Ansgar Neuhof / 19.06.2024 / 06:00 / 67 / Seite ausdrucken

Auch Nazis kämpften „gegen rechts“

Demonstriert der „Kampf gegen rechts“ wirklich die größtmögliche Distanz zum Nationalsozialismus? Eine Antwort bietet diese kleine Zeitreise.

Gegen rechts, gegen rechts, gegen rechts – in abstoßender Dauerpropaganda beschallen Politik und Medien die Bürger mit dieser Kampfparole. Ob Grüne, SPD oder CDU und FDP: Sie alle wähnen sich im Kampf gegen rechts. Sie „wissen“, wo der Feind steht. „Der Feind steht rechts“ – diese Parole gehört zum Standardrepertoire deutscher Politiker und Medien. Und steht in schlechtester Tradition der Nationalsozialisten. Auch diese „wussten“, wo der Feind – angeblich – steht: nämlich rechts. Und sie propagierten diese Parole auch offensiv. Wer sie heute verwendet, „betet“ auch einen Ruf der (verbotenen) nationalsozialistischen Organisation Hitlerjugend nach.

‚Der Feind steht rechts‘ Der Ruf der Hitlerjugend“, so titelte die Deutsche Reichs-Zeitung am 15.06.1934. Sie zitierte aus einem Bericht des Deutschen Nachrichtenbüros: „Wenn man früher gesagt habe, der Feind steht links, so rufe heute die Deutsche Jugend ins Volk hinein, der Feind steht rechts. Jener Teil von Reaktionären sei noch heute sehr groß, der all die Miesmacher und Nörgler umfasse, die aus dem Kreise des deutschen Bürgertums kommen.“ [Das Wort Querdenker war wohl noch nicht in Mode gekommen.] 

Es handelte sich dabei nicht um eine einmalige Aussage, sondern – in den Worten der deutschsprachigen Auslandspresse – um einen „Hetzkampf der Hitlerjugend“, der auch mittels dieser Parole geführt wurde. Das Pariser Tageblatt, eine von Emigranten in Frankreich herausgegebene Tageszeitung und laut Wikipedia wichtigstes Sprachrohr deutschsprachiger Autoren im Ausland, kommentierte am 17.06.1934 eine Rede des Vizekanzlers von Papen (die es „die erste Oppositionskundgebung eines Kabinettmitglieds der Hitlerregierung“ nannte) wie folgt: „Herr von Papen hat gegen die Unterdrückung des Christentums gesprochen und davor gewarnt, den Kampf gegen die Miesmacher zu übersteigern, indem man gegen Leute vorgeht, die nichts weiter seien als ‚verzweifelte Patrioten‘. Das war die Antwort auf den Hetzkampf der Hitlerjugend mit der Parole: ‚Der Feind steht rechts‘.“ 

Hitlers Unterführer: Der Feind steht rechts, unsere Fahne ist rot und wir sind Sozialisten

Der Kampf der Nationalsozialisten gegen rechts begann nicht erst nach der Machtübernahme 1933. Schon vorher führten sie diesen Kampf. Das Sauerländische Volksblatt beispielsweise titelte am 12.10.1932 auf S. 1: „Hitlers Unterführer schreiben: ‚Der Feind steht rechts“. Im Artikel wird der Ortsgruppenleiter von Jessen wie folgt zitiert: „Der Feind steht rechts, unsere Fahne ist rot und wir sind Sozialisten.

Wer also heute die Parole „Der Feind steht rechts“ verwendet, bedient sich nationalsozialistischer Propagandasprache und – gemessen an den Kriterien, die kenntnisarme Juristen bei der Parole „Alles für Deutschland“ zugrunde gelegt haben, wird man wohl sagen dürfen: – einer strafbewehrten Parole einer verfassungsfeindlichen Organisation. Beispielhaft für viele heutige Verwender sei verwiesen auf die SPD-Bundestagsfraktion (siehe hier), die SPD-Landtagsfraktion von NRW (siehe hier), auf Thorsten Schick, den Landesfraktionsvorsitzenden der CDU in NRW (siehe hier), auf Armin Laschet, den früheren CDU-Ministerpräsidenten von NRW (siehe hier), auf den früheren SPD-Vorsitzenden von NRW, Thomas Kutschaty (siehe hier) und auf die Zeitung TAZ (siehe hier).

Nazi-Parole institutionalisiert

Selbstverständlich war die Parole „Der Feind steht rechts“ keine Erfindung und kein Alleinstellungsmerkmal der Nationalsozialisten. Sie gab es schon in der Kaiserzeit und natürlich auch in der Weimarer Republik. Sie wurde auch von Sozialdemokraten, Zentrumspolitikern und Liberalen verwendet, auch gegen die Nationalsozialisten. Das war bei der Parole „Alles für Deutschland“ aber ganz genau so (siehe hier und hier).

Näheres zur Historie der Parole „Der Feind steht rechts“ in Kürze in einem eigenen Artikel. Eines aber schon vorab darüber, wie man bereits in der Kaiserzeit diese Parole wahrgenommen hat. Bei der Bergisch-Gladbacher Volkszeitung vom 08.06.1914 hieß es auf der Titelseite: „Aber es soll also … für die Liberalen bei der Fortsetzung des von Herrn Bassermann mit dem Schlachtrufe ‚Der Feind steht rechts‘ in Szene gesetzten Vernichtungskampf gegen die konservative Partei verbleiben …“. Ein hartes Wort, aber dient sie heute anderen Zwecken?

Im Unterschied zur Parole „Alles für Deutschland“ ist die Parole „Der Feind steht rechts“ nämlich eine Losung, die den politischen Gegner zum zu bekämpfenden Feind erklärt, die explizit gegen andere Menschen gerichtet ist, also menschenfeindlich ist. Man könnte auch das Modewort „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ verwenden. Wer die Parole im politischen Kampf gegen angebliche „Nazis“ benutzt, muss wissen, dass er sich zumindest propagandistisch selbst als Wiedergänger der „Nazis“ betätigt. Und das gilt natürlich auch für den, der die „Nazi“-Parole in seiner abgeschwächten, mittlerweile institutionalisierten Form „(Kampf) gegen rechts“ benutzt. Die dahinterstehende Denkweise ist die gleiche.

Auch die Sozialdemokraten riefen: „Der Feind steht links“

Wo es den Feind rechts gibt, gibt es ihn auch links. Die Parole „Der Feind steht links“ existierte selbstredend ebenfalls. Doch sie ist aktuell nicht, auch nicht in abgeschwächter Form, allgegenwärtig und soll daher nur kurz angerissen werden. Sie war vor allem die Parole der Deutschnationalen. Aber auch die SPD verwendete sie. Das Volksblatt (eine SPD-Zeitung) kommentierte am 19.10.1928 auf S. 13: „Gibt es noch eine zweite Partei, die so bekämpft, so angefeindet, so verleumdet wird, wie die Sozialdemokratische? Nein. Der Feind steht rechts!“ Bis hierhin die (aus heutiger Sicht) zu erwartende Verlautbarung. Nur wenige Zeilen weiter hieß es dann aber: „Der Feind steht links! Arbeiter, Proletarier, verführt und verhetzt, stürzen sich mit Gebrüll und mit der Waffe in der Faust auf ihre Arbeitsbrüder, töten, wo der Geist kapituliert, schreien und toben, wo die Besinnung fehlt und schädigen die sozialistische Arbeiterbewegung mit ihrer Politik, die keine ist, mit ihrer Taktik, die aus Moskau befohlen wird.“ Gemeint waren natürlich die Kommunisten. Merke: Egal, ob man sagt, „Der Feind steht links“ oder „Der Feind steht rechts“ – auf die Sozialdemokraten kann man sich immer berufen.

Natürlich – und damit soll der kleine Ausflug in die Geschichte ein wenig versöhnlich enden – gab es auch Stimmen, die diese Feind-Parolen ablehnten: Beispielhaft sei auf den Kommentar im Märkischen Landboten vom 26.05.1928 auf der Titelseite verwiesen: „Gleichgültig, wie man politisch denkt, das Wort ist unerträglich ‚Der Feind steht rechts‘ oder ‚Der Feind steht links‘. Wann endlich wird über Deutschland ein neuer Geist kommen, der dieses häßliche Wort ‚der Feind‘ tilgen mag!“ Ein wenig mehr Geist darf man den heutigen Kämpfern gegen rechts durchaus wünschen.

 

Ansgar NeuhofJahrgang 1969, ist Rechtsanwalt und Steuerberater mit eigener Kanzlei in Berlin.

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Leserpost

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Sam Lowry / 19.06.2024

Brot und Spiele und Spaltung. Allerdings ist das (Fußball-)Spiel mittlerweile auch zum Politikum verkommen. Ich schaue es mir nicht mehr an… zu woke ;-) Lieber eben im Garten in der Sonne gesessen und gedacht, man müsste es doch wie damals hören, wenn ein Tor fällt. Fehlanzeige. Kein Jubel, keine Fahnen und keine Autocorsos mehr, zumindest keine Doitschen…

Ronald Mader / 19.06.2024

Ich erwähnte ja schon öfter folgende Zitate in meinen Kommentaren. Zu diesem Artikel passen sie besonders gut: “Der Idee der NSDAP entsprechend sind wir die deutsche Linke! Nichts ist uns verhasster als der rechtsstehende nationale Bürgerblock” (Joseph Goebbels, “Der Angriff” vom 6.12.1931. Gerard Radnitzky, Das verdammte 20. Jahrhundert: Erinnerungen und Reflexionen eines politisch Unkorrekten, Seite 162) “Meine gefühlsmäßigen politischen Empfindungen lagen links.” Adolf Eichmann „Wir sind Sozialisten und Feinde, Todfeinde des derzeitigen kapitalistischen Wirtschaftssystems mit seiner Ausbeutung der wirtschaftlich Schwachen, mit seinen ungerechten Löhnen, mit seiner unmoralischen Bewertung von Personen nach Wohlstand und Geld anstatt nach Verantwortung und Leistung, und wir sind entschlossen, dieses System unter allen Umständen abzuschaffen!” (Adolf Hitler 1927). Auf heutige Verhältnisse passt besonders gut: “Die Presse muss ein Klavier sein, auf dem die Regierung spielen kann” Joseph Goebbels “Es ist von lebenswichtiger Bedeutung für den Staat, seine gesamte Macht für die Unterdrückung abweichender Meinungen einzusetzen. Die Wahrheit ist der Todfeind der Lüge, und daher ist die Wahrheit der größte Feind des Staates.“ Joseph Goebbels

Klaus Keller / 19.06.2024

An Mag. Friedrich Kamper: ... den Begriff “rechts” langfristig ausmerzen, sodass hier nur mehr “links” zulässig sein wird. +++ Das hätte den Vorteil das man sich wieder über die möglichen Auswirkungen von Entscheidungen streiten könnte, was Mord und Totschlag im Konfliktfall ja nicht ausschließt. PS Der Rechtsvorrang im Straßenverkehr war eine Idee von einem schon längst verstorbenen Franzosen. Die Briten machen das auch nicht. Ich erinnere noch daran das die Sowjetunion wahrscheinlich an ihren inneren Widersprüchen gescheitert ist. Man muss lernen in solchen Systemen zu überleben. Wenn man Glück hat, überlebt man sie. Ich wünsche allen dabei gutes gelingen.

gerhard giesemann / 19.06.2024

Von kollektiven Lösungsversuchen hält sich der Verständige fern. Das ist was für den Pöbel, soll er’s haben.

Gerd Maar / 19.06.2024

@Thomas Schmied: Katholiken waren in der Tat dem Nationalsozialismus fremd, ganz im Gegensatz zu den deutschen Protestanten, die in Hitler einen neuen Martin Luther sahen (habe ich so von einem Zeitzeugen gehört). Der preussisch-deutschnationale Protestantismus war eine der tragenden Säulen des Nazi-Wählerschaft, diese Tatsache wird aber bis heute von den Medien und der protestantischen Kirche unter den Teppich gekehrt.

Thomas Kurt / 19.06.2024

Erkläre mal dem ARD- und ZDF-gebildeten deutschen Blödmichel, dass der Nationalsozialismus eine linksextreme Bewegung war.

Andreas Mertens / 19.06.2024

Wenn man erst einmal damit angefangen hat Worte zu kriminalisieren weil in der Vergangenheit weltbekannte Schweinehunde Ebendiese auch verwendet haben, dann wird sich über die Zeit ein Haufen von verbotenen Worten/Wortkombinationen anhäufen, der jedwede Kommunikation erstickt.  Das finde ich am amerikanischen Begriff der freien Rede/Meinung so erfrischend. Klar, dort darf jeder Depp seine Naziflagge überm Haus wehen lassen. Spart dem Rest dann allerdings auch die Mühe sich zu fragen wo der Dorfdepp wohnt. Vermutlich spart das sogar den teuren V-Mann. Ich finde jeder sollte das Recht haben sich nach Herzenslust selbst zum Idioten zu stempeln. Nur weil man es ihm verbietet ist ja nicht weniger deppert.

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