Nachdem die sibirische Kälte doch noch Berlin erreicht hat, gibt es Vorkommnisse, die sehr an DDR-Zeiten erinnern. Als Blitzeis die Stadt überzog, dauerte es fast einen ganzen Tag, ehe die Hauptstraßen eisfrei waren.
Auch die Gehsteige wurden zur Gefahrenzone, weil die Räumdienste nicht in der Lage waren, mitten im Winter auf winterliche Verhältnisse angemessen zu reagieren. Wer Glück hatte, fiel in einen der immer noch zahlreich herumliegenden Weihnachtsbäume, wer Pech hatte, schlug hart auf.Um die schönen Seiten des Winters dennoch genießen zu können, zog es Silvia Meixner und mich an den Schlachtensee.
Berlin hat durchaus seine Vorteile. Wir lieben die S1, die wie an einer Perlenschnur die kostbarsten Seiten der Stadt an ihrer Strecke aufgereiht hat: vom Schloss Oranienburg mit seinem rekonstruierten Park im Norden, über den Summter See, die Schönholzer Heide, Gesundbrunnen, Oranienburger Straße mit ihrer prächtigen Synagoge, Friedrichstraße, Brandenburger Tor, Potsdamer Platz in den Südwesten bis nach Wannsee oder Potsdam. Je weiter man nach Westen fährt, desto prächtiger und zahlreicher werden die Gründerzeitbauten.
Es ist, als wäre der Roten Armee der Atem ausgegangen, je weiter sie in die Stadt vordrang. Die Kriegsschäden sind sichtbar geringer als im Ostteil. Hinter dem Mexikoplatz werden die Mietshäuser abgelöst von schmucken Villen, die zwischen hohen Kiefern stehen. Der Blick aus dem Fenster versetzt in Urlaubsstimmung, besonders an Tagen wie diesem, wo eine strahlende Wintersonne den Schnee auf den Bäumen zum glitzern bringt und die kalte Luft leicht und klar ist. Am Schlachtensee ändert sich das Landschaftsbild. Die typische glaziale Rinne, in der sich der fast südlichste See der Grunewaldseenkette schlängelt, zählt noch zur Hochfläche Teltow, was man aber nur am Steilufer der Südseite erkennt. Der Wald besteht hier aus Buchen und Ahorn.
Der sanfte Hang, der von der S-Bahnstation zum See führt, ist fest in der Hand rodelnder Kinder. Aber schon nach ein paar Schritten auf dem Uferweg herrscht Stille. Der See ist fast zugefroren. Eine leichte Schneedecke verhindert, dass die Fragilität der Eisfläche zu erkennen ist. Die Berliner Rundfunksender warnen stündlich davor, das Eis zu betreten, die Frostperiode war noch zu kurz, um für Stabilität zu sorgen.Trotzdem ist ein Verrückter mit seinem Fahrrad über den See gelaufen, nur um festzustellen, dass er nicht ans andere Ufer kommt . Er muss zurück und irrt längere Zeit herum, auf der Suche nach einer sicheren Stelle, die ihm erlaubt, wieder festes Land zu betreten.
Silvia macht sein Anblick nervös. Sie denkt laut darüber nach, ob wir ihn retten müssten, wenn er einbricht. Vor diese Entscheidung werden wir glücklicherweise nicht gestellt. Die gut gekleideten Spaziergänger, die am Südufer, in der Nähe der Parkplätze zahlreicher sind, meiden die Gefahr und genießen das romantische Licht, das die Nachmittagssonne über den See und seine Besucher ergießt und den See in ein Gemälde von Caspar David Friedrich verwandelt.
Am Ende des Seerundgangs erwartet uns der „Seestern“, eine rustikale, gemütliche Kneipe mit Kachelofen und phantastischem Käsekuchen. Wir verpassen beinahe unsere S-Bahn. Aber an diesem Tag öffnet der Fahrer nach dem Abfahrtssignal die Tür noch mal für uns. Berlin kann wunderbar sein!