Henryk M. Broder / 10.05.2018 / 12:00 / Foto: Pixabay / 43 / Seite ausdrucken

Asylindustrie? Nie von gehört!

Nachdem Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, gesagt hatte, es wäre „nicht akzeptabel, dass eine Anti-Abschiebeindustrie dafür sorgt, dass die Bemühungen des Rechtsstaates unterlaufen werden", hier ab 5:55, widersprach ihm Karl Lauterbach, einer der vielen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD im Bundestag. Wir hätten, sagte er, angeregt durch die dünne Luft auf der Zugspitze, „keine Asylindustrie", vielmehr wäre es so, dass „die Abgelehnten den Rechtsweg wahrnehmen", im übrigen wäre „eine solche Debatte zum jetzigen Zeitpunkt alles andere als hilfreich". Ab 6:23. 

Nun wissen wir aus Erfahrung, dass eine Debatte immer dann unvermeidlich ist, wenn sie von denjenigen, die sie verhindern wollen, als „wenig hilfreich" bezeichnet wird. Da tickt der charismatische Rheinländer und Sozialdemokrat Lauterbach nicht anders als die Kanzlerin. Leider kann in einer halbwegs intakten Demokratie die Regierung nicht darüber entscheiden, ob, wann und worüber debattiert wird, auch wenn sie das ab und zu versucht.

So ließ es sich auch die Kanzlerin nicht nehmen, der Dobrindtschen These von der Asyl-Industrie zu widersprechen. „Ich glaube", sagte sie, „dass wir ein Rechtsstaat sind, in diesem Rechtsstaat wird von rechtsstaatlichen Mitteln Gebrauch gemacht, aber wir müssen darauf achten, dass Recht und Gesetz auch umgesetzt werden". Ab 7:00.

Die sich daraus ergebende Frage, wieso in einem Rechtsstaat darauf geachtet werden muss, dass Recht und Gesetz auch umgesetzt werden, blieb von der Kanzlerin unbeantwortet.

Wer übernimmt die Kosten für den anwaltlichen Beistand?

Dafür legte Claus Kleber nach. „Was ist denn dran", fragte er, an Dobrindts Vorwurf, „dass eine Anti-Abschiebungs-Industrie ein Geschäftsmodell daraus gemacht habe, die Durchsetzung deutschen Rechts nach Kräften zu behindern und zu verzögern?"

Die Antwort gab Ulrich Schellenberg, Präsident des Deutschen Anwaltvereins. Ab 9:50. Da mag es durchaus im Einzelfall „die Möglichkeit eines Missbrauchs geben", aber im Grundsatz sei es so, „dass wir für die Rechte der Betroffenen eintreten". Kleber gab sich alle Mühe, den Sprecher der Anwälte in die Enge zu treiben, vergeblich. Wir hätten „kein Problem mit der Justiz", sagte Schellenberg, wir hätten „ein Vollzugsdefizit". So reichte er das Problem elegant weiter, an die Ausländerbehörden und die Polizei. Im Übrigen wäre der Vorwurf, die Anwälte seien Teil der Anti-Abschiebe-Industrie, „ein Angriff auf den Rechtsstaat".

Kleber versäumte es leider, die entscheidende Frage zu stellen – wer die Kosten für den anwaltlichen Beistand übernehmen würde. Es ist nämlich die Staatskasse, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens, also auch dann, wenn die Gerichte gegen die Antragsteller entscheiden, was in der Mehrzahl der Fälle passiert. Für die beteiligten Anwälte sind die Prozesse wie eine Lizenz zum Gelddrucken. 

Einen Tag später erschien in der WELT ein Artikel von Marcel Leubecher, in dem auch der Vorsitzende Richter am Berliner Verwaltungsgericht, Christian Gau, eine Aussage machte: „Dobrindts Wortwahl trifft es nicht ganz. Aber es gibt schon in dem Sinne eine Industrie rund um die Asylbewerber, wie es eine Art Industrie im Bereich Hartz IV gibt“,  eine große Zahl von Anwälten oder auch Sozialpädagogen lebe "von den Migranten". Es gebe unter den Anwälten aber auch „Idealisten".

So geht eine wenig hilfreiche Debatte munter weiter. Gestern wurde darüber gestritten, ob es denn überhaupt eine „illegale Masseneinwanderung" geben würde, heute, ob es eine Industrie rund um die Asylbewerber geben könnte, und morgen, ob es nicht klüger wäre, die Flüchtlinge unbesehen aufzunehmen und die Anwälte abzuschieben. 

Es käme billiger und würde den Justizbetrieb entlasten.

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Karla Kuhn / 10.05.2018

” Und wer bezahlt die?”  Ist die Frage ernst gemeint ???  “Für die beteiligten Anwälte sind die Prozesse wie eine Lizenz zum Gelddrucken.”  Ich frage mich immer öfter, warum ich so dämlich war und ehrlich geblieben bin.

Helmut Driesel / 10.05.2018

Interessant wären da mal die konkreten Zahlen, um die es bei solchen Verfahren geht. Also wenn die bloße Einsichtnahme in eine Krankenakte durch einen Fachanwalt mehrere tausend Euro kostet, die der Staat mitnichten bereit wäre zu übernehmen, stelle ich mir vor, da schlägt so ein Asylantenmandat bestimmt noch heftiger zu Buche. Und die letzte Tariferhöhung für den Öffentlichen Dienst bekommt auch einen gemeinnützig bestechenden Glanz.

Michael Scheffler / 10.05.2018

Wegen des Beitrags von Frau Lengsfeld zum furchtbar irrenmden Juristen Ewer wandte ich mich an die neue juristische Wochenschrift und bat um Aufklärung, wie ein solcher - die Unterzeichner der Erklärung 2018 - diskriminierender Beitrag über die Migrationskrise in das Blatt geraten kann. Leider habe ich - auch auf Nachfrage - bis jetzt keine Antwort bekommen. Offenbar lebt es sich ganz gut von den vom Stuerzahler zu erbringenden Salären im Rahmen der Migrationsindustrie, da will man sich durch Kritik nicht stören lassen.

Ulla Smielowski / 10.05.2018

Wieder mal alles excellent auf den Punkt gebracht… Wie lange soll das noch weitergehen mit diesen Kosten für die Asyl-Industrie? Klar dass diese ganzen Verbände dafür sorgen, dass alles immer so weitergeht wie bisher..

Wulfrad Schmid / 10.05.2018

Meine Tochter träumt davon, 2054 in Rente gehen zu können, Ihr Rentenbescheid gaukelt ihr vor, sie würde dann, vorausgesetzt der Verlauf bleibt wie heute, gut 1500 Euro bekommen. Die Asylindustrie, die professionellen Gut- und Bessermenschen saugen die Sozialsysteme, die bereits heute nur noch mit Infusionen aus Steuermitteln am Leben erhalten werden, aus bis zum bitteren Ende. Und das wird lange vor 2054 erreicht sein. Dafür sorgt die linksgrüne Besserwisserindustrie.

Jochen Brühl / 10.05.2018

Zu der staatlich alimentierten Anti-Abschiebeindustrie zählen aber nicht nur die Anwälte, sondern insbesondere auch zahlreiche Akteure der sogenannten Zivilgesellschaft.  Selbst im sogenannten Kampf gegen rechts, bis hinein zu gewalttätigen Gruppierungen und ihrer Unterstützer, die dann nach Abschluss aller möglichen rechtsstaatlichen Verfahren dennoch erfolgreich die Abschiebung verhindern, auch und gerade mit illegalen Mitteln und auch mit gewalttätigen Blockadeaktionen. Fluggesellschaften, die die Mitnahme von Abschiebekandidaten verweigern, wäre im Übrigen zwingend die Landeerlaubnis in Deutschland zu entziehen. Abschiebblockaden müssen ein gesonderter Straftatbestand werden, der zwingend mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren zu belohnen ist. Dann klappt das etwas besser mit dem rechtsstaatlichen Vollzug.

Günter Springer / 10.05.2018

So ließ es sich auch die Kanzlerin nicht nehmen, der Dobrindtschen These von der Asyl-Industrie zu widersprechen. „Ich glaube“, sagte sie, „dass wir ein Rechtsstaat sind, in diesem Rechtsstaat wird von rechtsstaatlichen Mitteln Gebrauch gemacht, aber wir müssen darauf achten, dass Recht und Gesetz auch umgesetzt werden“. Das soll wohl ein Witz aus dem Munde einer Person sein die , wie sooft nicht weiss , was sie sagt. Vielleicht fragt sich die Frau Merkel wie sie gedenkt, die bestehenden Gesetze selbst einzuhalten.

Rudolf Stein / 10.05.2018

@Rico Martin Hinter dem Begriff Asylindustrie steht weniger eine Ideologie als der Wille, staatliche Kohle abzugreifen. Also Gewinn zu machen. Und damit ist der Begriff Industrie so falsch nicht, denn die Grundlage jeder Industrie ist der Zweck, Geld zu machen. DemGroßteil aller Anwälte traue ich nicht zu, ein sozialres Gewissen zu haben. Sie sind eiskalt kalkulierende Rechner zu eigenem Nutzen.

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