Auch Schweden will jetzt Kinder impfen

In den letzten Monaten hatte ich einige Male die Gelegenheit, den „schwedischen Coronaweg“ zu loben. Zuletzt hier zur Kinderimpfung  und hier zur Beendigung fast aller Maßnahmen. Leider muss ich nun (16.9.) berichten, dass die schwedische Gesundheitsbehörde ihre Bewertung der Kinderimpfung (12- bis 15-Jährige) revidiert hat. Ab Anfang November soll allen 12- bis 15-jährigen Kindern eine Coronaimpfung angeboten werden. Möglicherweise hängt der Zeitpunkt mit der britischen Entscheidung von vor zwei Tagen zusammen. Schweden wollte vielleicht nicht schon wieder das einzige Land sein, das abweicht.

Nachdem noch Anfang September die britische JCVI es abgelehnt hat, die Impfung von Kindern (12 bis 15) zu empfehlen, entschieden vor zwei Tagen die vier verantwortlichen „chief medical officers“ Großbritanniens, nichtsdestotrotz allen Kindern (12 bis 15) eine Einzelimpfung (konkret eine einzelne Injektion mit dem Pfizer/BioNTech-Impfstoff) anzubieten.

Anzubiete, heißt hier konkret, dass Impfungen an den Schulen durchgeführt werden; Eltern werden gebeten, dies zu genehmigen, aber falls die Eltern dies ablehnen, kann das Kind trotzdem geimpft werden (wenn man beurteilt, dass das Kind dies will und in der Lage ist, eine Risiken-/Nutzen-Abwägung der Impfung selbstständig und kompetent durchzuführen).

Auch wenn ich 20+ Jahre in der Arzneimittelentwicklung gearbeitet und auch einen PostDoc in der Impfstoffforschung absolviert habe, fühle ich mich bei weitem nicht ausreichend kompetent, die Frage der Kinderimpfung in öffentlichem Zusammenhang (z.B. in diesem Forum) wissenschaftlich/medizinisch zu beurteilen. Allerdings fallen mir (abgesehen von der wichtigsten Frage, nämlich, warum nichtmedizinische Gründe – so wie der Schulgang – eine medizinische Intervention bei Kindern rechtfertigen sollen) spontan zwei wichtige, unbeantwortete Fragen zu dem Thema ein. 

Für die Analyse mittelfristiger und langfristiger Nebenwirkungen fehlte die Zeit

Erstens: In Großbritannien soll Kindern eine einzige Injektion mit dem Pfizer-Impfstoff verabreicht werden. Ich weiß aus langjähriger Erfahrung, wie mühselig die Entwicklung eines Arzneimittels ist. Im Normalfall braucht sogar die Entwicklung von Generika mehr als fünf Jahre. Relevante Änderungen (auch wenn sie klein erscheinen) benötigen viel Zeit, weil die Beweislast (zu Recht) von Seiten der Behörden sehr hoch ist.

Hier haben wir jetzt neue Impfstoffe (keine Generika), die anfänglich (nach Rekordentwicklungszeit) notzugelassen wurden. Soweit so gut (oder schlecht, je nach Sichtweise). Die Hersteller haben dann weiter klinische Studien mit Kindern durchgeführt und nachgewiesen (entsprechend den Regeln der EMA/FDA), dass es ausreichend wenige kurzfristige Nebenwirkungen gibt.

Für mittelfristige/langfristige Nebenwirkungen fehlte die Zeit, weshalb u.a. die schwedische Gesundheitsbehörde, aber auch die STIKO und auch die Briten erst mal abwarten wollten. Nach ein paar Monaten hat man sich dann die Ergebnisse der „Versuchskaninchenländer“ angeschaut (d.h. die Länder, die sofort nach Freigabe durch EMA/FDA (Mai 2021) angefangen haben, ihre Kinder zu impfen). Vier Monate später (also jetzt im September) beurteilten dann also auch Großbritannien und Schweden, dass es genug Sicherheitsdaten (z.B. von der Kinderimpfung in den USA) gibt, um eine Impfung zu empfehlen.

Man kann und muss die Art und Weise, wie diese Empfehlung zustande gekommen ist, kritisch diskutieren; vielleicht ist es angemessen, vielleicht nicht (persönlich neige ich zu Letzterem). 

Eigentlich ein totales No-Go in der Arzneimittelentwicklung

Aber was ich gar nicht nachvollziehen kann, ist die Tatsache, dass Großbritannien eine einzelne Injektion durchführen will. Damit weicht man von dem ab, was z.B. Pfizer in seiner klinischen Studie getestet hat. Eigentlich ein totales No-Go in der Arzneimittelentwicklung (siehe oben). Eine solch relevante Abweichung sollte auf ihre Risiken-/Nutzen-Abwägung sorgfältig (will heißen, anhand von klinischen Studien) untersucht werden. Das kann (meiner Meinung nach) in der kurzen Zeit gar nicht, den Regeln entsprechend, erreicht worden sein. 

Es bestehen kaum Zweifel, dass hier aus der Hüfte geschossen wird. Das mag bei der Impfung der älteren Bevölkerung (zu dem Schluss neige ich, auch wenn in diesem Forum viele anderer Meinung sind) gerechtfertigt gewesen sein, sollte aber bei einer so kritischen Frage wie „Kinderimpfung“ ein Tabu sein.

Zweitens: In Großbritannien (wie weiter oben erwähnt) wird man wohl Kinder (zumindestens wenn älter als 13) auch gegen den Willen der Eltern impfen, insofern sie als „Gillick kompetent“ beurteilt werden. 

Ich frage mich, ob dies auch umgekehrt gilt. Will heißen, die Eltern geben ihre Zustimmung („The parents of a young person who has refused treatment may consent for the“), aber das Kind, mit Hinweis auf die real existierenden Impfrisiken (z.B. mit Hinweis auf diesen aktuellen Guardian Artikel), lehnt eine Impfung ab.

Hätte ein solches Kind (eine Impfung ablehnend) auch die Chance, als „Gillick kompetent“ beurteilt zu werden und sich damit gegen seine impf-befürwortenden Eltern durchzusetzen, oder wäre die Ablehnung der Impfung automatischer Beweis für die „Inkompetenz“ des Kindes? 

Nicht geimpfte Kinder haben wohl keinerlei Diskriminierung zu fürchten 

Ich vermute (ohne dies wohl jemals beweisen zu können), dass „Gillick Kompetenz“ daran festgemacht werden wird, dass das Kind der Impfempfehlung des Staates folgt. Kinder, die dies infrage stellen (und sei es noch so kompetent und wissenschaftlich – als Erinnerung: „Wissenschaft“ und „absolute Wahrheit“ sind Antonyme), werden wohl eher als inkompetent identifiziert werden.

Die Tatsache, dass es (meines Wissens) keine guten Antworten zu diesen und wohl vielen anderen Fragen in der öffentliche Debatte gibt, bzw. die Tatsache, dass diese eigentlich recht offensichtlichen Fragen von unseren Leitmedien meines Wissens eher nicht gestellt oder debattiert werden, hinterlässt leider bei mir ein ungutes Gefühl.

Noch ist es so in Schweden, dass wir „frei“ von gesellschaftlichen oder gar gesetzgeberischen Zwängen uns entscheiden können, ob wir unsere Kinder impfen lassen wollen. Die Impfentscheidung wird (wenn es beim jetzigen Status bleibt) keinen Einfluss auf den Schulgang der Kinder haben. Nicht geimpfte Kinder haben wohl keinerlei Diskriminierung oder Stigmatisierung zu fürchten. 

Die Impfung ist ein Angebot und keine moralische Impfpflicht. Wenn es dabei bleibt, kann ich „damit leben“. Nichtsdestotrotz ist der heutige Tag mit der Entscheidung der schwedischen Gesundheitsbehörde – aus meiner privaten Sicht – kein guter Tag.

Foto: Christian Koehn CC BY-SA 2.0 de via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Uta Buhr / 18.09.2021

Na klar, Kl@us Bockenheimer, von Ihnen war nichts anderes zu erwarten als dieser völlig unkritische regierungshörige Kommentar. Haben Sie sich nicht im Blog geirrt? spiegel-, zeit-online und andere Gesinnungsorgane wären doch viel besser geeignet für den Schrott. den Sie abliefern. Zudem - ist “Bockenheimer” Ihr Klarname oder segeln Sie auch gern mal gern unter falscher Flagge? Ihr Schreibduktus erinnert mich stark an einen ehemaligen Kommentator, der wegen ähnlich sinnbefreiter Posts unter den Achsiaten als - freundlich formuliert - reichlich “umstritten” galt.

Bernhard Freiling / 18.09.2021

@Claus Bockenheimer # Lesen Sie auf tichyseinblick doch einfach mal den Artikel zu Corona: “die 3 V: verharmlosen, verschweigen, vertuschen”. Wer braucht da noch Verschwörungstheorien? Oder anders herum: Wie kann das ohne Verschwörung ablaufen?

Walter Weimar / 18.09.2021

Ob sich das Pippi Langstrumpf hätte gefallen lassen?

Rafael Rasenberger / 18.09.2021

Natürliche Auslese. Wer die falsche Entscheidung trifft, könnte aus dem Genpool entfernt werden… kurz- oder längerfristig. Es liegen mittlerweile ausreichend Informationen vor, um sich ein qualifiziertes Urteil zu bilden. Also soll jeder seine Entscheidung treffen - und dann den anderen nicht damit auf den Keks gehen. Wir regen uns alle ja auch “lediglich” über die Nazi-Methoden diverser Regierungen auf, ihre Bevölkerung zu etwas zu zwingen - und nicht über diese Rattengift-Cocktails an sich.

Norbert Gebhardt / 18.09.2021

Als ich vor einigen Jahren von den “deagel-Listen” erfuhr, hielt ich sie für Blödsinn und Panikmache. Heute bin ich mir nicht mehr sicher.

Bernhard Freiling / 18.09.2021

@Claus Bockenheimer # Mir ist das völlig egal, wer “dahinter stecken” könnte. Schwab, Gates, die Klimakirche oder sonst ein Manitou. Völlig schnuppe. Da versuche ich mich an die Tatsachen zu halten. Als da wären: Keine Übersterblichkeit weltweit. Keine außerhalb des Rahmens statistischer Streubreite liegende Übersterblichkeit in D, wenn die demoskopische Veränderung berücksichtigt wird. Ca. 80% der “Covid-Opfer sind jenseits der 80 Jahre. Das Risiko der Jüngeren an! Covid zu versterben ist nicht größer als das Risiko einer “gewöhnlichen” Grippe anheim zu fallen. Das Risiko für Menschen unterhalb von 30 Jahren nähert sich einer 0 an. Angeblich sollen bis Ende 2020 in Deutschland rd 80.000 Menschen an Covid gestorben sein. Lt. Statista insgesamt 92.000. Das heißt, in 2021 bisher rd 12.000. Bedauerlich. Aber deswegen sollen sich 80 Millionen (na gut, jetzt noch der Rest von rd. 24 Millionen, einschl. Kinder, impfen lassen? Wer ist hier paranoid? # Kommen Sie mir nicht mit dem Argument, 2021 seien nur deswegen “so wenig” an Covid verstorben, weil “die Maßnahmen” so gut gegriffen hätten. In den Ländern, wo die Maßnahmen nicht gegriffen haben, weil sie mangels Infrastruktur gar nicht greifen konnten, gibt es kein von allen anderen Ländern abweichendes Geschehen.  Weder in Indien, noch in Indonesien, von China ganz zu schweigen. # Nochmal: Wer ist hier paranoid? Diejenigen, die Paranoia mit ihren Endzeitvisionen verbreiten, oder die “armen Schweine”, die versuchen, sich das Unerklärliche auf irgendeine Weise, und sei es mit halbgaren Verschwörungstheorien, begreiflich zu machen?

Fred Burig / 18.09.2021

@Claus Bockenheimer: “Und wieder bricht ein Stück aus der Argumentationskette der Impfskeptiker und Impfgegner und Coronaleugner und anderer “Fachleute” auf achgut hinsichtlich der Pandemie, die für viele ja gar keine Pandemie war und ist;....” Vielleicht irren sie nur, das wäre ja bekanntlich “menschlich”. Aber wenn sie Äpfel mit Birnen vergleichen und in ihrem vermeintlichen “Siegesgefühl” wirre Aussagen treffen - ohne es selbst zu merken - dann muss man wohl Dieter Bohlen recht geben, indem er sinngemäß sagte: “Erkläre mal einem Bekloppten, dass er bekloppt ist.” Grüße auch an ihre gleichgesinnten Staatspropaganda- Beauftragten im “Achse- Revier”.

Werner Liebisch / 18.09.2021

@Claus Bockenheimer Habe schon viele Kommentare gelesen, aber ihrer ist bisher einer der deppertsten… “Die Pandemie in Rohdaten”, ist Marcel Barz auch so ein Verschwörungsspinner? Kommen Sie Herr Ober-Fachmann, zerlegen sie das Video…

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