Henryk M. Broder / 20.08.2019 / 15:00 / Foto: Pixabay / 38 / Seite ausdrucken

Armut für alle!

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hat in Zusammenarbeit mit vier Hochschulen die Bundesrepublik sozio-ökonomisch neu vermessen und ist dabei zu einem überraschenden Ergebnis gekommen: 19 von 96 Regionen sind „schlecht auf die Zukunft vorbereitet“, es droht ihnen die Gefahr, „auf der Strecke zu bleiben“, „den Anschluss zu verlieren“. Als Indikatoren für die Lage in den Regionen dienten u.a. Angaben zu Arbeitslosigkeit, Durchschnittsalter der Bevölkerung, Geburtenrate, Verschuldung und Versorgung mit Breitband. 

Nun existiert in allen Ländern der Welt ein Stadt-Land-, ein Nord-Süd- beziehungsweise ein Ost-West-Gefälle, sogar in der wohlhabenden Schweiz gibt es „arme“ und „reiche“ Kantone. Wirklich „gleich“ sind die Menschen nur vor Gott. Die „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ in Deutschland wurde allerdings zu einem primären Politikziel erklärt und im Artikel 72 des Grundgesetzes festgeschrieben.

Obwohl „gleichwertig“ nicht „einheitlich“ bedeutet, wird das Wort von vielen so verstanden. Frauen und Männer sollen gleich viel verdienen, Kinder unabhängig vom familiären Hintergrund die gleichen Bildungschancen haben und Mobiltelefone im Wald ebenso gut funktionieren wie bei Starbucks.

Rentner müssen Flaschen sammeln

„Soziale Gerechtigkeit“ ist das Synonym für Gleichheit, obwohl bereits zwei Experimente, die totale Gleichheit herzustellen – im 3. Reich und in der DDR –, krachend gescheitert sind.

Und so ist „Armut“ in einem „der reichsten Länder der Welt“ ein Dauerthema. Wobei die Schere zwischen „arm“ und „reich“ immer weiter auseinander geht, immer mehr Kinder „von Armut bedroht“ sind und Rentner Flaschen sammeln, um über die Runden zu kommen. Wie kann das sein?

Es ist eine Strategie zur Herstellung „gleichwertiger Lebensverhältnisse“, ganz im Sinne des Artikels 72 des Grundgesetzes. „Gleichwertig“ bedeutet ja nicht automatisch „gleich reich“. Es kann auch „gleich arm“ sein.

Hat man das begriffen, wird einem auch klar, warum der Sozialhaushalt Jahr um Jahr größer wird – heuer sind es 145 Milliarden Euro oder 41 Prozent des Bundeshaushalts – während immer mehr Arme und Bedürftige versorgt werden müssen. Je mehr Geld ausgeschüttet wird, umso mehr Empfänger stellen sich am Schalter an. Ein geniales Konzept. Armut für alle!

Zuerst erschienen in der Züricher Weltwoche

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Michael Scheffler / 20.08.2019

Lieber Herr Broder, wir haben aber nicht mal auf den Autobahnen flächendeckend Empfang.

Wolfgang Richter / 20.08.2019

Und das beschriebene Konzept der organisierten Anhängigkeit von staatlicher (von Politikern organisierter) Alimentierung leisten “wir” uns in einer Phase lang andauernden wirtschaftlichen Aufschwungs. Das Prinzip erinnert mich an eine Sequenz aus der Serie “Deutschland-Safari”, in der Sozialprojekte in einer Brennpunktwohnanlage (Marhazn oder ähnlich) der AWO oder gleichgerichteter Organisation zur Förderung sinnvoller Beschäftigung Arbeitsloser vorgestellt wurde. Das Ergebnis war, es ist sinnvoll, für die Betreiber und Staatssubventionen Abschöpfenden, diese Leute dauerhaft in Abhängigkeit zu halten, weil nur dadurch a) Einfluß auf sie genommen werden kann, b) das eigene wirtschaftliche Überleben gesichert ist, im vorliegenden Fall das der Parteigänger und Verwaltungen, die infolge der “Betreuung” ihren Job und die eigene Alimentierung auf Dauer erhalten. Bleibt abzuwarten, wie sich dieses System bei der angekündigten Rezession verhält.

Heiko Engel / 20.08.2019

Die Schieflage im Renten- und Pensionswesen ist eklatant. 45 Jahre arbeiten in einem normalen Beruf ergeben knapp € 1100,— Rente pro Monat. Die Steuer muss natürlich noch abgezogen werden. Nicht vergessen. Das Verwaltungsgezücht, dass dafür sorgt, dass dieser merkwürdige Staat so gerade läuft, genehmigt sich € 3000,— pro Monat steuerfrei.  Sollte Frau / Mann als Bürgermeister nach ca. 3 Jahren wegen Überlastung ausscheiden. Von Arbeit war da nie die Rede. Läuft. Bis zur Guillotine auf dem Rathausmarkt.

Helge-Rainer Decke / 20.08.2019

Sehr geehrter Herr Herr Broder, Sie unterscheiden zurecht, was unter dem Terminus gleichwertige Lebensverhältnisse verstanden wird, von dem, was das GG begrifflich darunter subsumiert. Es handelt sich in der Tat um einen politischen Begriff, den auszufüllen, der Legislative obliegt. Seit der deutschen Wiedervereinigung ist die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse ein erklärtes politisches Handlungsziel der Regierung der Bundesrepublik Deutschland. Mit gleichwertigen Lebensverhältnissen ist beispielsweise gemeint, dass die Verkehrsprojekte (Straßenbau- und Sanierung) einhergehen mit einer Stärkung des Wirtschaftsstandortes in Ostdeutschland. In der Politik und der Gesellschaft wird darüber diskutiert, welche Grundleistungen der Daseinsvorsorge und welche flächendeckende Grundversorgung genau zu gewährleisten ist, um gleichwertige (nicht „identische“) Lebensverhältnisse zu schaffen. Man berücksichtigt bei dem Handlungsziel der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse beispielsweise, dass im ländlichen Raum nicht die gleiche Infrastruktur vonnöten ist wie in Ballungszentren, wohl aber dass eine Grundinfrastruktur überhaupt vorhanden ist. Auch ein Anspruch auf Grundsicherung gehört dazu. Wer aber unter gleichwertigen Lebensverhältnissen substantiell identische Lebensverhältnisse für jedermann fordert, überspannt den Bogen einer sozialen Marktwirtschaft. Der Mensch ist Teil im System Wirtschaft und Gesellschaft, der seinen gottverdammten Beitrag im Rahmen seiner kognitiven und gesundheitlichen Fähigkeiten einzubringen hat. Nicht mehr und nicht weniger. Es gibt Gewinner und Verlierer. In allen Systemen. „Uns ist gegeben,   Auf keiner Stätte zu ruhn,   Es schwinden, es fallen     Die leidenden Menschen       Blindlings von einer       Stunde zur andern,         Wie Wasser von Klippe           Zu Klippe geworfen,           Jahr lang ins Ungewisse hinab.“ Hölderlin.

P. F. Hilker / 20.08.2019

Was hier abläuft, hat mit Marktwirtschaft schon seit vielen Jahren nichts mehr zu tun. Globalisierung kann auch nur zur Gleichmacherei führen. Und wenn es demnächst ein einheitliches Abitur geben wird, dann wird nicht Bayern der Standard sein, sondern Bremen oder Berlin.

Karl-Heinz Vonderstein / 20.08.2019

Das Problem ist dann auch, dass wir weiter Menschen zu mehreren Zehntausenden pro Jahr ins Land lassen, die eher zu den Armen zählen werden als zu denen dies schaffen könnten.

D.HEINRICH / 20.08.2019

Ein selten zynischer Beitrag, Herr Broder - jedenfalls aus der Sicht der Flaschensammler und aller ihnen gleich Gestellten. Und die wirklich Machthabenden gratulieren Ihnen für diesen perfekten Ttibut an den Zeitgeist, mit dem Sie die Vernebelung der tatsächlichen Verhältnisse weitertreiben. Die Unterstellung, irgendwer verfolge das Ziel, alle >arm< zu machen, ist derart bizarr, dass sie eigentlich nicht von Ihnen stammen kann. Und selbst wenn es solche Leute gäbe, wie kommen Sie auf die Idee, sie könnten auch nur den Hauch von politischem Einfluss bekommen? Also bitte - WAS SOLL DIESER BEITRAG?

Frank Volkmar / 20.08.2019

Eine Gesellschaft, die sich eine Frau Roth, KGE und Frau Chebli neben rd. 190 GenderprofessorInnen leistet, kann man nicht als “arm” bezeichnen. Dieses “arm” gilt bei der Gesellschaft eher der Physis, wobei die drei Damen physisch eher keine Not leiden dürften, dafür aber in Bereichen Not leiden, in denen die Gesellschaft wiederum keine Not leidet.

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