Gibt es eine Negativauslese bei der Asylmigration? Könnte es sein, dass überzufällig häufig diejenigen mit einer Antisozialen Persönlichkeitsstörung zu uns „flüchten“, weil sie hoffen, bei uns ihre unschönen Eigenschaften vergleichsweise ungestraft ausleben zu können?
Jüngst überraschte die größte und bedeutendste deutsche psychiatrische Fachgesellschaft DGPPN mit einem recht umfassenden Positionspapier zu einem Thema, das bereits seit mehreren Jahren viele Menschen in Deutschland umtreibt, bisher aber von der Fachgesellschaft aktiv beschwiegen wurde: „Prävention von Gewalttaten – Aggressives und gewalttätiges Verhalten bei Menschen mit psychischen Erkrankungen: Wie hoch ist das Risiko und wie lässt es sich begrenzen?“ Wer allerdings erwartet, dass es in diesem Papier wesentlich auch um das Naheliegende geht, wird enttäuscht – nämlich um die unrühmliche Rolle der im letzten Jahrzehnt erfolgten Zuwanderung von Asyl-Migranten oder Flüchtlingen, die im Folgenden als AMFs bezeichnet werden.
Der speziellen AMF-Problematik sind auf den immerhin 33 Seiten – plus einem 124 Einträge umfassenden Literaturverzeichnis – lediglich vier (4) Sätze gewidmet. Auch die Nennung konkreter Zahlen für verschiedene, eher unangenehme Sachverhalte wird nahezu durchgängig vermieden. Los geht’s mit der sog. „Kurzfassung“ und damit auch den ersten beiden einschlägigen Sätzen: „Bei der Gruppe der Geflüchteten treffen mehrere Risikofaktoren für Aggression und Gewalttätigkeit zusammen. Gleichzeitig ist der Zugang zur psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung in den ersten drei Jahren ihres Aufenthaltes in Deutschland für sie nur begrenzt möglich.“
Da wird gleich mal eine Teilschuld für „Aggression und Gewalttätigkeit“ an die Aufnahmegesellschaft zurückgegeben, indem ohne jeden Beleg suggeriert wird, die potenziell gewalttätige Fraktion der „Geflüchteten“ wäre wesentlich kleiner, könnten die Betroffenen doch nur – ohne jeden störenden bürokratischen Aufwand – zügig nach ihrer Einreise direkt beim Psychiater oder Psychologen vorstellig werden. Zudem unterschlägt das Papier hier zwei nicht ganz unwesentliche Aspekte: Es bleibt nämlich offen, ob bei den AMFs vielleicht nicht nur „mehrere“ Risikofaktoren zusammentreffen, sondern ob diese möglicherweise auch vergleichsweise ungewöhnlich stark ausgeprägt sind. Und natürlich die Frage, warum die DGPPN während der letzten 10 Jahre nicht bereits vor dieser zusätzlichen Belastung ihrer Kapazitäten gewarnt hat, wenn doch schon die „Regelversorgung“ „nicht ausreichend“ gewährleistet ist bzw. war?
Zwei Vorschläge
Über zwei halbwegs realistisch anmutende Vorschläge des Papiers könnte es sich durchaus lohnen, etwas näher nachzudenken: (a) „den Aufbau forensisch-psychiatrischer Fachstellen bei den Polizeibehörden“, wie teils in der Schweiz erfolgt, und (b) eine „konsequentere Nutzung der bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten für eine Unterbringung und Behandlung psychisch erkrankter Personen mit erhöhtem Gewaltrisiko, die sich nicht freiwillig behandeln lassen: Die derzeitige Praxis, eine Unterbringung in einem Krankenhaus nach PsychK(H)G nach (Teil-)Besserung einer akuten Symptomatik rasch zu beenden sowie die zum Teil große Zurückhaltung bezüglich einer unfreiwilligen medikamentösen Behandlung im Rahmen einer Unterbringung sollten überdacht werden.“
Das ist zweifellos dringend erforderlich. Bleibt nur die Frage offen, warum diese sowohl übersichtlichen als auch sich geradezu aufdrängenden Gedanken von den Häuptlingen des Faches erst mit so starker zeitlicher Verzögerung öffentlich geäußert werden. Sehen wir das einmal als Hinweis darauf, wie stark die inneren und äußeren Widerstände auf dem Weg zu dieser Einsicht waren – und bei Teilen des einschlägigen Personals sicherlich immer noch sind. Wobei nicht übersehen werden darf, dass die gesetzlichen Grundlagen teils von Bundesland zu Bundesland variieren. Zudem kann auch nicht einfach unterstellt werden, dass die Änderung einer bereits über längere Zeit erfolgten Rechtspraxis von den für die hier interessierenden Fragen jeweils zuständigen Richtern einfach abgenickt wird.
Doch zurück zu den vier Sätzen. Genauer: zu den Sätzen drei und vier des Positionspapiers, die sich dezidiert auf das Gewaltrisiko von AMFs – vulgo: „Geflüchteten“ – beziehen: „Das Risiko, dass ein Mensch mit einer psychischen Erkrankung gewalttätig wird, ist fast immer das Resultat aus der Interaktion bestimmter Symptome der Erkrankung, insbesondere wenn sie unbehandelt ist, mit weiteren bekannten Belastungs- und Risikofaktoren für Aggression und Gewalttätigkeit. Darunter fallen junges Alter, männliches Geschlecht, Konsum von Drogen oder Alkohol, eine Sozialisation mit Vernachlässigung und Gewalterfahrungen, soziale Isolation, Armut und Wohnungslosigkeit.“ OK, allerdings darf diese Relativierung nicht dazu führen, dass die den beiden psychiatrischen Diagnosen mit dem relevantesten Gewaltrisiko – Schizophrenie und Antisoziale Persönlichkeitsstörung – biologisch innewohnende Gewaltpotenz quasi auf Null gesetzt wird.
Schizophrenie und Gewalt
Gleich zu Beginn des DGPPN-Papiers heißt es: „Nach den Gewalttaten und Anschlägen der letzten Monate etwa in Magdeburg, Aschaffenburg, Mannheim oder zuletzt in Hamburg gibt es, verständlicherweise, ein starkes Gefühl der Verunsicherung und ein großes Bedürfnis nach mehr Sicherheit für die Bevölkerung und nach effektiven Maßnahmen, um weitere Gewalttaten zu verhindern.“ Dem kann natürlich nur zugestimmt werden, wobei zumindest ein Hauch von Selbstkritik für das etwa eine Dekade währende aktive Beschweigen genau dieser Probleme und ihrer Ursachen doch wohl angemessen gewesen wäre.
In dem DGPPN-Papier werden zwar einige Ergebnisse aus zahlreichen internationalen Originalstudien und Übersichtsarbeiten zum Thema Schizophrenie und Gewalt referiert, aber die Autoren wollen sich nicht festlegen, welche Studie(n) denn nun am ehesten auf die deutschen Verhältnisse übertragbar ist (sind). So bleibt es bei einem sehr allgemein gehaltenen Resümee: „Die Studienlage spricht dafür, dass das Risiko, eine Gewalttat zu begehen, bei Menschen mit schizophrenen und anderen psychotischen Erkrankungen erhöht ist, und zwar unabhängig von möglicherweise bestehenden komorbiden psychischen Störungen. Die Risikoerhöhung ist moderater, aber noch nachweisbar, wenn die Erkrankten nicht mit der Allgemeinbevölkerung, sondern mit ihren gesunden Geschwistern verglichen werden.“ Welche Zahlen genau nun nach dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand das durch Schizophrenie und eng verwandte Störungen erhöhte Gewaltrisiko für Deutschland am besten abbilden, bleibt leider offen.
Betreute Wissenschaft
Eine Studie allerdings – und das sicherlich weder zufällig noch Folge von Schlamperei – blieb vom DGPPN-Autorenkollektiv komplett unberücksichtigt. Es handelt sich dabei nicht nur um eine aktuelle, sondern zudem auch um eine in einer ausgesprochen hochrangigen medizinischen Zeitschrift im Jahr 2022 veröffentlichten systematischen Literaturübersicht zur Assoziation von Schizophrenie und Gewaltverbrechen („violence perpetration“). Auf der Grundlage einer systematischen Analyse von 24 einschlägigen Studien aus ganz überwiegend westlichen Ländern fanden sich für an Schizophrenie erkrankte Männer u.a. die folgenden gemittelten Risiken – immer im Vergleich zur nicht erkrankten Bevölkerung: ein 4,5-fach erhöhtes Risiko für Gewaltdelikte und ein 5,1-fach erhöhtes für Sexualdelikte.
Acht Studien erlaubten auch eine gezielte Auswertung des Totschlagsrisikos, das für an Schizophrenie erkrankte Männer sage und schreibe um den Faktor 17,7 erhöht war. Ich vermute, dass genau diese Zahl es war, welche die DGPPN-Autoren veranlasste, die Studie besser unerwähnt zu lassen. Auch das auf achgut von mir schon des Öfteren mitgeteilte Faktum eines – je nach Herkunftsregion der AMFs – zwei- bis fünfmal häufigeren Vorkommens der Schizophrenie im Vergleich zur autochthonen Bevölkerung, wird verschwiegen, obwohl es sich logischerweise ausgesprochen ungünstig auf das Gewaltrisiko der AMFs auswirkt.
Atemberaubendes Desinteresse
Meine systematische Durchsicht der Jahrgänge 2015–2025 der wissenschaftlichen Zeitschrift der DGPPN Der Nervenarzt unter dem ganz bewusst recht allgemein gehaltenen Suchbegriff „Psychiatrische Versorgung bei Migrationshintergrund“ belegt nachdrücklich ein geradezu atemberaubendes Desinteresse an diesem Thema. Für die ca. 10,5 Jahre finden sich insgesamt bloß sechs Treffer, davon nur einer aus den letzten fünf Jahren und keiner mit einem auch nur etwas engeren Bezug zu den hier verhandelten Themen. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass man mit solchen Studien nichts gewinnen kann, sondern sich nur jede Menge Probleme aufhalst: angefangen bei der finanziellen Förderung bis hin zum Versuch, die erwartbar unschönen Ergebnisse zu publizieren, von plötzlichen interpersonellen Problemen in Klinik und Hochschule ganz zu schweigen.
Welche Dynamik würde ein universitärer Forscher wohl auslösen, wollte er z.B. schlicht und einfach der Beziehung zwischen einer bestimmten Gruppe von AMFs und der Antisozialen Persönlichkeitsstörung auf den Grund gehen. Bekanntlich ist diese Störung bei Strafgefangenen extrem überrepräsentiert, was angesichts der damit verbundenen Eigenschaften nicht verwundert, nämlich u.a. Falschheit, Impulsivität, Verantwortungslosigkeit, Reizbarkeit und Aggressivität.
Gleichwohl hat sich bisher kaum jemand für Häufigkeit und v.a. forensische Bedeutung dieser Störung bei AMFs interessiert. Dabei läge doch für unseren imaginären Forscher die Vermutung ausgesprochen nahe, dass die unstrittig exzessiv erhöhte Rate für (u.a.) gefährliche Körperverletzung von Männern aus (z.B.) Algerien, Libyen oder Tunesien (vgl. F. Urbaniok: Schattenseiten der Migration. Horgen, 2025, S. 25) ganz wesentlich auch Folge einer Negativauslese ist. Dass also aus den genannten Ländern überzufällig häufig diejenigen mit einer Antisozialen Persönlichkeitsstörung zu uns „flüchten“, weil sie z.B. in ihrer Heimat bindungsloser sind und zudem erwarten, bei uns ihre unschönen Eigenschaften vergleichsweise ungestörter ausleben zu können – und das auch noch bei freier Unterkunft und für ihre Verhältnisse recht großzügiger Bezahlung. Nicht zu vergessen, dass in Germanistan auch die Erfahrungen mit Polizei und Knast deutlich angenehmer ausfallen dürften als in der Heimat. Aber mit solchen Forschungsergebnissen, egal wie brillant Studiendesign und -durchführung wären, macht man sich natürlich keine Freunde, schon gar nicht an Universitäten oder bei den Führungskräften der DGPPN.
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Wolfgang Meins ist Neuropsychologe, Arzt für Psychiatrie und Neurologie, Geriater und apl. Professor für Psychiatrie. In den letzten Jahren überwiegend tätig als gerichtlicher Sachverständiger im zivilrechtlichen Bereich.