Kommen Sie mit auf die Akropolis! Der Abstieg von ihr ist genauso schön wie der Aufstieg, nur sentimentaler. Denn der geistige Abstieg meines eigenen Landes ist unerträglich.
Alles begann kurz vor Ostern 1982, auf einer Schulreise. Ich war sechzehn Jahre alt, und mein Klassenlehrer, Herr Rübenach, warb uns ein dazu. Es war keine Klassenfahrt, sondern eine freiwillige Reise in den Ferien; Schüler, Eltern, Verwandte, Freunde, auch Herrn Rübenachs ganze Familie. Ich will seinen Namen nennen und ihm ein letztes Mal danken. Er lebt nicht mehr, seit sechs Jahren.
Schon die Hinfahrt war etwas Besonderes; ab München im Liegewagen durch Österreich und das damalige Jugoslawien bis Athen. Sie dauerte vierundfünfzig Stunden. Der Zug hielt oft, auch in Kosovo Polje, an dessen traurigen Bahnhof ich mich erinnere, und immer wieder auch auf freiem Feld. Dann stieg das Personal aus und gesellte sich zu den Bauern und Hirten, die dort über offenem Feuer eine Suppe kochten oder ein Lamm grillten und Hochprozentiges dazu tranken. Solchermaßen gestärkt ging es weiter, in gefühltem Schneckentempo. Es störte mich überhaupt nicht. Ganz langsam veränderte sich die Landschaft, ich saß ständig am Fenster und genoss den weiten Blick. Nachts lullte mich das monotone Rattern der unverschweißten Schienen in einen schnellen, schaukelnden Schlaf. Dann wurde es wieder hell und gebirgig.
Am Abend kam die letzte Passkontrolle, wieder wurde es Nacht. Und dann waren wir auf einmal da: Athen, Hauptbahnhof, kurz nach Mitternacht, mit zehn Stunden Verspätung. Es machte nichts. Die Nacht war kurz, aber vom Programm hatten wir nichts verpasst. Müde und glücklich saßen wir am nächsten Morgen am Frühstückstisch des einfachen Hotels unweit des Monastiraki und befüllten uns mit starkem Kaffee. Rübenach, den alle Griechen nur „Irakli“ riefen, wegen seiner hünenhaften, muskulösen und nicht ganz schlanken Statur, seines rotblonden Haares und Vollbarts erinnerte er sie offenbar an Herakles, verkündete mit sonorer Stimme den Aufstieg zur Akropolis, gleich am ersten Tag.
Etwas Schöneres hatte ich noch nie gesehen
Wir sammelten uns am Monastiraki, dem Platz des Klösterchens. Er war quirlig, lebhaft und irgendwie kleinstädtisch-beschaulich inmitten der weißen, südländischen Großstadt. Morgens um neun war es schon heiß in diesem Frühjahr. Ich warf einen Blick auf die schattigen Gässchen der Plaka zur Rechten, der Altstadt, in der es alles zu kaufen gab von Nippes über Kunsthandwerk und Militaria bis hin zum Parteiabzeichen der NSDAP, das friedlich neben irgendeinem sowjetischen Orden hinter einem vergitterten Schaufenster gleich vorn an der Ecke lag. In West-Berlin, dem Ausgangspunkt unserer Fahrt, hatte ich dergleichen noch nie gesehen. Die meisten Geschäfte aber hatten ihre blassgrünen oder grauen Rolläden noch geschlossen oder öffneten sie erst; beinahe zeitgleich klappte oder kurbelte der Ladenbesitzer die farbigen Markisen aus zum Schutz der Kundschaft vor der nimmermüden Sonne Athens.
Wir waren vollzählig und zogen los, bogen um eine erste Ecke, ein paar Säulen aus der Römerzeit zur Linken, und die Straße stieg an, wurde schmaler, zu einem gut befestigten Weg, gesäumt von immer kleiner werdenden Häusern hinter ebenso kleinen, üppigen Gärten, blühenden Pflanzen hinter rostigen Gittern, und noch weiter hinten leuchteten schon im Frühjahr die violetten Kronblätter der Bougainvilleen. Dann, von links, ein gelbes Licht. Ich hob den Kopf, und da sah ich sie, die leuchtende Nordmauer der Akropolis, die weit oben in ihr verbauten Säulentrommeln des ersten Athenatempels, den die Perser schwer beschädigt haben mussten, noch vor seiner Vollendung; denn den Trommeln fehlten noch ihre Kehlungen, die Kannelüren. Darüber das Erechtheion, und immerhin schon eine Ecke des Giebels des Parthenon. Etwas Schöneres hatte ich noch nie gesehen, abgesehen vielleicht von Sigrid, in die ich damals verliebt war, glücklos. Sie war nicht mit auf der Reise.
Der Weg wurde steiler, und Rübenach machte Tempo. Wir kamen ein wenig außer Puste. Dann bogen wir ein paarmal hin und her, und da waren sie doch schon, die Propyläen. Selbst in diesem Zustand, die vorderen Säulen nur Stümpfe, geboten sie Bewunderung, Ehrfurcht, erzeugten Gefühle von Erhabenheit und Würde. Ihre Treppen waren schon gesprenkelt mit Menschen, die aufstiegen wie wir. Irre, sagte Dorothee, und mein Freund Michel, immer gern trocken und zackig wie ein preußischer Leutnant, machte den Kopf schief und sagte: Perikles… Schöne Sache... kolossal. Das war das Maximum des Lobes, dessen er Gebrauch machte, immer mit einem Schuss Bildung garniert. Ich grinste. Dermaßen pubertierend und nachdenklich im Wechsel, erreichten wir schon fast den überdachten hinteren Teil des Torbaus, verdrehten uns die Köpfe nach dem kleinen Niketempel oben zu unserer Rechten. Die Mauern darunter sehen wir uns nachher an, rief Rübenach mit seiner sonoren Stimme, das Pelargikon, den ältesten erhaltenen Teil des Mauerwerks, gemauert vielleicht noch vor der mykenischen Zeit.
Athene persönlich!
Die Propyläen öffneten sich, und noch etwas höher, halb zu unserer Rechten, lagen viele größere und kleinere Marmorblöcke, Teile von Säulen, Spolien, und in der gleißenden Vormittagssonne thronte strahlend darüber der Giebel des Parthenon, von sechs Säulen getragen, zugleich massiv und elegant. Damals bestand der Weg für uns Touristen noch aus Holzplanken. Wir umrundeten den Parthenon, flanierten an der Nordseite Richtung Erechtheion, als sich plötzlich unsere Meute teilte. Eine hochgewachsene, schlanke Dunkelhaarige mit graublauen Augen in einem elegantem, weiten, wehenden und hellen Kleid, vielleicht vierzig Jahre alt, sah ich durch unsere Reihen hindurchgehen, in Begleitung zweier Männer in Anzügen, einer mit Aktenkoffer. Athene, rief Herr Rübenach laut und lachend, Pallas Athene persönlich begrüßt uns! Atana-Potinija, die Herrin. Er kannte sie, sie war eine der Direktorinnen der Akropolis oder des Museums, das sich damals noch in der Südostecke hinter dem Parthenon befand, das weiß ich nicht mehr genau; nur, dass ihre Erscheinung nicht besser hätte passen können, würdig und stolz wie die Göttin selbst.
Weiter gingen wir, zum Erechtheion, vor den Ölbaum, den die Perser verbrannt hatten, und der am nächsten Tag schon wieder ausschlug, nun längst eingegangen und neu gepflanzt von einer preußischen Prinzessin. Selbstverständlich schlenderten wir nicht nur, wir hatten Referate geschrieben, freiwillig, sogar Eltern, Verwandte und Freunde, und Rübenach hatte der griechischen eine Menge Schriftstücke mit sehr bedeutenden Stempeln und Siegeln abgepresst, da selbst organiserte Führungen eigentlich verboten sind; er aber hatte es erreicht, mit fließenden Kenntnissen des Neugriechischen und zuweilen anderen flüssigen Substanzen, die den Geist beleben, wie er schmunzelnd bekannte, alles für seine Truppe mit dem Hintergrund und Horizont eines humanistischen Gymnasiums im Herzen von Berlin-Wilmersdorf.
Und so hörten wir dort oben so ziemlich alles von Kekrops über Erechtheus und Erichthonios, Peisistratos, Solon und Themistokles bis hin zu Perikles, komprimiert in vier oder fünf Referaten. Ich selbst sollte erst viel später dran sein, in Knossos, als Assistent von Michel, denn er war eine Klasse über mir und hatte schon unser Altgriechisch im Leistungskurs. Neben ihm stand ich dann schweigend noch eine ganze Weile an der Südostmauer, neben dem alten Akropolismuseum, unweit der großen griechischen Fahne. Blauweiß, Bayern, sagte Michel, noch immer ganz Preuße. Oder Spartaner. Wieder hielt er den Kopf schief und lächelte ironisch. Klar, antwortete ich in angemessener Weise. Unser Blick über die Stadt dagegen war reich und weit, die typische Athener Dunstglocke hatte ihren damaligen Zenit noch nicht erreicht, der kam erst gegen Abend, wenn es windstill wurde, und der Berufsverkehr entlang Sindagma und Omonia mit Gehupe und Stop-and-Go für genügend Smog gesorgt hatte. Alle Autos waren alt, denn die sozialistische Regierung der PASOK hatte enorme Importsteuern erhoben.
Seither habe ich die Akropolis noch dreimal bestiegen, zuletzt 2002, lange her, viel zu lange. Meine Sehnsucht wächst, und wieder wird es nichts damit, dieses Jahr. Wer soll auf die Hunde aufpassen? Die Entscheidung zwischen der Liebe zu den Hunden und zu Athene wiegt schwer, vor allem, wenn sie zugunsten der Hunde ausfällt, die eher der Artemis heilig sind. Wird Athene mir verzeihen? Vielleicht, wenn ich zugebe, dass ich ihr bei allen vier ihrer Audienzen die falschen Fragen gestellt und ihr vor allem keine Rosen dargebracht habe, an die Stelle ihres Altars zwischen Parthenon und Erechtheion und den kaum noch sichtbaren Ruinen des Tempels ihres Vaters, des Zeus?
Athene mit dem Herzen sehen
Tatsächlich, jetzt erst, mit fast sechzig Jahren, das Herz voller Sehnsucht, habe ich begriffen, was ich da gesehen habe, was die Athener dort verehrt haben. Es ist die herrliche Athene selbst, in ihrer Dreifaltigkeit sogar. Der Besucher, ach was, der Pilger, soll zuerst den kleinsten ihrer Tempel sehen, den ionischen, den der Nike. Es ist nicht der Tempel des Sieges der Athener, es ist der Dank der Athener für ihre Siege an die Göttin Athena Nike, die Athene in ihrer kriegerischen Gestalt.
Dann soll er nicht geradeaus gehen, sondern nach links, wo der alte Athena-Tempel einst stand, wohl noch lange, als Ruine der Perserkriege, aus dem in letzter Sekunde das alte hölzerne Kultbild gerettet worden war, vielleicht noch aus mykenischer Zeit. Zuletzt stand es dann in der Osthalle des Erechtheions, zur immerwährenden Verehrung Athenes als Athena Polias, uralte Schutzgöttin der Stadt, der wohl schon die mykenische Fürstin gedient hatte als ihre Oberpriesterin.
Dann erst sollte sich der Gläubige wenden, zu ihrem Altar hin vor dem Tempel ihres Vaters, und erst zuletzt zum alles überragenden Tempel der Athene in ihrer dritten Gestalt, der der Athena Parthenos, der göttlichen Jungfrau, mit der riesigen chryselephantinen Statue, die gar nicht nach Koré, junger Frau, aussah wie das alte Kultbild, sondern wie die Personifikation der erhabenen göttlichen Macht einer Frau, die alles überragt.
Die Kopf-Geburt einer Göttin
Warum nur nannten die Athener sie dann Parthenos, Jungfrau, wenn sie sie doch als eine Erwachsene verehrten? Gewiss, in den Boulevardzeitungen des Mythos war Athene skandalfrei, ganz im Gegensatz zu Artemis oder gar Aphrodite; gerade die Affären der Letzteren waren Legion. In Athene aber vereinigten sich unantastbare Schönheit, Weisheit, Selbstbestimmtheit und Heldenmut. Sie war für die Frauen des alten Griechenlands damit äußerst ungewöhnlich. Ihre Geschlechtsgenossinnen wurden erzogen, ein nicht ungebildetes, aber streng häusliches Leben zu führen, hatten keine Mitsprache in der Volksversammlung, und zu den Waffen, zu Schild und Speer ihres göttlichen Vorbilds, durften sie nicht greifen. Athene, haben die Linguisten herausgefunden, ist wohl kein griechischer Name, eher ein anatolischer wie jener ihres Bruders Apollon, oder ein minoischer, und ihre Vorbilder stammen aus einer Welt, in der die Frauen das Sagen hatten, jedenfalls viel mehr als in der klassischen Zeit. Und auch Parthenos ist wohl nicht griechisch. Es hat auch keine Entsprechung in einer anderen der indoeuropäischen Sprachen. Die alten Athener verehrten eine Göttin, die gar keine Griechin war!
Und warum steht der Parthenon, einst mit dem Standbild, das längst verschwunden ist, erst seines Goldes beraubt aus fiskalischen Gründen, dann vielleicht nach Konstantinopel gebracht und zuletzt dort verbrannt, mit dem Blick nach Osten zum Tempel des Zeus? Weil er der oberste Gott war, ihr Vater, dessen Wohlwollen sich die Stadt auch noch versichern musste, klar. Das ist nicht alles. Thukydides berichtet, vor den Athenern hätten Pelasger die Stadt bewohnt. Das Pelargikon, uraltes Mauerwerk am Fuße des Niketempels, zeugt davon. Und Pelasger, schwer zu fassen, könnten Verwandte der Tyrrhener gewesen sein, der Etrusker! Im Etruskischen gibt es eine Art juristischen Begriff für eine Stief- und Adoptivtochter, vielleicht auch für eine freigelassene Sklavin, die in der Familie bleibt. Ich denke, kein Grieche hat ohne Fremdsprachenkenntnisse herleiten können, woher Parthenos stammt. Aber ein Etrusker hätte verstanden: sech farthana, so lautet der Begriff, Tochter farthana, die gemachte Tochter. Farthana – Parthenos.
Und genau das ist sie, meine Athene! Wir erinnern uns: Sie ist eine Kopfgeburt des Zeus, eine Parthenogenese seines Gehirns. Er, der Göttervater, wünschte sich so sehr eine Tochter, eine schöne, schlanke, hochgewachsene mit graublauen Augen, scharf und klar wie die einer Eule, intelligent wie er selbst, sportlicher, wehrhafter und mutiger als alle Krieger, und, ach, keusch… keuscher als er, selbstredend, nach seinen tausenden Affären. Unsterblich sollte sie sein, und nicht so missmutig wie Hera, seine Frau, bei der ich immer an Adele Sandrock in dem köstlichen Film „Amphitryon“ denken muss. Rundheraus, eine Zeugung zur linken Hand mit irgendeiner Nymphe kam ebenfalls nicht infrage. Das bereitete Zeus, so die Legende, derart heftiges Kopfzerbrechen, dass er rasende halbseitige Kopfschmerzen bekam, Sehstörungen, Übelkeit, und am Ende verlor er das Bewusstsein. Ein schwerer Fall von Migraine accompagnée, möchte man meinen, der geistig hoch Gestressten durchaus passieren kann. Doch dann, als Zeus erwachte, begriff er es: In seinen Armen lag eine kleine Tochter, ein Säugling noch, aber mit wunderbaren graublauen Augen und glänzenden, dunklen Haaren, rosig und schreiend und dann wieder lächelnd, in den Armen ihres Vaters. Zeus hatte sie gemacht, ganz allein, in und aus seinem Geiste hatte er allein sie gemacht. Farthana, Parthenos. Zeus gab sie zu einer Amme, und von deren früh verstorbener, gleichaltriger Tochter Pallas nahm Athene selbst, in Trauer und Gedenken, ihren vierten Beinamen an, Pallas Athene.
In der Nähe des Zeus aber, ihres stolzen und mächtigen Vaters, ist sie nicht Pallas die Freundin, nicht Nike-Promachos, die Siegreiche, nicht Polias, die Stadtgöttin, bei ihrem Vater ist sie Parthenos, das göttliche Kind allein seines Geistes. So versicherten sich die Athener ihrer, Athenes Dreifaltigkeit, jener der Siegerin im Krieg, der Beschützerin ihrer Stadt; und sie wussten, wes Geistes Kind sie war, das Kind des Höchsten. So versicherten sie sich zugleich aller ihrer mächtigen Formen, ihres Zaubers, der bis heute über ihrem größtem Heiligtum liegt, der Akropolis.
Aus der Zauber
Übrigens ist der Abstieg von der Akropolis genauso schön wie der Aufstieg, nur sentimentaler. Der geistige Abstieg meines eigenen Landes dagegen ist unerträglich. Ihm mangelt es an allem, an Schönheit, an Wehrhaftigkeit, an Weisheit sowieso. Darum schreibe ich nicht mehr viel. Ich hasse es, Eulen nach Spree-Athen zu tragen.
Vor mir liegen die alten Fotobände „Akropolis“, jene mit den überwältigenden schwarzweißen Aufnahmen von Walter Hege aus den späten 1930er Jahren und von Kazimierz Michalowski aus den mittleren 1960ern, ich blättere in ihnen, als hätte ich Heimweh. Gestern habe ich mich eine ganze Weile in die Küche zurückgezogen. Es gab Bifteki mit Choriatiki, mit Schafskäse gefüllte Rindfleischbuletten aus der Grillpfanne, dazu Bauernsalat mit echtem griechischen Schafskäse und Oliven aus Kalamata. Das hat mit Athene, der Hochverehrten, der Erhabenen, der Dreifaltigen aus Sieg und Schutz und Kopfgeburt, nicht viel zu tun, von ihrem heiligen Ölbaum vielleicht abgesehen. Aber alles andere hat. Es ist mir, mit Uvo Hölscher, das nächste Fremde. Ein Begriff, den eines unserer „Leitmedien“ erst wortreich in den Dunstkreis des Reaktionären zieht, um ihn am Ende zu verteidigen. Alles Klassische ist suspekt, rechts zu sein. Ja, damit kann ich, damit will ich leben! Hölschers 1994 bei C.H. Beck erschienenes, gleichnamiges Buch ist nur noch antiquarisch zu beziehen, und Hölschers Spuren im Netz werden spärlich. Sein Buch ist mir ein Halt in einem haltlosen Land, das mir so fremd geworden ist.
Auf Athene!
Das griechische Essen aber war köstlich. Einfach und ganz nach meinem Geschmack. Und so erhebe ich mein Pressglas voll Retsina, danach dasselbe voll Ouzo, aber verdünnt mit Wasser, denn kein Grieche kippte ihn je als kalten Schnaps herunter wie ich als Deutscher die täglichen Nachrichten, also: Ich erhebe mein Glas auf die göttliche Athene! Möge sie ihre alte Stadt noch lange beschützen. Uns aber, uns gnade Gott.
Dr. med. Jesko Matthes, Alumnus der Studienstiftung des Deutschen Volkes, immunologische Promotion über Tumornekrosefaktor- und Lymphotoxin-Messung, auch in virustransfizierten Zelllinien maligner Lymphome. Notarzt mit LNA-Qualifikation. Er ist Arzt und lebt in Deutsch-Evern.
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Das ist wirklich sehr schön zu lesen, was Sie geschrieben haben. Auch ich greife gerne zu etwas “verstaubtem” Griechischem, um mich von der Jetztzeit zu erholen: die Werke von Aristoteles und Platon. Schon während meines Studiums an der Uni hatte ich eine instinktive Neigung dazu und besuchte bevorzugt Seminare, in denen deren Werke behandelt wurden. Ich hatte in Sachen Denkwelt schon vor über 40 Jahren Abschied von der Gegenwart genommen. Nichts gegen technologischen Fortschritt, aber was an gesellschaftlichen Entwicklungen seither kam, war nur Schrott. Das Neueste, was an Schriften und Denke so an mich herangeht, ist 19. Jahrhundert oder bestenfalls frühes 20. Jahrhundert. Eigentlich alles, was danach kam, ist sozialdemokratisch verseucht - also Wasser auf die Mühlen der Sozialdemokratie, wie Theodor Fontane sagen würde.
Athene ist das männliche Idealbild für eine gebildete und schöne Frau: sie muss asexuell sein, um das Idealbild durch natürliche Gefühle oder sexueller Hingabe (jeder Orgasmus ist ein kleiner Tod) nicht zu zerstören.
Ein toller Beitrag. Der neue Zustand der Kulturlosigkeit macht mir auch schwer zu schaffen. Aber es müsste gar nicht unbedingt das alte Griechenland sein.
Sehr schöner Text! Ich war 1989 kurz vor dem Fall der Mauer auf der Akropolis und habe es ganz genauso erlebt. Europa braucht eine neue Renaissance, um wieder atmen zu können, dafür ist das griechische Erbe unerläßlich.
Der geistige Abstieg lässt sich gut am Wandel der “Merian”- Hefte verfolgen. Von einem anspruchsvollen Kunst- und Kulturführer zum bunten Touristenmagazin. Von ehemals intelligenten Zeitungen wie der FAZ ganz zu schweigen.
Es gab noch nie so klare Fronten, Griechenland, die Wiege der Demokratie, zum Deutschen Sarg, das Ende des Abendlandes. Ich weiß schon was gespielt wird, Schlager, Schlager, seichte Schlager ...
Jaja,die gute alte Zeit! Hatte aber nicht jeder: “Sklaverei war im antiken Griechenland ein wesentliches Element der Wirtschaft und Gesellschaft. Sie wurde dort als eine selbstverständliche, unabdingbare und natürliche Einrichtung angesehen. Antike griechische Kritik an der Sklaverei ist kaum überliefert”(Quelle Wikipedia).Vgl. :“Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell sich eine miserable Gegenwart in eine gute alte Zeit verwandelt.“(Gustav Knuth)