut Nordkurier war daraufhin ein „riesiger Shitstorm“ losgebrochen, sodass der SWR sich entschuldigte und den Post löschte.

Mit der Aura eines Widerstandskämpfers

Im Stern bekannten sich vergangene Woche in einer Titelgeschichte rund 30 Prominente zum „Kampf gegen Rechts“ – darunter Helene Fischer, Udo Lindenberg, Atze Schröder, Bully Herbig, Collien Ulmen-Fernandes und Florian Silbereisen. Die dazugehörigen Statements lasen sich so belanglos wie erwartbar. Helene Fischer, auf dem Cover als Frontfrau platziert, fand: „Diskriminierung, Rassismus, Hass und Gewalt vergiften unsere Gesellschaft. Ich will in einem offenen, toleranten und vielfältigen Deutschland leben und wünsche mir eine bunte Zukunft für unsere Kinder. Wir müssen unsere Werte und unsere Demokratie jetzt verteidigen und dürfen das Feld nicht den Antidemokraten überlassen. Bei den kommenden Wahlen, in Deutschland und in Europa, wird entschieden, in welchem Land wir zukünftig leben werden. Tut das Richtige, geht zur Wahl! Für die Demokratie und gegen die Extremisten!“

Udo Lindenberg markierte den Krawalligen: „Millionen Menschen haben klare Kante gezeigt, in den Straßen steigt das Fieber, und die Message an die Politik is’ klar: Jetzt muss was passieren, kein Kuschelkurs mehr mit den Demokratiezerstörern der AfD, harte Grenzen nach rechts außen und keine faulen Kompromisse. Menschenrechte statt rechte Menschen, bunt statt braun, Naziland ist abgebrannt, und das soll auch so bleiben. Also, Faschos verpisst euch, keiner vermisst euch.“

Florian Silbereisen gab sich einen diplomatischen Anstrich: „Wir alle, die wir uns hier im stern äußern dürfen, haben das Privileg, dass man uns zuhört. Leider haben offenbar immer mehr Menschen das Gefühl, dass man ihnen nicht mehr zuhört. Das müssen wir ändern, möglichst schnell. Aber eins muss klar sein: Nichts, absolut nichts, rechtfertigt Menschenverachtung! Niemals! Wir müssen dafür sorgen, dass niemand Angst haben muss – egal, woran er glaubt, woher er kommt oder wen er liebt.“

Bully Herbig versuchte es sogar mit der Aura eines Widerstandskämpfers: „Bei den Wahlen im Juli 1932 gaben mehr als 37 Prozent der Bevölkerung in freien Wahlen ihre Stimme der NSDAP. Ich habe mich immer gefragt, wie so eine Scheiße passieren konnte. Aus Protest? Aus Wut? Oder weil man dachte, so schlimm wird's schon nicht werden? Es wurde tatsächlich 'nicht so schlimm', es wurde eine riesige Katastrophe! Keine Ahnung, wie ich mich damals verhalten hätte. Aber zum Glück weiß ich heute, dass ich so etwas niemals erleben möchte. Ich bin diesem Land unendlich dankbar. Ich durfte in Frieden und Freiheit aufwachsen, in einer Demokratie mit all ihren Grundrechten. Für mich gibt es hierfür keine Alternative!"

Distanzierung von „rechtem Gedankengut“

Die jüdische Aktivistin Malca Goldstein-Wolf hat auf Achgut den Stern-Promis Folgendes entgegengehalten:Wo waren Sie, als am 7. Oktober in Israel Frauen von der Hamas bestialisch verstümmelt, vergewaltigt, Babys verbrannt, Alte verschleppt und ermordet wurden? (…) Ganze Viertel sind zu Shitholes verkommen, und daran sind nicht die Rechtspopulisten schuld. Wenn Sie sich nicht trauen, diejenigen zu kritisieren, die Kritik an ihrer Person mit Gewalt beantworten, wenn Sie auf einem Auge gratismutig blind sind, wäre es besser zu schweigen.“

Denn selbstverständlich kann man eine derartige Kampagne unter der Rubrik „betreuten Protest“ verbuchen. Widerstand, der sich mit der jeweiligen Regierungslinie deckt, ist bekanntlich keiner. Doch diese Binsenweisheit wird zur Provokation, wenn der Staat unter dem Deckmantel „Kampf gegen Rechts“ gegen alle Andersdenkenden mobilisiert. Mittlerweile wird „Demokratie“ als „Konsens“ geframt – und damit die tatsächliche freie Meinungsäußerung, die Diskussion oder auch der Streit um das beste Argument, die eigentlich eine „Volksherrschaft“ bestimmen sollten, kriminalisiert.

Und so muss man sich in Zeiten, in denen Wellness-Veranstaltungen als Widerstand vermarktet werden, nicht wundern, wenn auch Unternehmen in vorauseilendem Gehorsam diesem Zeitgeist folgen. So brachte es der hippe Kaffeeladen „SUEDHANG Kaffee“ aus Tübingen fertig, bei Bestellungen über seinen Onlineshop seine Kunden zu nötigen, ein Kästchen mit einer Distanzierung von „rechtem Gedankengut“ und der AfD anzuklicken. Sonst kein Bestellvorgang. Offenbar gab es hierfür heftigen Gegenwind, denn nach wenigen Tagen war der Bekenntniszwang wieder offline (Roger Letsch berichtete für Achgut hier und hier).

„Nie wieder ist jetzt“

Auch die Lebensmittelmarke Kühne war Ende Januar der Meinung, auf Facebook im Zuge des „Kampfes gegen Rechts“ ein markiges Statement ablassen zu müssen. Unter dem Hastag #niewiederistjetzt hieß es unter anderem in der besagten Kachel: „Wir sind ein diverses, multinationales Unternehmen. Unsere Mitarbeitenden kommen aus vielen verschiedenen Kulturen – und das ist auch gut so. Genau so wollen und brauchen wir es! Deshalb stehen wir als Kühne-Team an der Seite der Demokraten – gegen Hass, Menschenverachtung und faschistisches Gedankengut.“

Auch in diesem Fall merkte Malca Goldstein-Wolf auf Achgut an, dass sie ein derartiges Bekenntnis des Gewürzgurken-Herstellers nach dem Hamas-Attentat vom 7. Oktober vermisst hätte. Und man „Nie wieder ist jetzt“ nicht außerhalb eines Kontextes zur Judenvernichtung verwenden sollte.

Die womöglich übergriffigste Anbiederung an den Zeitgeist leistete sich vor rund einer Woche der Mobilfunkanbieter Congstar. Dieser verbreitete unter anderem bei Facebook, Instagram und TikTok die Botschaft:

„Wir glauben an Vielfalt und Demokratie. Und wem das nicht passt, der kann gerne gehen! Denn wir haben keinen Bock auf Hass und Hetze, auf Diskriminierung und auf Demokratiefeindlichkeit. Schlicht: Kein Bock auf Rassist*innen.

Deshalb rufen wir ab sofort alle Personen, die unsere Werte von Freiheit und Demokratie nicht teilen, dazu auf, bei uns zu kündigen.

Denn wir haben lieber weniger Kund*innen, als mit unserem Angebot zur Verbreitung von Hass und Hetze beizutragen.

Für mehr Vielfalt. Für mehr Demokratie. Für mehr Fair.“

Ein Zeichen im Sinne des Staates

Vorbei also die Zeiten, als der Kunde König und politische Ansichten Privatsache waren. Neben der Anmaßung des Bekenntniszwangs stellte sich außerdem die Frage, wer denn alles nach dieser Logik unter das Stigma des Rassisten fiele. Doch dass die Telekom-Tocher Congstar ein Zeichen im Sinne des Staates setzen möchte, ist bei näherer Betrachtung wenig verblüffend. Denn wie Boris Reitschuster anführt, befindet sich die Deutsche Telekom teilweise in Staatsbesitz. Das Finanzministerium gab 2022 bekannt, dass der Bundesbestand bei 30,5 Prozent der Aktien liege, wovon 16,6 Prozent von der Kreditanstalt für Wiederaufbau gehalten würden, die eine staatliche Förderbank ist. Reitschuster weist auch auf die Halbherzigkeit von Congstar hin, seinem Bekenntnis rasche Taten folgen zu lassen. Denn auf eine Nutzeranfrage nach einem Sonderkündigungsrecht in diesem Fall antwortete das Unternehmen:

„Kund*innen, die unsere Werte von Freiheit und Demokratie nicht teilen, können die Kündigung über die bekannten Vertriebswege vornehmen: telefonisch beim Serviceteam unter 0221 79 700 700, über das Kündigungsformular auf http://www.congstar.de, über das meincongstar Konto oder auf dem Postweg. Ein Sonderkündigungsrecht gibt es derzeit nicht.“

Die „gute Absicht“ geht also nur so weit, bis sie tatsächlich etwas kostet.

 

Ulrike Stockmann, geb. 1991, ist Redakteurin der Achse des Guten. Mehr von ihr finden Sie auf ihrem YouTube-Kanal.

Foto: Achgut.com

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Leserpost

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Dietrich Herrmann / 10.02.2024

Oh Mann, wieviele ZEICHEN wurden bei diesen staatsorganisierten Aufmärschen gesetzt. Wahnsinn, ein Zeichenwald. Und keiner hat die Internationale angestimmt mit “Völker hört die Signale”, wo doch Signale senden und Zeichen setzen derzeit in D ganz groß in Mode ist.

Gerhard Schmidt / 10.02.2024

“XXX werden hier nicht bedient.”...

Gudrun Meyer / 10.02.2024

In den Tagen nach dem 07.10.2024 war mit “Nie wieder ist jetzt!” gemeint: “Nie wieder Holocaust, und Israel ist hochgefährdet und hat ein Recht auf klassische Selbstverteidigung”. Das meinten auch viele so, die nicht mutig genug waren, um selbst gegen die Hamas zu demonstrieren (und das waren echte Demos, obwohl es ein gewisses Wohlwollen der Medien und der Regierung gab). Jetzt ist mit “Nie wieder ist jetzt!”  nur noch gemeint: “Nie wieder die geringste Aufmerksamkeit für die echten Proteste der echten Mittelschicht, und außerdem darf es nie wieder unerwünschte Wahlergebnisse geben, auch wenn eine konservative Partei gewählt würde, die nichts anderes verlangt als die Union formell noch um 2010!” - Der Gratismut der Mitläufer wundert mich keinen Moment lang, eher schon der Glaube an die leicht durchschaubaren und massiv holocaustverharmlosenden Lügen über die “Wannseekonferenz 2:1”, am meisten aber, dass die Ablenkung von den Protesten der Bauern, Spediteure, Handwerker, kleineren Geschäftsinhabern und ihren Mitarbeitern - die ja gegen ihren staatlich betriebenen Ruin aufstehen -, so leicht gelingen konnte. Bemerkenswert ist auch, dass es eine beginnende Hetze gegen die Werte-Union gibt und die Gegen-Rächz-Demonstranten nicht einmal im Fall dieser völlig neuen Partei merken, wie sehr sie belogen und manipuliert werden. Genau wie die AfD hat die WU ein demokratisches, rechts- und verfassungsstaatlich einwandfreies Programm., aber anders als in der AfD gibt es dort noch keine tatsächlich rechtsradikalen Problembären oder vom VS in die Partei implantierte agents provocateurs, so dass die einsetzende Ausgrenzung der WU nicht einmal auf krasse, einzelne Sätze zurückgreifen kann. In meiner Familie musste ich mir gestern die Sätze, bezogen auf die AfD, anhören: “Die Medien lügen nicht!” (konkret war von der SZ die Rede) und “Nazis wollen den Nationalstaat!” Wer “Nazis” an ihrem Faible für den Nationalstaat erkennt, ist wohl auf der Höhe zeitgeistgeformter Politmoral.

Bernart Welser / 10.02.2024

Ausgewählte Losungen (Losung = Waidmannsausdruck für die Fäkalien bestimmter Wildtiere, z.B. Füchse) des “Kampfs gegen rechts”, zu sehen und zu hören auf den Straßen dieses unseres (momentan vielerorts nicht sonderlich) schönen Landes: “AfD-ler töten”, “Hamas, Hamas - Juden ins Gas”, “Bomber Harris, do it again”, “Tod Israel”, “Deutschland verrecke”, “Deutschland du mieses Stück Scheiße”, “Volxtod”.....

Carolin Nitschmann / 10.02.2024

Ich arbeite seit vielen Jahren bei einem Bildungsträger. Vor kurzem wurden wir vom Betriebsrat, mit Zustimmung des Vorstands, aufgerufen , an einer Demo gegen Rechts teilzunehmen. Der Ton war anmaßend. Meine Antwort darauf war, dass es in Deutschland zur Zeit jede Menge Demos gegen Rechts geben würde und ich mich freuen würde, wenn der Betriebsrat zu einer Demo für unsere jüdischen Mitbürger und für Israel organisieren würde. Ich bin jeden Tag mehr entsetzt darüber, was in Deutschland vorgeht. Wolffsohn hat recht, wenn er sagt: „Nie wieder ? Schon wieder !“

Jörg Themlitz / 10.02.2024

Darum folgt von denen niemand meinem Aufruf “Keine Demokratieabgabe (GEZ Zwangs Beitrags Fernsehen) von Rechten!”; “Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.”, Wahrscheinlich ist es ganz anders und ich habe es falsch verstanden. Demokratie Abgabe, ahh jetzt ist klar.

Olaf Dietrich / 10.02.2024

Wie zu schlimmsten Corona Zeiten. Aus Angst es würden die Schlafschafe - Fans wegbrechen lutschen sie alle am Schlips der Ampel.  Widerliches Pack. Es geht nur um Geld!! Immer!!! Warum packt da die Ompfung nicht an???

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