Wenn es eines gibt, das die Briten bei dem Gedanken an die Europäische Union beunruhigt, dann ist es der Verlust ihrer nationalen Souveränität verbunden mit der Befürchtung, in nicht allzu ferner Zukunft einmal von Brüssel aus regiert zu werden. Deswegen hatte Tony Blair vor der letzten Unterhauswahl auch versprochen, dass er die geplante EU-Verfassung zur Abstimmung stellen würde. Das hatte sich dann, nachdem diese in Referenda in den Niederlanden und Frankreich gescheitert war, erst einmal erledigt.
Aber seit dem jüngsten EU-Gipfel gibt es einen neuen EU-Vertrag, der sich zwar nicht mehr Verfassung nennt, mit der alten Verfassung jedoch weitgehend übereinstimmt. Von einer Volksabstimmung will Premierminister Gordon Brown aber nichts wissen. Schließlich bringe der Vertrag angeblich - und im Gegensatz zur Verfassung - für Großbritannien praktisch keine Änderungen zum bisherigen Status Quo.
Das ist allerdings nicht die ganze Wahrheit, wie man in einem Interview mit dem luxemburgischen Regierungschef Juncker erfahren kann. Einer belgischen Zeitung sagte er wörtlich:
“I am astonished at those who are afraid of the people: one can always explain that what is in the interest of Europe is in the interests of our countries. ... Britain is different. Of course there will be transfers of sovereignty. But would I be intelligent to draw the attention of public opinion to this fact? There is a single legal personality for the EU, the primacy of European law, a new architecture for foreign and security policy, there is an enormous extension in the fields of the EU’s powers, there is Charter of Fundamental Rights.”
Der Grundrechtskatalog wird für die Briten nicht gelten, aber die anderen Punkte, die Premierminister Juncker nennt, wären an und für sich schon bedeutend genug, um sie dem Volk zur Abstimmung vorzulegen. Statt dies jedoch vorzuschlagen, rät Juncker allen Ernstes, das britische Volk über den Charakter des Vertragswerkes zu täuschen, denn das geht auch durch Verschweigen wichtiger Tatsachen.
Was man schon immer geahnt hat, wird hier nun einmal von einem europäischen Spitzenpolitiker selbst bestätigt: Brüssel soll immer mehr Kompetenzen erhalten - und wenn die Europäer das eigentlich gar nicht wollen, dann sagt man es ihnen vorsichtshalber lieber nicht.
Das ist Demokratie nach Gutsherrenart. Danke, Herr Juncker, für diese Information. Wir sind für zukünftige EU-Projekte gewarnt.