Günter Ederer / 02.03.2013 / 18:10 / 0 / Seite ausdrucken

Aufschrei gegen machtversessene Politikerkaste

Italien hat gewählt, und das Ergebnis gefällt uns Deutschen überhaupt nicht. Aber: Was geht uns das eigentlich an? Haben wir ein Recht darauf, uns über die Italiener aufzuregen oder gar verächtlich auf sie herabzuschauen? „Zwei Clowns“ haben die gewählt, spottet der Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück, und bestärkt damit wieder einmal das Bild des arroganten Deutschen.
Wen hätten die Italiener denn unserer Meinung nach wählen sollen? Dem Sozialdemokraten Steinbrück samt seiner Partei muss schon aus internationaler Solidarität der Spitzenkandidat der linksbürgerlichen Demokratischen Partei (PD), Pier Luigi Bersani, am liebsten gewesen sein. Aber der hat eine rüde Abfuhr durch die Wähler erlitten. 8,8 Prozentpunkte hat er gegenüber der letzten Wahl verloren. Die roten Hochburgen Emilia-Romagna (37,04) und Toskana (37,46) sind eingeebnet. Ja, Bersani hat versprochen, den Euro zu behalten. Aber das freut vielleicht die Romantiker in Brüssel und die Träumer von noch mehr Europa.
Für die Italiener war Bersani ein Relikt aus vergangenen Zeiten, ein blutleerer Funktionär der in PD umbenannten Kommunistischen Partei. Diese Funktionärsclique beherrscht immer noch die Linken. Sie sind so attraktiv wie vergammeltes Fleisch: Nicht gefährlich, aber ungenießbar.
Als es vor der Wahl darum ging, wer gegen den unappetitlichen Silvio Berlusconi antreten sollte, bewarb sich der unkonventionelle Mittelinks stehende 38-jährige Bürgermeister von Florenz, Matteo Renzi. Das löste einen Sturm der Entrüstung unter den Altkommunisten aus. Der aus einer KP-Dynastie stammende Massimo D`Alema drohte Renzi mit Vernichtung. „Stalin von Gallipoli“ ist der Spitzname dieses ehemaligen Außenministers und Ministerpräsidenten, der sich hauptsächlich auf seiner 15 Meter Segelyacht „Ikarus“ aufhält. Erst ein solches Personal erklärt, warum dann doch viele Wähler wieder ihr Kreuz bei Berlusconis Partei machten, die immerhin 15,8 Prozentpunkte verlor.
Der in Deutschland beliebteste Italiener, dessen Wahlsieg die meisten erhofften, der 69-jährige Professor Mario Monti, schaffte es mit seiner neuen Partei auf 10,54 Prozent – ein Achtungserfolg aus dem Stand. Wer mehr erhoffte, muss träumen. Aber das ist in Brüssel und in vielen europäischen Hauptstädten zurzeit wohl die Grundlage der Politik. Da wird ein Wirtschaftsprofessor Ministerpräsident, der von niemandem gewählt wurde. Er macht alles, was für Italiener eine Zumutung ist: Er erhöht die Steuern, kürzt die Renten, legt sich mit den Staatsdienern an und erhält dadurch auch noch viel Beifall aus Brüssel. Also, dann immer noch auf zehn Prozent zu kommen, ist beachtlich. Als sich in Deutschland vor knapp zehn Jahren ein Steuerreformer namens Professor Paul Kirchhof zur Wahl stellte, wurde er lächerlich gemacht und selbst von der CDU verlassen. Dagegen hat Monti noch gut abgeschnitten.
Völlig unangemessen ist die Verurteilung von Beppe Grillo, der auf Anhieb 25,55 Prozent erhielt und damit die meisten Stimmen. Ja, er hat auch als Clown und Satiriker gearbeitet. Aber er ist diese ganze Horde korrupter und machtbesessener Politiker leid. Sein Wahlkampf war ein Aufschrei gegen die Bersanis, D´Alemas und Berlusconis. Wer sich mit den neuen Abgeordneten seiner Initiative beschäftigt, wird feststellen, dass sich darunter viele gut qualifizierte junge Frauen und Männer befinden, alles andere als Clowns. Aber auch alles andere als Euroträumer. Vielleicht sind deshalb die etablierten deutschen Parteien nicht in der Lage, objektiv den Wahlausgang zu beurteilen. Denn Grillo will eine Volksabstimmung, ob Italien im Euro bleiben soll oder nicht. Allein deswegen wird er von unseren etablierten Parteien als Populist verhöhnt. „Das Volk befragen“, welch eine Zumutung für die selbsternannten Hüter der europäischen Idee.
Die Wahl in Italien aber zeigt, dass die Aufgabe des Prinzips, dass ein Staat für seine Finanzen selbst einstehen muss, dazu führt, dass jeder bei jedem mitreden will, und das sät Zwietracht unter den Nationen und zerstört deshalb die Achtung von Völkern, die einen anderen Lebensstil pflegen. Deshalb sind sie aber noch lange keine Clowns.

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