Ulrike Stockmann / 21.05.2019 / 06:20 / Foto: Olaf Kosinsky / 25 / Seite ausdrucken

Aufgepasst, Herr Scholz! Ein Kinderbuch als Wirtschafts-Nachhilfe

Von wirtschaftlichen Zusammenhängen verstehe ich äußerst wenig. Umso neugieriger war ich, als ich auf eine neue Kinderbuch-Serie aus Amerika stieß: „Die Tuttle-Zwillinge“, eine Buchreihe aus der Feder von Connor Boyack über zwei Kinder, die allerhand Abenteuer rund um das Thema Geld erleben. In den USA erscheint die Buchreihe seit 2014, die ersten Folgen in deutscher Übersetzung liegen seit 2018 vor. Der neueste deutsche Band „Die Tuttle-Zwillinge auf der Suche nach Atlas“ ist seit Ende April erhältlich. Ziel der Bücher ist es, übersichtlich und damit kindgerecht wirtschaftliche Grundlagen zu vermitteln.

Jedem Band liegt ein Klassiker aus der Wirtschaftsliteratur zugrunde, passend zu jeder Folge gibt es ein Arbeitsheft. Die „Tuttle“-Reihe behandelt Vorgänge, die uns alle etwas angehen, über die aber viele von uns nicht ausreichend informiert sind. Wenn Sie meinen, hier Defizite zu haben, kann ich Ihnen einen Blick in die Bücher dringend empfehlen. Dank der Lektüre habe sogar ich mein Ökonomie-Wissen aufpolieren können. Außerdem werde ich das Gefühl nicht los, dass auch unserer Politiker noch etwas von den Tuttle-Zwillingen lernen können.

Die neunjährigen Zwillinge Emily und Ethan Tuttle leben mit ihren Eltern in einer Stadt in den USA. Da sie sehr aufgeweckt und neugierig sind, nehmen sie regen Anteil an allem, was um sie herum passiert. Und wie es Kindern öfters geht, versetzt sie die Welt der Erwachsenen regelmäßig in Staunen. Da ihnen vieles ein Rätsel ist, scheuen sie sich nicht, nachzufragen. In „Die Tuttle-Zwillinge und das Gesetz“ erklärt ihnen etwa ihr französischer Lieblings-Nachbar Fred, warum Gesetze die Grundlage eines friedlichen Zusammenlebens sind. Dies ist eine Hommage an den wirtschaftsliberalen französischen Politiker und Ökonom Frédéric Bastiat, der 1850 den Aufsatz „Das Gesetz“ verfasste. 

Nun drängt sich womöglich die Frage auf: Geld und Kinder – passt das zusammen? Schließlich befassen sich gängige Kinderbücher vordergründig mit ideellen statt mit praktischen Werten, oftmals geht es um zauberhafte Geschichten in phantastischen Welten. Trotz der schönen Zeichnungen von Elijah Stanfield überkamen auch mich beim ersten Durchblättern Zweifel: Sollen wirklich schon die Kleinsten mit dem schnöden Mammon in Berührung kommen? Sollten lustige Kindergeschichten nicht vom Tauschen und Teilen, statt vom Bezahlen und Begleichen handeln?

Diese Idee wird in „Die Tuttle-Zwillinge und das Ungeheuer von Jekyll Island“ thematisiert und unmittelbar in den Wind geschlagen: Die Zwillinge verkaufen mit ihrer Familie auf einem Jahrmarkt selbstgeimkerten Honig. Sie fragen sich, ob Geld wirklich zwingend nötig ist oder ob man nicht auch Tauschhandel betreiben könnte. Prompt versuchen sie, für ihren Honig Achterbahn-Fahrkarten zu bekommen. Was natürlich nicht klappt. Ihr findiger Opa erläutert ihnen, welche Konsequenzen es hätte, wenn beispielsweise ein Autohändler Achterbahn fahren wollte. Wie viele Fahrscheine wären dann ein Auto wert? Na gut, dann bleiben wir doch lieber beim Geld. Im weiteren Verlauf der Geschichte wird den Zwillingen und den Lesern noch erklärt, wie Inflation zustande kommt. Dieser Band beruht auf dem Buch „Die Kreatur von Jekyll Island“ von G. Edward Griffin.

Und wenn „böse Menschen“ in der Regierung landen?

Mit viel Kreativität werden harte Themen weich verpackt. In „Die Tuttle-Zwillinge auf der Suche nach Atlas“ wird am Beispiel eines Zirkus‘ ein Plädoyer für die Leistungsgesellschaft und gegen den Egalitarismus gehalten. Der Muskelmann Atlas – Star des Zirkus‘ und besonders leistungsfähiger Mitarbeiter – verlässt die Truppe, da er für weniger Lohn mehr arbeiten soll. Der Zirkusdirektor erkennt nicht, dass besonders gute Mitarbeiter mehr kosten als andere und möchte allen das gleiche zahlen.

Da Atlas‘ Leistung fehlt, gehen die Einnahmen des Zirkus deutlich nach unten, Mitarbeiter werden entlassen oder gehen aus Enttäuschung, es kommt zu Misswirtschaft und die Leistung der Kompanie sinkt noch weiter. Ein Teufelskreis entsteht. Diese Geschichte ist eine Warnung vor dem Sozialismus und wurde inspiriert vom Kultroman „Der Streik“ von Ayn Rand aus dem Jahr 1957.

In „Die Tuttle Zwillinge und der Ärger um die Imbisswagen“ erfahren Ethan und Emily am Rande eines Football-Spiels von den Sorgen der Imbisswagen-Besitzer, die dort ihre Speisen anbieten. Eine lokale Restaurantkette unterhält Kontakte zum Bürgermeister und veranlasst diesen, Gesetze zu erlassen, die Restaurants zugutekommen, aber Imbisswagen benachteiligen. An diesem Beispiel wird Protektionismus erklärt. Die Zwillinge starten schließlich mit Hilfe ihrer Eltern und den verärgerten Händlern eine „Freiheit für die Imbisswagen“-Kampagne, die den Stadtrat dazu bringt, die einschränkenden Auflagen zurückzunehmen. Diesem Band liegt der Klassiker „Die 24 wichtigsten Regeln der Wirtschaft“ von Henry Hazlitt aus dem Jahr 1946 zugrunde.

Besonders schön ist die Geschichte „Die Tuttle-Zwillinge und der wunderbare Bleistift“, basierend auf dem Essay „Ich, der Bleistift“ von Leonard Read. Anhand eines Bleistifts wird die unendliche Kette von Materialien und Produktionsabläufen erläutert, die hinter einem einzigen Produkt steht. Ein Plädoyer für internationale Handelsbeziehungen. Vielleicht eignet sich diese Folge am besten, um in die Welt der Tuttle-Zwillinge einzusteigen.

Das besondere an den Bänden ist, dass zwar die bestehenden Verhältnisse gut erklärt, aber gleichzeitig mögliche Stolpersteine aufgezeigt werden. Das Ganze ist also kein Loblied darauf, der Wirtschaft und Politik blind zu vertrauen. Ganz im Gegenteil, die (jungen) Leser werden angeregt, die Funktionstüchtigkeit bestimmter Mechanismen zu hinterfragen. So weist etwa Nachbar Fred die Kinder darauf hin, dass zwar der Staat dafür sorgen sollte, dass „böse Menschen“ bestraft werden, dass es aber leider ebenso vorkomme, dass böse Menschen in der Regierung landen. Er erklärt ihnen auch, dass es Diebstahl sei, wenn die Regierung sein Geld stehle, um es anderen Menschen zu geben oder es gar mit „ihren Freunden“ zu teilen. Er helfe gerne und regelmäßig anderen, aber die Regierung zwinge ihn dazu, noch mehr Menschen zu helfen. (Hohe) Steuern werden hier als Diebstahl dargestellt. Wie gesagt, die Bücher sind wirtschaftsliberal – über Punkte wie diesen lässt sich streiten. Warum nicht einmal mit den eigenen Kindern?

„Die Tuttle-Zwillinge und der wunderbare Bleistift“, „Die Tuttle Zwillinge und der Ärger um die Imbisswagen“ „Die Tuttle-Zwillinge und das Ungeheuer von Jekyll Island“, „Die Tuttle-Zwillinge und das Gesetz“, „Die Tuttle-Zwillinge auf der Suche nach Atlas“ von Connor Boyack mit Zeichnungen von Elijah Stanfield, übersetzt von Enno Samp, 2018-19, hier bestellbar.

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Udo Baum / 21.05.2019

In deutschen Schulbüchern steht “Ein Unternehmer ist dazu da um Arbeitsplätze zu schaffen”...

Nicklas Gruber / 21.05.2019

Als BWLer bin ich immer wieder schockiert, wie selbstbewusst wirklich jeder Hanswurst seine Meinung zu wirtschaftlichen Themen verkündet, ohne auch nur die geringste Ahnung von den einfachsten Grundlagen der Ökomomik zu haben. Ich selbst würde zum Beispiel nie auf die Idee kommen, einem Chirurgen mein Hausmannsverständnis von Medizin aufzuschwätzen, aber sobald es um die Verwendung von Ressourcen geht, scheint jede Bescheidenheit verloren zu sein. Dazu passend folgendes Zitat von Murray Rothbard: “It is no crime to be ignorant of economics, which is, after all, a specialized discipline and one that most people consider to be a ‘dismal science.’ But it is totally irresponsible to have a loud and vociferous opinion on economic subjects while remaining in this state of ignorance.”

Jens Frisch / 21.05.2019

“„Der Streik“ von Ayn Rand aus dem Jahr 1957.” Ich habe mir vor Jahren einmal Ayn Rands “Atlas shrugged” angetan - über 1000 Seiten in gestelztem Englisch. Aber obschon der eingeflochtenen Liebesgeschichte war das Buch eine Offenbarung: Die Menschen, die außergewöhliches leisten können und wollen, werden in unserer Gesellschaft mehr und mehr drangsaliert: Ein Staat, indem ein Arbeitnehmer mit 5000 brutto im Monat in den Spitzensteuersatz rutscht, will seine Mittelschicht AUSROTTEN.

Thomas Taterka / 21.05.2019

Was das ” Kinderbuchgeschäft ” an authentischer Literatur verloren hat, macht es durch politische Aufdringlichkeit wieder wett. Dadurch gibt es viele altkluge Kinder ohne echten Gerechtigkeitssinn. Herzlose verzogene Biester ,formal hochmotiviert. Aber im Kern verdorben und abgrundtief verlogen, auf ekelhafte Weise anpassungsbereit zu allem. Die Zukunft halt. Kalte Klugscheisserkinder. - Gäb’s nicht die Ausnahmen, ...  

Ilona G. Grimm / 21.05.2019

Danke, Frau Stockmann, für den Hinweis. Mir geht’s nämlich wie Scholz, ich habe von Wirtschafskreisläufen und Finanzmanagement nicht viel Ahnung. Dem wird jetzt abgeholfen!

Uta Buhr / 21.05.2019

@Thorsten Rosché und @Thomas Weidner. Leider nur zu wahr. Ich hätte es nicht besser sagen können.

Albert Pflüger / 21.05.2019

Zu den kritischen Anmerkungen hinsichtlich der Steuern: sehr wohl sind hohe Steuern unter Umständen Diebstahl. Immer dann nämlich, wenn der Kreis der Empfänger von Bedürftigen auf Günstlinge ausgeweitet wird, wenn die Zahl der Empfänger entgrenzt wird (Migration!), wenn die Kernaufgaben des Staates (innere und äußere Sicherheit) nicht wahrgenommen werden, allerlei Subventionen verteilt werden, eine schmarotzerische Lebensführung in Parallelgesellschaften finanziert wird, wenn das eingenommene Steuersubstrat also für Zwecke verwendet wird, die nicht im Interesse der Steuerzahler liegen.

J. Schad / 21.05.2019

So was kann auch nur aus Ami-Land zu uns kommen! Kindern den schnöden Mammon erklären zu wollen, puh, wie unethisch. Nein, da halten wir uns lieber an die Märchen, wo Eltern ihre Kinder (wegen zu hoher Kosten des Nachwuchses) im Wald aussetzen, wo die Stiefmutter ihre Stieftochter aus niederen Motiven heimtückisch ermorden will oder als Arbeitssklavin hält. Denn Menschen, die so etwas tun, machen auch das Klima der Erde kaputt. - - - Aus dem gleichen Grund brauchen auch unsere Politiker keine ökonomische Nachhilfe aus einem Kinderbuch. Also, bräuchten tun die das schon, denn sechs von den sieben Wirtschaftsministern der dunklen Merkel-Zeit waren/sind Diletanten. Aber Kompetenzen sind offensichtlich nicht erwünscht in einer Zeit, wo hingeworfene, kleine ideologische Versatzstücke so prima wirken (z.B. CO2 oder Wohnungsenteignungen oder “gegen rechts”). - - - Kompetenzen, gute Güte! Wer soll denn dann noch auf die “Fridays for Future”-Demos gehen? Und das wäre schade, wenn da keiner mehr wäre. Denn diese Demos sind didaktisch sehr wertvoll, um den/die Klimawandel zu erklären. Denn die Klimawandel laufen ja oft mit Effekten, die die Tendenz noch verstärken, also sich selbst verstärkenden Effenkten ab (z.B. wenn’s kälter wird auf der Erde, werden die schneebedeckten Flächen größer, wodurch mehr Sonnenstrahlung reflektiert wird und es noch kälter wird). Genauso ist das bei den Friday-Demos: Da geht man hin, weil man objektiv betrachtet doof ist, versäumt dadurch Unterricht und wird noch doofer. Beim Mensch wird’s jetzt (im Gegensatz zum Klima) psychologisch. Denn der Mensch denkt, wenn so viele da hingehen, ist es richtig, da gehe ich auch hin.

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