Simon Akstinat / 29.12.2022 / 16:00 / Foto: Pixabay / 21 / Seite ausdrucken

Auch das Celler Loch gehört zum Verfassungsschutz

Nicht selten wird vergessen, dass der „Verfassungsschutz“ ein waschechter Geheimdienst ist, der teilweise mit brachialen Methoden arbeitet.

So wie Freibeuter Piraten im Staatsauftrag waren, so sind Geheimdienste Unterweltler im Staatsauftrag. Dass auch „unser“ Inlandsgeheimdienst kein bloßer Rat weiser Damen und Herren zum Schutz der Demokratie ist, gerät oftmals aus dem Blick, wenn es wieder einmal heißt: „Der Verfassungsschutz warnt vor, bewertet, beobachtet XY zum Schutz unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung“.

Am 25. Juli 1978 um 2:54 Uhr nachts explodiert im niedersächsischen Celle bei Hannover eine Bombe, die ein Loch in die Außenmauer des dortigen Gefängnisses reißt. Als Drahtzieher dieses Anschlags galt die linksextreme Rote Armee Fraktion (RAF), die auf diese Weise offenbar ihr dort inhaftiertes Mitglied Sigurd Debus befreien wollte, in dessen Zelle man nach der Sprengung zudem Ausbruchswerkzeug fand. Das Vorgehen passte zu dem Terroristen und seinen Mitstreitern, denn nicht zuletzt wegen der Beteiligung an zwei Sprengstoffanschlägen saß Debus ein. Wegen des Anschlags und des scheinbaren Befreiungsversuches wurden ihm von nun an strengere Haftbedingungen auferlegt, und 1979 musste er ins Gefängnis Hamburg-Fuhlsbüttel umziehen. Dort beteiligte Debus sich, nachdem Anträge auf Hafterleichterungen mit Hinweis auf den Sprengstoffanschlag von Celle abgelehnt worden waren, im Februar 1981 an einem Hungerstreik, der am 16. April 1981 zu seinem Tode führte.

Acht Jahre bis zur Wahrheit

Es mussten insgesamt acht weitere Jahre ins Land Niedersachsen ziehen, damit 1986 endlich die Wahrheit über den Anschlag vom Sommer 1978 ans Tageslicht kommen konnte – eine Wahrheit, die die Ereignisse von damals in einem ganz anderen Licht erscheinen ließ: Nicht die RAF, sondern der niedersächsische Verfassungsschutz hatte mit Wissen des Ministerpräsidenten Ernst Albrecht die beiden zuvor rekrutierten Kriminellen Klaus-Dieter Loudil und Manfred Berger das Loch in die Gefängnismauer sprengen lassen, um mit diesem Anschlag unter falscher Flagge Loudil und Berger als Informanten in die RAF einzuschleusen. Das Ausbruchswerkzeug in Debus‘ Zelle? Der Verfassungsschutz selbst hatte es dort mit Wissen des Anstaltsleiters Paul Kühling platziert.

Auch westliche Geheimdienste demokratischer Staaten sind also wenig zimperlich und zuweilen sehr überraschend in ihren Methoden (in den Niederlanden gründete das dortige Pendant des Verfassungsschutzes 1970 sogar eigens eine Partei, um so an die Adressen holländischer Kommunisten zu gelangen!). Wie jedoch der Name „Verfassungsschutz“ mit dem Sprengen von Gefängnismauern und dem Unterjubeln gefälschter Indizien vereinbar ist, bleibt rätselhaft. Aber möglicherweise war das Vorgehen des Inlandsgeheimdienstes entsprechend dem Bundesverfassungsschutzgesetz an dieser Stelle sogar legal – politische Konsequenzen hatte der Anschlag für Ernst Albrecht auch nach seiner Aufdeckung jedenfalls nicht.

Es ist das Wesen und der „Witz“ der Geheimdienstarbeit, keine Spuren zu hinterlassen: viel mündlich absprechen, viel bar bezahlen, wenig schriftlich und digital machen. Daher sind für die interessierte Öffentlichkeit die seltenen Fälle, bei denen wie beim Celler Loch einmal „gepatzt“ wird und eine Beteiligung des Geheimdienstes zweifelsfrei bewiesen und in all ihren Details dokumentiert werden kann, umso wertvoller, denn sie weiten den Blick dafür, was auch heute alles möglich ist.

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Leserpost

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Andreas Rochow / 29.12.2022

Immer auf’s Schlimme: Was machen Verfassungsschützer und ein Bundesverfassungsgericht, wenn es gar keine VERFASSUNG gibt? Sie drehen frei und beißen weg, was allzu kritisch daherkommt! Wenn das zum demokratischen Normalzustand werden soll, ist das der offene Abschied vom demokratischen Rechtsstaat.

Hjalmar Kreutzer / 29.12.2022

Nur Satire, frei nach Erich Weinerts „Ballade vom Kaiser Nero“: Frau Faeser war vor Sorge trüb und bang. // Sie klingelte nach ihrem Hadenwang. // „Die Leute geh‘n spazier‘n in Stadt und Land, // Mit einer eignen Meinung, das ist allerhand!“ // Der Haldenwang sprach: „Lass mich spionieren fleißig! // Der Zugriff erfolgt dann um sechs Uhr dreißig.“ // Um sechs Uhr dreißig, als der Zugriff klappte, // Waren gleich tausend Kameras vor Ort. // Ein alter Prinz da vor die Mikros tappte: //„Herr Prinz, was planten Sie da? Auf ein Wort!“ // „Mit dem Wohnmobil wollten wir in den Reichstag rollen. // Mit Pfeil und Bogen dort durch die Gänge tollen.“ // Anderntags tönt es von allen Türmen: // „Die Reichsbürger wollten den Reichstag erstürmen!“ // Oh, Nancy, das geht nicht gut aus. // Denn schließlich kommt es doch heraus. // Und aller Welt wird sonnenklar, // Dass der Putsch eine Schmierenkomödie war!

Andreas Rochow / 29.12.2022

Der Verfassungsschutz war in der Nachfolge des RAF dramatisch erfolglos. Sein krimineller und gewalttätiger Einsatz war nämlich unfähig, den Marsch des Linksextremismus durch die Institutionen aufzuhalten. Heute gilt der Antikommunismus oder jede Kritik an Marx-Lenin-Stalin-Castro-Maduro als einigemaßen unsensibel oder schon als “verdächtig” im Sinne von Gysi, Faeser oder Haldenwang.

Emil.Meins / 29.12.2022

Die Tatsache, daß die Vorgänge um das Celler Loch keine Konsequenzen für Ernst Albrecht hatten, impliziert keineswegs, daß sie “legal"waren. Hat nur niemand was unternommen. Er ist übrigens der Vater von “Röschen” von der Leyen, also steht sie in guter Tradition. Liegt wohl in der Familie, das mit den krummen Touren. Und eigentlich hätte ich mir noch mehr Informationen zu anderen dubiosen Fällen deutscher Geschichte gewünscht, wo die Dienste verwickelt waren und Straftaten begingen, oder deren Aufklärung be-/verhinderten. Stichworte wären NPD, NSU, Barschel?

Roland Müller / 29.12.2022

Bei einem Nachrichtendienstler sollte man nie vergessen, dass er für Lug, Betrug und Straftaten aller Art bezahlt wird.

Thomas Holzer Österreich / 29.12.2022

Now well, vielleicht erfahren wir ja in 8 Jahren, wer für die Sprengung von Nordstream I und/oder II verantwortlich ist.

Hans Meier / 29.12.2022

Danke für diesen Bericht, Herr Simon Akstinat. Wenn man sich die späteren Lebensläufe der Terroristen sorgfältig anschaut, wie sie untergetaucht, oder in Berlin/München Positionen angereicht erhielten, sieht man mit “anderen Augen” etwas heller, im, Sinne von prominente Figuren, die auf sehr vielen “Hochzeiten unerkannt tanzen”. Hauptsache “Prominent”. Kenne ich aus dem ff. Aus Taxifahrerzeiten, wo “die überbürgerliche Reichen-Dame” zum 1. Hotel am Platze fuhr, die ich von der Promotionsfeier ihres Söhnchens fuhr, der mit Hilfe des Corps-Kameraden, ihres verstorbenen Mannes, nun mit “mitte 30 endlich seine akadämliche Doktor-Binde in stozer Würde trug”, eingentlich, erlebte ich “Spitzen-Theater, dort wo ein Pferd, die Bürger beim Theaterbesuch optisch “anwiehert”, zumindest kotzt es nicht, ist wohl “gut erzogen, und aus ausgewählter Zucht”. Das “impo-niert den Herren-Reiter-Rinnen” so mächtig, dass diesen die Verleger, die Hufe & die lackierten Zehen, ablutschen, um es mal Bild-Haft, aus skeptischer Sicht eines “Stall-Knechts” anzubieten, der dem An- und Ab-Halftern, der Tiere zusah, samt dem Ablegen der “Pusch-BH`s” in den “Etablissements” für Prominente Kriminaler, die immer den “freien Schuß als ihr Privileg” genossen. Was glauben Sie denn, wenn der Student, die gesellschftlichen Verhältnisse studiert, den Agenten zuzwinkert und sich, sein Teil denkt? Wenn der Manager mit der Kette am Handgelenk, den Bargeld-Koffer dort abliefert, wo es 03.32 noch warme Hendel gibt, wo vor der Tür ein Typ ne MP aus seinem Mantel zieht, die einem “fuchtelnden Idioten, diese Knarre anbietet”, da schleicht Taxi-Mann, sich besser davop. Mein Leben hielt ich für wertvoller.

Jan Blank / 29.12.2022

Von Ernst Albrecht, dem Vater unserer heutigen EU Kommissionspräsidentin hieß es seinerzeit: Den kannste zu keiner Beerdigung mitnehmen. Auch unsere stets gut frisierte Brüsseler Grinsekatze lässt sich ihre “Green Deal” gute Laune nicht verderben. Schon gar nicht durch tütenweise Schmiergeld bei ihren Kolleginnen. Obwohl - wir haben alle noch Glück gehabt. Ein Sack voll Geld bei einem alten Weißen, eventuell sogar AfD Mitglied? Die Böllerschüsse aus Brüssel würden bis März nicht aufhören…....was ist schon ein Celler Loch gegen eine Brüsseler Tüte?

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