Ahmet Refii Dener / 13.05.2025 / 17:00 / Foto: FelixFuchs / 4 / Seite ausdrucken

Auflösung der PKK: VIP-Status für Terroristen

Die kurdische Terror-Organisation PKK legt die Waffen nieder. Einstmals größter Feind Erdogans, hat man sich nun hinter verschlossenen Türen geeinigt. Wir leben im goldenen Zeitalter der geopolitischen Vergesslichkeit.

Was laut Wikipedia nüchtern klingt – „Abdullah Öcalan ist Führer der unter anderem in den USA, der EU und der Türkei als Terrororganisation eingestuften PKK“ – ist in der Türkei seit Jahrzehnten emotional aufgeladen. Dort nennt man ihn schlicht: Kindermörder, auf Türkisch „Çocuk Katili“. Verantwortlich für den Tod Zehntausender. Und jetzt? Jetzt heißt er plötzlich Sayın Öcalan – „Sehr geehrter Herr Öcalan.“ Kein Satireformat, keine Ironie – nein, Realität im Jahr 2025.

Als dann auch noch Devlet Bahçeli – Chef der mit den „Grauen Wölfen“ verbundenen Partei MHP, Erdogans Koalitionspartner und politischer Dauerbrenner mit Kurdenphobie – auf einmal mit dem Vorschlag um die Ecke kam, man solle mit Öcalan Frieden schließen, rieben sich selbst seine Getreuen die Augen. Der Mann, der jahrzehntelang Öl ins ethnische Feuer goss, will nun als Feuerwehr auftreten?

Ergebnis hinter verschlossenen Türen: Die PKK legt die Waffen nieder. Pünktlich zum Muttertag (die offizielle Verkündung erfolgte am 12. Mai 2025). Für viele Mütter, deren Kinder von Bomben, Minen oder Kugeln getötet wurden, ein Hohn sondergleichen. Die Belohnung der PKK-Mitglieder? Straffreiheit. Und Exil mit Panoramablick – Frührente in Erbil, All-Inclusive.

Die neue PKK: Nicht mehr bewaffnet, aber bestens vernetzt

Auf ihrem 12. Parteikongress im Nordirak hat die PKK erklärt: „Unsere historische Mission ist erfüllt.“ Der bewaffnete Kampf sei vorbei, die Organisation werde aufgelöst. Jetzt ruft sie zu politischer, sozialer und kultureller Selbstorganisation auf – besonders unter Führung von Frauen und Jugendlichen. Demokratischer Neubeginn statt Kalaschnikow?

Öcalan selbst, seit Jahrzehnten inhaftiert, soll den Prozess „anleiten“. Und als wäre das nicht genug, fordert die PKK seine Freilassung – als Grundlage für eine dauerhafte Friedenslösung. Das klingt nach Zukunft, riecht aber nach politischem Erpressungsbrief.

Der historische Joker: Lausanne und die Verfassung von 1924

In ihrer Auflösungserklärung zitiert die PKK gleich zwei Grundpfeiler der modernen Türkei: den Lausanner Vertrag von 1923 und die Verfassung von 1924. Diese seien, so die PKK, der Ursprung jahrzehntelanger Leugnung, Assimilation und Vernichtung kurdischer Identität. Ein Frontalangriff auf den Gründungsmythos der Republik – mit Sprengkraft.

Denn Lausanne ist für die Türkei das, was Versailles für Frankreich war: ein heiliger Vertrag, der nicht infrage gestellt wird. Die Kritik daran gleicht einem nationalen Sakrileg – und könnte den gesamten „Friedensprozess“ zum Einsturz bringen, bevor er überhaupt begonnen hat.

Die Forderungen der PKK lesen sich wie ein Manifest:

  • Neudefinition der Staatsidentität: Kurden und Türken als gleichberechtigte Gründungsnationen.
  • Demokratische Verfassung: Schutz für alle ethnischen Gruppen.
  • Gleichberechtigte Staatsbürgerschaft: Rechte, nicht nur Pflichten.
  • Friedliches Zusammenleben: Ohne Assimilation, mit Respekt für Verschiedenheit.

Die Reaktion aus Ankara? Vorsichtige Begrüßung der Entwaffnung – gepaart mit wütender Ablehnung jeder historischen Neubewertung. Kein Wunder. Wer an Lausanne rüttelt, rüttelt am Fundament der Nation.

Türkei heute: Terror wird integriert, Demokratie aussortiert

Während der Terror also geadelt wird, sitzen Oppositionelle weiter in Haft. Beispiel gefällig? Burak Saldıroğlu, Anwalt, verhaftet – weil er ein Wahlkampfplakat und X-Beiträge eines inhaftierten Kandidaten verteilt beziehungsweise geteilt hat. Vorwurf: „Beleidigung des Präsidenten“. Willkommen im Neusprechland.

Oder Istanbuls Ex-Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu, der einzige Mann, der Erdoğan gefährlich werden könnte (Achgut berichtete):

  • Als Istanbuler Oberbürgermeister abgesetzt.
  • Social-Media-Accounts gesperrt.
  • Studienabschlüsse nach 30 Jahren annulliert.
  • Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2028? Verhindert.

Begründung: absurd – und deshalb politisch wirksam.

Und bei uns? Alles wie gehabt. Die PKK ist in Deutschland bestens aufgestellt – keine Waffen vielleicht, aber Strukturen, Spendenkreise, Tarnvereine. Jetzt dürften neue „Aktivisten“ folgen – unter dem Radar, mit Asylgrund und Antifa-Sticker im Gepäck.

Was ist mit Demirtaş?

Wenn wir schon dabei sind, den Frieden zu inszenieren – wo bleibt eigentlich Erdogans ehemaliger Gegenkandidat Selahattin Demirtaş? Der ehemalige Vorsitzende der Partei HDP sitzt seit acht Jahren in Haft, wegen angeblicher Unterstützung der PKK. Dumm nur: Die gibt es ja jetzt angeblich gar nicht mehr. Also entweder Demirtaş sofort freilassen – oder eingestehen, dass es nicht um Terrorismus geht, sondern um Gedankenverbrechen. Willkommen im Orwell’schen Teil der Geschichte.

Fazit: Wer wirklich Terror gemacht hat, bekommt Pool und Pensionskasse. Wer wirklich Demokratie wollte, bekommt Zelle und Zensur. So sieht „Friedenspolitik“ aus, wenn der Terror auf einmal nützlich wird. Und du fragst dich noch, wer hier eigentlich wen am Nasenring durch die Arena zieht?

Ahmet Refii Dener ist Türkei-Kenner, Unternehmensberater, Jugend-Coach aus Unterfranken, der gegen betreutes Denken ist und deshalb bei Achgut.com schreibt. Mehr von ihm finden Sie auf seiner Facebookseite und bei Instagram.

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L.Luhmann / 13.05.2025

Wenn wir Glück haben, dann zerfleischt sich das neue Syrien selbst.

Lutz Liebezeit / 13.05.2025

Ich wollte Einstein noch die “besten Absichten” unterstellen, ohne Zynismus. Er hat vielleicht als einzige dran geglaubt.

Lutz Liebezeit / 13.05.2025

Die Operation Overcast (wolkenverhangen) war ein militärisches Geheimprojekt der USA, um nach der Niederlage Hitlerdeutschlands deutsche Forscher, Wissenschaftler und Techniker an Land zu ziehen und sich deren militärtechnisches Können und Wissen zu sichern. Unter dem Codenamen Operation Paperclip fand darauf die Verlegung deutscher Kriegs- und Zivilgefangener in die USA statt, die meisten waren als Wissenschaftler oder in der Industrie tätig gewesen.  Auch Carl Krauch, der die IG Farben-Fabrik bei Auschwitz aufgebaut hatte, war über “Paperclip” angeheuert worden. Adenauer holte sich Hans Globke als Aussenminister, den Allan Dulles, der CIA-Chef, bereits 1945 auf einer internen Liste als Innenminister vorgeschlagen hatte. Globke hatte die Nürnberger Gesetze von 1935 zu verantworten. Nazis created ‘basic plan’ for European Union. Independent; Man kommt nicht dran vorbei, darum bastelt die EU an einem Notausgang, über den sie das Warnschild “völkisch” aufgehängt hat. Von der Leyen, Kohl, Schröder, Merkel sind natürlich gaanz anders. Und komischerweise ist das antivölkische Agens bestens geeignet, den Superstaat aufzubauen, weil, wie Gauck ja kritisiert hat, die nationalen Identitäten störten bei der Bildung eines gemeinsamen Willens. Die müßten abgebaut werden, z.B. mit einer Grenzöffnung. Deshalb ist die Entnationalisierung gut. Das Europa der Völker war der ursprüngliche Plan für Paneuropa, an dem der - Jude - Albert Einstein mitgefeilt hat. Im übrigen haben alle mit “Kriegsursachen bekämpfen” argumentiert, Einstein, die Nazis, der Parteienapparat und blühenden Landschaften. Die “Überwindung der europäichen Teilung” jedenfalls erzeugt wohl mehr Gewalt und Kollateralschäden als der Einmarsch der Russen?

Oliver Hoch / 13.05.2025

Leider ein sehr einseitig antikurdischer Artikel. Es trifft zu, dass die kommunistische PKK viele Menschen ermordet hat. Das hat aber auch die kurdenhassende türkische Regierung. Ich wünsche der Türkei, nach der hoffentlich baldigen Ablösung Erdogans, den Weg hin zu einem ehrlichen und friedlichen Land zu finden. Und ich wünsche den Kurden (Vorsicht: völkischer Volksbegriff) ein Leben in Freiheit und Würde, ohne Angst, und möglichst in einem eigenen Staat, ohne ethnische und religiöse Unterdrückung. Herrn Dener stimme ich zu, dass Öcalan im Knast bleiben sollte. Diese Strafe hat er sich als hasserfüllter Terrorist redlich verdient.

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