Thilo Sarrazin / 13.11.2017 / 06:25 / Foto: Tim Maxeiner / 30 / Seite ausdrucken

Auch ohne Arbeit besser als in der Heimat

Knapp 60 Prozent der Deutschen gehen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach, 5.4 Prozent sind arbeitslos. Ausländer vom Balkan oder aus osteuropäischen Drittstaaten sind zu knapp 40 Prozent sozialversicherungspflichtig beschäftigt, rund 15 Prozent sind arbeitslos.

Ausländer aus nichteuropäischen Asylherkunftsländern sind dagegen nur zu 10 Prozent sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Ihre Arbeitslosigkeit beträgt über 50 Prozent. Die wenigen, die Arbeit gefunden haben, sind fast ausschließlich in ungelernten, einfachen Tätigkeiten. Ihre Abgangschance in Arbeit (also die Wahrscheinlichkeit, innerhalb eines Jahres Arbeit zu finden) schätzt die Arbeitsverwaltung auf zwei Prozent.

Bei diesem Tempo würde es 50 Jahre dauern, bis alle Arbeit gefunden haben. Aber das ist natürlich ein theoretischer Wert. Erstens werden sie älter, zweitens bauen sich ihre Qualifikationsdefizite nicht automatisch ab. Und drittens merken sie beim Warten und Nichtstun, dass der deutsche Sozialstaat sie mit Wohnraum, Krankenversicherung und Geldleistungen gut versorgt. Auch ohne Arbeit ist ihr Lebensstandard weitaus höher als in der Heimat.

Das Problem ist alt

Das Problem entstand nicht erst mit dem Flüchtlingszustrom seit 2015, auch davor waren die Ausländer aus den Asylherkunftsländern kaum in den Arbeitsmarkt integriert. Aber mit dem plötzlichen Zuzug von weiteren 1,5 Millionen vorwiegend jungen Männern hat es sich dramatisch verschärft. Es handelt sich um eine tickende Zeitbombe. Die meisten sind Muslime. Gefühle von Erfolglosigkeit und Nutzlosigkeit können vorhandene Radikalisierungstendenzen verschärfen. Lässt man Familiennachzug zu, so beschleunigt das die Bildung neuer beziehungsweise die Vergrößerung bestehender Parallelgesellschaften.

Das Beste wäre es, diese jungen Menschen möglichst schnell in Arbeit zu bringen oder sie zumindest auszubilden, ehe im Nichtstun Demotivierung und Radikalisierung einsetzen. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Nur, wer kümmert sich darum? Die Behörden – Arbeitsämter und Kommunen – tun es jedenfalls nicht. Sie sind voll mit der Erfassung, Verwaltung und Versorgung von Asylbewerbern und Zuwanderern ausgelastet. Bei den angebotenen Sprachkursen springen die meisten Teilnehmer ab, ehe der Lernerfolg einsetzt. Eine Vermittlung in Lehrstellen gelang nur in seltenen Fällen. Unternehmen zeigen sich wegen des Mangels an Sekundärtugenden bei den jungen Leuten frustriert.

Fünf bis zehn sollen es sein

Kürzlich traf ich eine alte Bekannte, jenseits der aktiven Berufsphase, kulturwissenschaftlich gestählt und in Sozialarbeit erfahren. Sie bringt junge Männer unter den Flüchtlingen und Migranten in Ausbildung und Arbeit. Dazu geht sie in Flüchtlingsunterkünfte und sucht Kandidaten aus, die wirklich wollen und bereit sind, sich anzustrengen. Diese werden von ihr sehr eng und zeitaufwendig über Jahre begleitet. Bei zweien hatte sie bereits Erfolg, bei einem dritten erhofft sie ihn. Für die kommenden Jahre hat sie sich zum Ziel gesetzt, fünf bis zehn junge Asylbewerber in Arbeit zu bringen.

Von Projekten aller Art hält sie überhaupt nichts, es zähle nur die Arbeit am Einzelfall, und diese erstrecke sich regelmäßig über Jahre, wenn sie erfolgreich sein solle. Bei vollem zeitlichen Engagement ergebe sich eine Betreuungsquote von maximal eins zu zehn.  Nach diesem Maßstab braucht man allein für Berlin 5.000 Vollzeitbetreuer, denn in der Stadt leben 50.000 Asylbewerber, die seit Herbst 2015 kamen. Für die anderhalb Millionen im ganzen Bundesgebiet wären entsprechend 150.000 Betreuer notwendig.

Nicht jeder eignet sich zum Betreuer. Es müssen robuste Menschen mit sozialer Kompetenz, großer Motivation und hoher Frustrationstoleranz sein, die Zugang zu Behörden, Firmen und Arbeitsplätzen haben und ihre "Schützlinge" sowohl straff anleiten als auch motivieren können. Mit voller Berufstätigkeit ist solch ein Engagement nicht vereinbar, man ist dazu auf die "rüstigen Rentner" angewiesen. Was ist aber, wenn diese in ihrem wohlverdienten Ruhestand lieber Golf spielen und nach Mallorca reisen, sofern sie noch ausreichend vital sind?

Die Asylbewerber bleiben sich selbst überlassen

In Berlin wird man keine 500 Betreuer mit dem nötigen Engagement und Profil finden, bundesweit ist es nicht anders. Die weitaus meisten Asylbewerber bleiben sich selbst überlassen. Meine Bekannte sagte voller Erbitterung, 15.000 hätte Angela Merkel ja aus humanitären Gründen ins Land lassen können, der Rest sei unverantwortlich gewesen.

Unser Gespräch fand in Berlin-Neukölln statt, so kamen wir auf die dort lebenden Migranten zu sprechen. Meine Bekannte zeigte sich fassungslos, dass exakt die alten Fehler wiederholt werden:

Der Marsch in die Parallelgesellschaften begann nicht in den 60er Jahren mit dem Gastarbeiterzuzug, sondern seit 1973 mit dem Familiennachzug. Dieser führte zur kulturellen Abschottung und zum Transfer traditioneller Clanstrukturen aus dem Maghreb und dem Nahen Osten nach Deutschland.

Die sogenannten Libanon-Flüchtlinge, die Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre nach Deutschland kamen, waren die Keimzelle der arabischen Großclans, deren organisierte Kriminalität heute in Deutschland eine so große Rolle spielt.

Ein Integrationsinteresse gibt es in diesen Gruppen nicht. An die Stelle der von uns erhofften Loyalität zu Deutschland tritt für die meisten die Loyalität zu ihren Großfamilien und die Loyalität zur islamischen Religion, zumeist in ihren wenig aufgeklärten Versionen.

Für die Integration, so meine Bekannte abschließend, sei der größte Teil der in Neukölln lebenden Muslime verloren. Mit der unbedachten Masseneinwanderung seit 2015 haben wir uns ein vergleichbares, nur viel größeres Problem eingehandelt.

Zuerst erschienen in der Zürcher "Weltwoche".

Foto: Tim Maxeiner

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Nico Schmidt / 13.11.2017

Sehr geehrter Herr Sarrazin, diesen Artikel werden wir wohl leider nicht in den deutschen Qualitätsmedien lesen können. Warum nur? MfG Nico Schmidt

Dr. Christian Rapp / 13.11.2017

“Es war ein Fehler, so viele Ausländer ins Land zu holen “, BK Helmut Schmidt, 1981 zitiert im Spiegel Nr 50 1981 “Das Ausländerproblem in Deutschland ist ein Türkenproblem” Thomas Schröer, SPD, ebenda. 35 Jahre nichts dazugelernt,

Gundela Casciato / 13.11.2017

Gestern abend hatte ich einmal mehr ein interessantes Zusammentreffen mit einem Araber und folgender Konversation: “Geh weg du”  -  “Warum sollte ich, schließlich war ich zuerst da” “Scheissegal, geh weg”  -  “Du kommst nicht in mein Land und sagst mir wohin ich gehe.” “Frau Merkel hat mich eingeladen, und JETZT???”  -  “Frau Merkel hat niemanden einzuladen Ausschließlich das DEUTSCHE Volk hat darüber zu bestimmen, nicht Frau Merkel.” “Deutsche Volk geht unter…..wir sind neue Volk.” Warum sollte sich so ein Typ integrieren, arbeiten und Steuern bezahlen? Übrigens mein Mann ist Italiener, seit 40 Jahren Steuerzahler, Italoschwabe. Wir wissen, was jedoch vor allem wie schwer Intergration schon für einen Europäer ist. Und nun 1,5 Mio Araber und Afrikaner. Deutschland hat fertig. Nur gut, dass wir einen ruhigen Rückzugsort haben, sonst würde ich mir Sorgen machen.    

Günter Schaumburg / 13.11.2017

“Was ist aber, wenn diese in ihrem wohlverdienten Ruhestand lieber Golf spielen und nach Mallorca reisen, sofern sie noch ausreichend vital sind?” Lieber Herr Sarrazin, man merkt, das Sie in einer anderen pekuniären Liga spielen. Ich bin Rentner, sehr vital und habe 50 Jahre gearbeitet. Aber ‘Golf-spielen’ und eben mal so nach Mallorca stehen nicht auf meiner Agenda. Aus pekuniären Gründen. Ansonsten aber guter und informativer Beitrag.

B.Rilling / 13.11.2017

Das ist Frau Merkel aber egal. Und ich muss einwenden, ich habe in den letzten Jahren in meinem wirklich sehr männerlastigen Job schon Bekanntschaft mit dem gut angepassten, gut ausgebildeten männlichen Nachwuchs der Einwanderer aus dem arabischen Raum gemacht. Für eine Frau kann das sehr frustrierend sein. Denn wenn sie nur heimlich die Zusammenarbeit boykottieren, dann ist das noch wenig. Ich habe auch schon völlige Ablehnung der Kommunikation mit mir erlebt. Wohlgemerkt, es sind die jungen, studierten Männer. Die älteren Facharbeiter die sind nicht so. Da kommt auf uns Frauen ein großes Problem zu. Darüber sollten wir mal reden!

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