Um niemanden auszugrenzen, scheint heutzutage ja fast jede Institution bemüht, ihr Anliegen auch einfach verständlich, in „leichter Sprache“ zu vermitteln. Da muss manchmal sogar die Geschlechtergerechtigkeit zurückstehen. Ein Beispiel? Die Deutsche Rentenversicherung ist um die verständliche Erklärung ihres Kerngeschäfts bemüht und hat eine besondere Broschüre herausgebracht „Die Renten-Versicherung – in Leichter Sprache“. Wer nun hofft, hier eine verständliche Erläuterung der Rentenformel zu finden wird allerdings enttäuscht. Das Angebot ist niedrigschwelliger.
Wir wollen nicht über Menschen spotten, die auf etwas simplere Erklärungen angewiesen sind. Die Frage, ob dazu nun auch eine Aufmachung wie ein Leselernbuch für Erstklässler nötig ist oder ob es die Zielgruppe, die ja doch eher aus Erwachsenen besteht, nicht zusätzlich vorführt und diskriminiert, stellt sich beim Durchblättern des Heftes allerdings schon. Aber wir wollen an dieser Stelle nicht kleinlich sein, vielleicht hat das ja einen höheren Sinn. Denn diese Broschüre beginnt schon mit einer gewissen Großzügigkeit. Bei leichter Sprache scheinen schließlich sogar Gleichstellungsbeauftragte äußerst milde gestimmt zu sein. Sonst würde dieser Satz doch wohl kaum am Anfang stehen:
“Die Broschüre ist in männlicher Sprache geschrieben.
Im Text steht zum Beispiel nur das Wort Rentner.
Das Wort Rentnerin steht nicht im Text.
Frauen können aber auch Rentner sein.
Wir wollen damit niemandem weh tun.
Alle Menschen sind uns gleich wichtig.
Das machen wir so:
Weil man den Text so besser lesen kann.“
Die Hervorhebungen sind so im Original. Was sagt uns das? Die einfache Sprache ist eine männliche Sprache? Die geschlechtergerechte (oder vielleicht weibliche) Sprache ist hingegen zu schwer für Menschen, denen man die Welt möglichst einfach erklären muss? Das ginge ja alles noch, aber warum darf da fettgedruckt die Erkenntnis stehen: „Weil man den Text so besser lesen kann.“?
Nun gibt es sicher viele Menschen, die dem zustimmen würden und die auch nichts dagegen hätten, das generische Maskulinum auch in ihrer schweren Sprache weiterhin verwenden zu dürfen. Doch wer schwere Sprache versteht, der soll sich mit sprachpolizeilich verordneter Geschlechtergerechtigkeit abmühen. Gute Lesbarkeit spielt da keine Rolle mehr
Und was erfahren wir nun in männlich, leichter Sprache über die Rente?
„Menschen arbeiten.
Dafür bekommen sie jeden Monat Geld.
Von ihrem Arbeit-Geber.
Das Geld heißt Lohn.
Oder Gehalt.
Einen Teil von dem Geld
behält der Arbeit-Geber.
Für die Renten-Versicherung.
Der Arbeit-Geber legt selbst noch mal
genauso viel Geld dazu.
Beide Teile zusammen heißen Beitrag.
Den Beitrag bekommt die Renten-Versicherung:
Damit man später eine Rente bekommen kann.
In schwerer Sprache heißt er:
Renten-Versicherungs-Beitrag.
Der Beitrag ist ein Pflicht-Beitrag.
Das heißt:
Man muss den Beitrag zahlen.
Jedes Jahr wird neu festgelegt:
So hoch muss der Beitrag sein.
Das heißt in schwerer Sprache:
Beitrags-Satz.
Das wird auch jedes Jahr neu festgelegt:
Bis zu diesem Gehalt zahlt man Beiträge.
Das heißt in schwerer Sprache:
Beitrags-Bemessungs-Grenze.
Manche Menschen haben keinen Arbeit-Geber.
Sie haben ihre eigene Firma.
Sie arbeiten selbständig.
Sie zahlen ihren Beitrag allein.
Manche Menschen arbeiten gar nicht.
Sie wollen trotzdem später eine Rente haben:
Sie können auch Beiträge zahlen.
In schwerer Sprache heißen die Beiträge:
freiwillige Beiträge.
Freiwillige Beiträge können hoch oder niedrig sein.
Das kann man sich aussuchen.
Manche Menschen bekommen Geld
von anderen Stellen.
Zum Beispiel wenn sie krank sind:
Sie bekommen Kranken-Geld
von der Kranken-Kasse.
Oder wenn sie arbeitslos sind:
Sie bekommen Arbeitslosen-Geld
von der Agentur für Arbeit.
Sie müssen die Beiträge nicht selbst zahlen.
Die Kranken-Kasse oder die Agentur für Arbeit
zahlt die Beiträge für sie.“
Lachen Sie jetzt bitte nicht. Manchen Menschen muss man das so erklären. Und der Leserkreis könnte in einiger Zeit größer werden. Wenn Kinder, die in gut zehn Jahren geboren werden, irgendwann das Wort „Rente“ lesen und fragen, was das war, dann kann man es ihnen vielleicht genau so erklären. Ungläubig werden sie fragen, ob wirklich alles so einfach geregelt war in der alten Welt. Und je nachdem, wie komplex Ihre Antwort ausfällt, können sie diese dann in leichter oder in schwerer Sprache geben.
Aber Sie finden in der Broschüre leicht verständlich alle Arten der Leistungen der staatlichen Rentenkasse beschrieben und sogar die Erklärung, wie man sie beantragen kann. Das ist heute hilfreich und nach ein bis zwei Rentenreformen oder dem totalen Zusammenbruch des Systems dank des kindgerechten Designs immer noch als Märchen- und Leselernbuch einsetzbar.
Die Broschüre finden Sie hier.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Peter Grimms Blog Sichtplatz hier.