Gastautor / 10.02.2018 / 16:00 / Foto: U.S. N.A.R.A / 6 / Seite ausdrucken

Auch das noch: Ministerin für Einsamkeit

Von Ashely Frawley.

Die britische Regierung hat eine Ministerin für Einsamkeit ernannt. In einer Pressemitteilung begründete Premierministerin Theresa May diesen Schritt mit „mehr als neun Millionen Menschen, die sich in Großbritannien immer oder oft einsam fühlen“. Außerdem kündigte die Regierung an, „eine Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Wohlfahrtsorganisationen ins Leben zu rufen, die das Thema gemeinsam beleuchten sollen“. Ziel Mays sei es, „endgültig mit der Annahme aufzuräumen, Einsamkeit sei eine unveränderliche Begebenheit“.

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Politiker unsere Emotionen als politisches Thema aufgreift. Mays Vorstoß erinnert mich an den US-Präsidenten Lyndon Johnson. Der Demokrat wollte in den 1960er-Jahren eine Studiengruppe im Weißen Haus gründen, um amerikanische Ziele in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Glück festzulegen. Dafür erntete er Spott und Hohn.

Ein satirischer Kolumnist schrieb damals: „Der historische Internal Happiness Act, den der Präsident heute vor heiterer Kulisse in Disneyland unterzeichnet hat, wird die volle Konzentration der Regierung auf einen alten Kampf des Menschen lenken. Ab heute kümmern sich Amerikas Politiker höchstpersönlich um unsere Depressionen, Langeweile, Eheprobleme und Minderwertigkeitskomplexe.“ Wenn man auf dieser Liste noch die Einsamkeit ergänzt, erkennt man, wie vorausschauend Satire sein kann.

Natürlich spielen beim Thema Einsamkeit heutzutage sehr viele Faktoren eine Rolle. So lässt sich in unserer Gesellschaft eine fortwährende Individualisierung und soziale Fragmentierung beobachten. Gemeinschaftliche Projekte verschwinden aus unserem Alltag und werden durch Alleingänge ersetzt. Viele Menschen leiden immer noch unter Armut. Dennoch ist es gefährlich, alle gesellschaftlichen Probleme über den Gefühlskamm zu scheren.

Wir sind nett, und die anderen sind es nicht 

Die Art und Weise, wie man eine Problematik definiert, lädt nämlich unausweichlich zu einem bestimmten Lösungsansatz ein. Dieser Aspekt ist mir kürzlich erst begegnet, als ich ein Manuskript redigierte, in der Donald Trumps Politik als völlig substanzlos kritisiert wurde. Der Autor schlug darin vor, der „Politik des Hasses“ mit einer ebenso diffusen „Politik der Liebe“ zu begegnen. Anscheinend also lässt sich der Unterschied zwischen links und rechts anscheinend wie folgt beschreiben: Wir sind nett, und die anderen sind es nicht. Irgendetwas läuft aber grundlegend falsch, wenn das die einzige Kategorie sein soll, mit der sich gegensätzliche Pole eines politischen Spektrums unterscheiden lassen.

Tatsächlich vermag die Sprache der Emotionen politische Gräben zu überwinden. Mithilfe von Gefühlen können Probleme und Lösungsvorschläge als völlig unumstritten dargestellt werden. Emotionen haben einen starken Einfluss auf politisches Denken. Wenn man Themen durch eine emotionale Linse betrachtet, kann Kritik am vorherrschenden Diskurs schwierig werden. Wer befürwortet schließlich Einsamkeit? So können die Konservativen, die sich von ihrem „bösen“ Image befreien wollen, auf einmal als die Sympathischen dastehen.

Diese Art und Weise, Politik zu machen, verwandelt den öffentlichen Diskurs in ein Melodram über Opfer und Schuldige. Politische Kämpfe, bei denen es einst um radikale Veränderungen in Wirtschaft und Politik ging, scheinen sich nun mit der Lobbyarbeit für die Unterstützung einer wachsenden Gruppe von Opfern zu beschäftigen. Die hohe Gewichtung von Gefühlen spornt politische Entscheidungsträger förmlich an, die staatliche Unterstützung auszubauen.

Aufgabe der Politik, das Selbstwertgefühl zu steigern?

An die Stelle des politischen Wandels tritt die therapeutische Suche nach geistigem und körperlichem Wohlbefinden. Mittlerweile zählt es zur Aufgabe der Politik, das Selbstwertgefühl der Menschen zu steigern und ihnen zu helfen, sich weniger einsam zu fühlen. Und wenn sich bald niemand mehr für die Einsamkeit interessiert, mangelt es sicherlich nicht an neuen emotionalen Baustellen, die darauf warten, aufgegriffen zu werden.

Die Politik kann ein Problem wie Einsamkeit nicht lösen. Sie kann es höchstens noch verschlimmern. Themen in der Sprache der Emotionen – oder besser gesagt, des emotionalen Defizits – zu diskutieren, führt häufig zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Vermeintlich emotionale Probleme beschwören wiederum emotionale Lösungen, die zu immer neuen Formen der staatlichen Unterstützung führen. Darüber hinaus empfinden Menschen ihre Psyche unweigerlich als ungesund, wenn man sie dauernd dazu anhält, sich nur auf ihr Inneres zu konzentrieren.

Denn wie John Stuart Mill schon richtig sagte: „Frag dich selbst, ob du glücklich bist, und du hörst auf, es zu sein“. Frage dich, ob du einsam bist, und du wirst bald einsam sein. Es gab Zeiten, da hatten wir höhere Ansprüche an die Politik, als Freunde für uns zu finden.

Dieser Beitrag erschien zuerst in NovoAus dem Englischen übersetzt von Benedikt Teichmann.

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Leserpost

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Thomas Bode / 10.02.2018

Merkel hat gegen den Wunsch von der Leyens den Begriff “HartzIV” beibehalten. Ihre Absicht war ganz klar die Betroffenen weiter zu demütigen. Was unsere wohlversorgten und empathischen Eliten “Anreize setzen” nennen. Ein bisschen Orientierung am Gemeinwohl und “Bruttosozialglück” aller Bürger, wie in Bhutan, wäre durchaus richtig.

Peter Zentner / 10.02.2018

Brillant übersetzt, Herr Teichmann. Mit dem Original eingehend verglichen: Glückwunsch, lieber Kollege!

Karla Kuhn / 10.02.2018

“In einer Pressemitteilung begründete Premierministerin Theresa May diesen Schritt mit „mehr als neun Millionen Menschen, die sich in Großbritannien immer oder oft einsam fühlen.”  Wow, hat Frau May die alle selber gefragt ? Einsamkeit kann etwas sehr entspannendes und inspirierendes sein. natürlich nicht auf Dauer. Aber wenn ich mir heute so bestimmte !! Zeitgenossen anschaue, dann möchte ich lieber allein auf einer Alm leben, als mit diesen an einem Tisch sitzen. “Missionare” für alle Gelegenheiten, nein danke. Wohlstand ( leider nicht für alle) scheint seltsame Blüten hervorzubringen, grotesk.  So kann man auch eine Entmündigung des Volkes vorantreiben. Mal sehen, wann den Grünen die Idee kommt, eineTeller App. gibt es ja schon, auch so eine überflüssige Bevormundung. Meine Mutter hat immer gesagt, wenn es dem Esel….. Wenn die Welt untergeht, können sich die Briten wenigsten trösten lassen von der “Einsamkeitsministerin.”

Werner Arning / 10.02.2018

Unsere Kanzlerin hat doch eine pragmatische Antwort auf das Einsamkeitsproblem gegebenen. Sie holte die Flüchtlinge ins Land. Gerade Menschen in fortgeschrittenem Alter finden in der Betreuung eines Flüchtlings eine neue, ganz unverhoffte Lebensaufgabe. Ihre Einsamkeit ist wie weggeblasen. Die Briten können sich ihren Einsamkeitsminister sparen. Sie brauchen doch nur unsere Kanzlerin um Rat zu fragen.

Gabriele Schulze / 10.02.2018

Ach, seit längerem schon paßt das alte Bild des pragmatischen, schrägen, freiheitsliebenden England nicht mehr in die Wirklichkeit, ein Jammer. What happened?? Und wann kommt irgendein Betreuungsfanatiker hierzulande auch auf diese abstruse Idee, denn da gäb’s dann ja neue Fördertöpfe?!

Wilfried Cremer / 10.02.2018

Besser einsam als in schlechter Gesellschaft.

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