Clara Hagen, Gastautorin / 27.06.2021 / 13:00 / Foto: Pixabay / 39 / Seite ausdrucken

Atemlos zum Corona-Konzert

Nach etwa eineinhalb (gefühlt fünf) Jahren endlich durfte ich wieder meinen Musentempel besuchen, das Gewandhausorchester spielte auf. Selbst das Testgedöns (ein Teil des Gewandhauses ist praktischerweise Testzentrum) nahm ich dafür in Kauf. Was mich dann an Absurditäten erwartete, war kaum zu überbieten.

Los ging es schon einige Meter vor dem Haupteingang. Dort stand ungefähr viermal so viel Service-Personal, verglichen mit Vor-Corona-Zeiten. Natürlich alle nett und freundlich. Also musste ich der ersten Dame meinen Handfernsprecher mit der Elektropost vom Testcenter präsentieren. Ja, da stand dick und fett und grün, dass ich NEGATIV bin. Aber von wann war denn der Test, also das Datum müsse sie auch noch sehen. Das stand da aber nicht, nur die Uhrzeit, war ja von heute. Bei meiner Begleitung das gleiche Spiel, wir versicherten dann hoch und heilig, wir waren ja alle zusammen gerade im Testzentrum, und wenn die Nachricht von heute ist, steht da eben kein Datum. Hin und her und überhaupt, wir müssten ja schon erst mal die Maske aufsetzen. Draußen, im Freien, an der frischen Luft? Ja, wir wären ja nun quasi im Gewandhaus. Also gut, auch das. Was nimmt man nicht alles auf sich, um endlich wieder in den Genuss eines Konzertes zu kommen. Die lange Zeit des Verzichts hatte schon was von Entzug.

Also Lappen vors Gesicht und hinein, süße Verheißung und was sehe ich auf der Barlach-Ebene am Ausschank? Unverhüllte, fröhlich zechende Menschen! Auf, sich zu ihnen gesellt, einen Schluck Wein geholt, und da durfte ich also wieder ohne Maske stehen. Merke: Das Virus schlägt schon einige Meter vor dem Eingang zu, aber wenn ich ein Getränk zu mir nehme, hält es sich vornehm zurück. Toll. Aber wehe, sobald ich mein Glas aus der Hand gebe, egal, wo ich dann stehe, schlägt das Virus wieder erbarmungslos zu, und ich muss den Kaffeefilter wieder vorlegen. Auch da mehr Personal als üblich, um mich jederzeit freundlich darauf hinzuweisen, dass ich Maske tragen muss. Na gut, gleich am Platz, hat das Virus wieder so viel Respekt, dass es in den Gängen zuschlägt, nicht aber am Platz.

Haha, weit gefehlt! Auch dort wieder eine äußerst nette Dame, die mich aufklärt. Erst, wenn die Musik einsetzt, darf ich wieder frei atmen. Wow! Das Virus schlägt also auch am Platz zu, aber sobald die erste Note erklingt, haut es voller Respekt ab. Dabei gab es ein herrliches Strauss-Programm, also keine neue Musik, wo ich es dem Virus oft gleich tun würde. Ich war dann ungehorsam. Da schaute die Dame liebenswürdigerweise offensichtlich weg bzw. hatte sie eh genug damit zu tun, den Leuten zu erklären, dass bis zur Musik…, Sie wissen schon.

Der Dirigent und das Orchester begrüßten uns sogar, sie freuten sich genauso wie wir, wieder mit Publikum spielen zu dürfen. Ah, und dann endlich, ja das hat gefehlt, das ist einfach Balsam für die Seele, auch Musik braucht der Mensch zum Leben und Glücklichsein. Und das Live-Erlebnis ist eben noch mal etwas anderes als eine Konserve.

Freude über ein freies Gesicht

Die nächste Absurdität kam gleich nach dem ersten Stück. Ein Umbau. An sich normalerweise keine große Sache. Obschon ich mich dann jedes Mal frage: Wenn ein Flügel gebraucht wird, warum man den nicht vorher mit aufbaut bzw. das Stück dann als erstes spielt. Egal, dieses Mal war Fernsehen mit im Saal, und da dauerte die ganze Angelegenheit dreimal so lang. Da musste zum Flügel dann noch eine Kamera eingerichtet werden, das Ganze musste natürlich auch noch mal umgeleuchtet werden, und ein paar Kabel galt es auch noch zu verlegen und abzukleben. Da ist Publikum im Saal? Die wollen eigentlich nur ein Konzert genießen? Drauf gedingst, da spielt ein Weltstar und da muss das Bild passen und der Ton natürlich auch, also auch da noch einige Techniker und das dauert eben. Ich war einerseits erschüttert, andererseits froh, auch in dieser gefühlt ewig dauernden Zwangspause hatten die netten Service-Damen das Virus offensichtlich fest im Griff, es kam niemand und zwang uns die Lappen wieder auf. Also eigentlich – streng genommen: Es spielte ja keine Musik…

Gut, endlich fertig, die Pianistin und der Dirigent hatten scheinbar einiges zu besprechen, die ließen uns dann auch noch einige Minuten warten. Dafür wurden wir auch richtig entschädigt: Ein goldig-glitzerndes kurzes Kleid im Charleston-Stil und dazu Louboutin-Schuhe (vermute ich) – so tippelte die Pianistin den Weg zum Flügel, und der war nicht kurz und voller Kabel. Das Konzert gab also auch optisch so einiges her. Unglaublich, wie dieses kurze Kleid trotz Verbeugung, bei jedem Applaus genau eine, nicht verrutschte. Ach so, das muss ich Ihnen vielleicht erklären. Im Gewandhaus gibt es auch Plätze hinter dem Orchester. Dort sitzt, wenn mit von der Partie, der Chor, wenn nicht, dann Publikum. Dort saß ich also und konnte deshalb voller Spannung den Sitz des Kleides zur Verbeugung beobachten. Was einem aber auch manchmal in den Sinn kommt.

Das Publikum wollte sich unbedingt eine Zugabe erklatschen. Das erschloss sich mir nicht, die Dame war irgendwie nicht wirklich zufrieden mit sich oder dem Orchester oder dem Dirigenten, die wollte nicht wirklich nochmal heraus stöckeln und mit diesen Kunstwerken von Schuhen über die Kabel klettern. Das Publikum gab nicht auf und schien auch gesiegt zu haben, wir waren dann schon auf dem Weg zur Terrasse. Sie hat dann doch eine zweiminütige Zugabe gespielt. Da ereilte mich aber schon wieder das tödliche Virus. Eine Dame des freundlichen Service-Personals machte mich darauf aufmerksam, dass die Musik ja aus ist, also auf dem Weg zur Tränke muss natürlich zum Schutze aller usw. usf. Also Lappen wieder rauf und ein Getränk geholt, Lappen wieder runter.

Auf der Terrasse hatten dann fast alle, auch diejenigen, die keinen Durst hatten, das Gesicht frei. Das fand ich bemerkenswert, obwohl doch eigentlich normal. Am Tag des Konzertes hatte ich auf der Seite www.absolute-zahlen.de nachgeschaut, 99,97 Prozent der deutschen Bevölkerung hatten keine Corona-Erkrankung, 0,03 Prozent der deutschen Bevölkerung waren positiv getestet. Was ja auch nicht heißt, dass sie krank sind. Diese Zahlen muss man sich auf der Zunge zergehen lassen und dann diesen Irrsinn erleben.

Das letzte Stück sollte 50 Minuten dauern, da wollte ich doch besser vorher noch das Örtchen aufsuchen. Sie haben gedacht, das war jetzt alles? Worüber ich mich eigentlich aufrege? Auf den Damentoiletten dieser Welt ist meistens Anstehen angesagt, egal, ob in Verona oder an einer Raststätte, so auch im Gewandhaus. Aber dass da eine, auch hier wieder sehr freundliche und geduldige Dame vom Service-Personal stand, war neu. Meine Neugier trieb mich, zu fragen, warum sie da stehe. Diese doch sehr schönen neuen Toiletten, es sind drei Kabinen, dürfen trotz der Trennwände nur von einer Dame betreten werden, ansonsten… Genau. Das Virus.

Rot für alle

Entgegen sonstiger Gewohnheiten, verließ ich dann während des Schlussapplauses schon das Haus, ich wollte mich einfach ohne Maske hinaus schleichen und das absurde Theater vergessen, die Musik hatte sich eingebrannt, und die war einfach nur schön.

Auf dem Weg zum Parkplatz – ich parkte nicht unter dem Konzertsaal, das ist inzwischen so teuer, das gebe ich lieber fürs Getränk aus – gab‘s noch eine Begegnung passend zum Abend. Da hatte sich während des Konzertes scheinbar ein Unfall auf dem Ring ereignet, da standen zwei Polizisten und eine Seite war völlig abgesperrt, dort konnte kein Fahrzeug fahren. Deshalb ging ich bei Rot über die Ampel, woraufhin die beiden mich anbrüllten, da wäre auch für mich rot. Da müsste ich stehen bleiben. Mein Einwand, die ganze Seite sei abgesperrt, da könnte ja gar nix fahren, bügelten sie ab. Rot sei rot und da dürfte keiner laufen. Auf meine Frage, wieso überhaupt abgesperrt sei, sagte der eine dann: „Weil wir eben mal eine Straße abgesperrt haben. Und warum, das geht Sie gar nichts an.“ Ich dankte für die freundliche Antwort, da wurde nochmal hinterher gesetzt, dass ich ja so freundlich gewesen wäre und bei rot über die Straße gegangen sei. Ich hab dann schnell das Weite gesucht, bevor die noch auf die Idee kamen, mich dafür abzuzocken.

Ich habe für die nächsten beiden Wochen auch wieder Karten fürs Große Concert, aber da muss ich noch mal aufs Programm schauen, ob ich mir das wirklich antue. Wieder Testen gehen und dieses Absurdistan hinnehmen? Die Oper habe ich für diese Saison leider abwählen müssen. Dort muss man sich nicht testen lassen, aber die Maske während der Vorstellung angelegt lassen. Man glaubt es nicht. Beide Häuser städtische Betriebe, und trotzdem gelten unterschiedliche Regelungen, die so irrwitzig sind!

Die städtische Kapelle hätte lieber wieder im Rosental spielen sollen, wie oft zum Ende der Gewandhaussaison, damals, als wir noch nichts von Corona ahnten. Ich will diese Normalität wieder zurück! Und ich werde weiterhin versuchen, ohne Maske durchzukommen. Ich mach da nicht mehr mit!

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Leserpost

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Robert Schleif / 27.06.2021

Da haben wir uns bestimmt gesehen! Ihre Erlebnisse waren die Meinen! Absurd. Ich darf ergänzen: Wir wurden freundlichst gemaßregelt, dass wir beim Lustwandeln die Treppe benutzten, die nur zum Herabgehen freigegeben war - und auch noch ohne Maske. Dafür sah man uns die Staatstreue offenbar an, denn die Testergebnisse guckten die Damen nur flüchtig an. Ich habe einen wütenden Protest an den OBM Jung geschrieben. Der untersteht zwar Sachsen, ist aber stets und prinzipiell bei allen Scheußlichkeiten der Regierung und des Zeitgeistes vorneweg. Liebe Grüße!

j. heini / 27.06.2021

Nun, ich gehöre zu denjenigen, die mit Maske nur ins Lebensmittelgeschäft, in die Apotheke, in den Drogeriemarkt und zum Arzt gehen. Alles andere muss auf mich verzichten. Amazon bringt es heim. Natürlich nicht das Erlebnis Kultur, aber mit dem Maskentheater verschwindet die Kultur für mich.

lutzgerke / 27.06.2021

Die Test-Strategie ist genauso perfide wie die Ausgrenzung von Impfverweigerern. Die grundsätzliche Frage ist doch, wer vor wem geschützt werden soll? Bei PI-News schrieb eine traurige Kommentatorin, sie war auf eine Partie geladen gewesen und das Gespräch kam auf die Impfung. Sie und ihr Mann seien die einzigen Nichtgeimpften gewesen und deshalb fertig gemacht worden. Eigentlich ist das die ideale Umgebung für einen stimmungsvollen Abend? (“Wenn alle durcheinander schreien, das gefällt mir am besten.”, Klaus Kinsky) Man braucht doch nur die Gegenfrage zu stellen, wovor die Geimpften solche Furcht hätten? Schützt die Impfung nicht vor Ansteckung? Wenn nicht, warum lassen Sie sich dann impfen? / Wenn sie gestestet worden sind, warum tragen Sie dann Maske? Hier sind doch alle negativ? Trauen Sie dem Test nicht? // Ein gutes Tier Ist das Klavier, Still, friedlich und bescheiden. Und muß dabei Doch allerlei Erdulden und erleiden. Der Virtuose Stürzt drauf los Mit hochgesträubter Mähne. Er Öffnet ihm Voll Ungestüm Den Leib gleich der Hyäne. Und rasend wild, Das Herz erfüllt Von mörderlicher Freude, Durchwühlt er dann, Soweit er kann, Des Opfers Eingeweide. Wie es da schrie, Das arme Vieh, Und unter Angstgewimmer Bald hoch, bald tief Um Hilfe rief, Vergess ich nie und nimmer. Wilhelm Busch von der Muse geküßt.

S. v. Belino / 27.06.2021

Schon im vergangenen Corona-Jahr habe ich erfahren müssen, dass es manchmal das Beste ist, Verzicht zu üben. Als ich die Corona-bedingt überschaubar wenigen zugelassenen, “Schnauzen verhangenen” Leute im Foyer einer eleganten Konzerthalle beobachtete;  wie sie - im vorgeschriebenen Abstand zu einander - unsäglich ernst, ja spürbar melancholisch, der Dinge harrten, die da kommen sollten, schnürte sich mir urplötzlich der Hals zu. Eine Weile dachte ich “jetzt bloß nicht hysterisch werden”, sicher würde das ungute, fast panikartige Gefühl ganz bald legen. Immerhin erwartete mich ein fantastischer Konzertabend. Das Ticket war schließlich bezahlt. Aber nein, mein erbärmlicher Zustand bestand fort. Zweimal schon hatte die Einlassglocke geläutet. Die Zeit für eine Entscheidung drängte. Als einzigen Ausweg erkannte ich meine sofortige Flucht. Raus, nix wie raus aus dem Trauerhaus. In Ermangelung eines Papierkorbs warf ich meine vermutlich Corona-kontaminierte Eintrittskarte kurzentschlossen in einen Schirmständer nahe dem Ausgang. Wie gut, dass mein Mantel Corona-bedingt bei mir bleiben musste. Ich warf ihn über und verließ in Windeseile das Gebäude. Ohne Schirm im kalten, strömenden Regen, lief ich durch die Dunkelheit nach Hause. Nur noch nach Hause, nach Hause bitte. Die ungewohnt schwermütige Atmosphäre, welche selbst die übliche Festbeleuchtung des Foyers nicht überstrahlen konnte, hatte mir alle Vorfreude auf einen konzertanten Hochgenuss geraubt. Gründlich. Bis heute. Für mich sind eben Anlass und Atmosphäre untrennbar miteinander verbunden. Auch das Umfeld, das ganze “Paket”, muss stimmig sein. Genau wie bei einem festlichen Essen. Selbst das köstlichste Menü schmeckt bestenfalls nur halb so gut, wenn die Räumlichkeit oder gar die Qualität des Service nicht der der Speisen entspricht. - Seit dem “entgangenen”, vielmehr “entlaufenen”, Konzert übe ich mich in völliger kultureller Enthaltsamkeit. Schade, aber nicht zu ändern.

Thomas Palmer / 27.06.2021

Es ist alles ganz furchtbar. Ich wohne in München. Ich mache da bereits seit der sinnlosen Einführung des Maskenzwangs nicht mit! In 14 Monaten habe ich in den Öffentlichen Verkehrsmitteln, die ich nahezu täglich benutze, genau ein Mal (!) eine andere Person ohne Maske gesehen, und in den verschiedenen Supermärkten, die ich frequentiere, zwei Mal. Es ist einfach nur traurig, wie soll da jemals eine Bewegung entstehen!? Selbst jetzt, bei einer nicht mehr meßbaren “epidemischen Lage”, tragen alle brav weiter ihre Söderwindeln und ich werde regelmäßig darauf hingewiesen, in was für eine Gefahr ich doch die anderen brächte.

Peter Jamnig / 27.06.2021

Ach wie arm! Wenn Sie sich schon auf diesen Deal einlassen - ein paar Leckerli für die Braven, i.e. die Getesteten und Geimpften - dann beklagen Sie sich doch nicht, wenn Sie voll in die Schikanen der staatlichen Bevormundungsmaschinerie laufen. Wenn alle der gefühlten 30 Prozent jener Aufrechten, die sich von der Corona-Hysterie nicht beeinflussen lassen, ihre Teilnahme verweigerten, dann möchte ich doch sehen, wie lange dieser Zirkus noch dauern wird.

Andreas Zöller / 27.06.2021

Was man nicht alles tut, für ein kleines Leckerli. Wer’s braucht. Und, schon geimpft?

Andreas Zöller / 27.06.2021

Wer so ein Theater mitmacht, sorgt dafür, daß diese erniedrigenden, sadistischen Maßnahmen irgendwann in naher Zukunft als normal angesehen werden. Niemals! Spielt eure Schei…musik doch allein im Keller, ihr Büttel. Wer das mitmacht, der macht sich zum Lakaien der lachenden Obrigkeit. Boykott!

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