Wer wissen will, wie faktenfreie Verdachtsberichterstattung funktioniert, die nur dem Zweck dient, den Betroffenen nachhaltig Böses zu unterstellen, der kann das bei der ARD-Sportschau besichtigen.
Am 04.08.2024 wartete die ARD in ihrer Berichterstattung über die Olympischen Fechtwettbewerbe mit einer scheinbaren Sensation auf. „Verdächtige Kampfrichter bei Olympia im Einsatz“ las man, „5000 Euro Bestechungsgeld im Säbelfechten“, von einem Kronzeugen war die Rede, von Manipulationsvorwürfen und Untersuchungen in den USA. Ungewöhnlich reißerisch kam der öffentlich-rechtliche Sender daher.
Natürlich soll dadurch gleich eingangs beim Zuschauer der – falsche – Eindruck erweckt werden, bei Olympia 2024 seien Kampfrichter durch Zahlung von 5.000 Euro bestochen worden. Behauptet wird das in dem Bericht dann aber nicht. Tatsächlich existiert nur eine einzige Person, ein früherer Schiedsrichter, der behauptet, vor acht Jahren und nicht bei Olympia sei ihm dieser Betrag angeboten, aber von ihm nicht akzeptiert worden.
Bei diesem „Kronzeugen“ handelt es sich um den ehemaligen Schiedsrichter Marcus Schulz. Die Tatsache, dass Herr Schulz nicht aus eigenem Antrieb aufgehört hat, Schiedsrichter zu sein, sondern weil er sich 2023 nicht mehr qualifiziert hat und von der Kampfrichterkommission des internationalen Fechtverbands FIE (International Fencing Federation) von der Masterliste der Schiedsrichter gestrichen wurde, erfährt der Zuschauer nicht. Dass Schulz erst nach dieser persönlichen Enttäuschung mit acht Jahren Verspätung urplötzlich an die Öffentlichkeit geht, um seinen Gewissensbissen Linderung zu verschaffen, lässt seine Glaubwürdigkeit bei nüchterner Betrachtung fragwürdig erscheinen. Wussten die ARD-Journalisten nichts von Schulz‘ Vita? Oder haben sie es dem Zuschauer nur verschwiegen, um ihren einzigen Zeugen nicht selbst weiter zu beschädigen? Es kommt noch schlimmer.
Zunächst lohnt es sich, den Bericht etwas genauer daraufhin zu untersuchen, ob die notwendige journalistische Sorgfalt eingehalten wurde, ob die Zeugen glaubwürdig sind, ob die wesentlichen Fakten recherchiert oder aber verschwiegen wurden. Reichen Material und Recherchen aus, jemandem „für die Kultur der Korruption entscheidende Mitverantwortung“ anzulasten oder gar zu behaupten, er habe das Korruptionssystem „etabliert“ oder wurden durch die Berichterstattung der Pressekodex sowie zivil- oder gar strafrechtliche Vorschriften verletzt. Als Ursache des Problems wurde von der ARD der Präsident des Internationalen Fechtverbands (FIE), der russisch-usbekische Milliardär Alischer Usmanow, ausgemacht, der sich Anfang 2022 selbst suspendierte und einer meiner Mandanten ist.
Alles an dem Bericht der ARD ist faul
Der ARD-Bericht zeigt eingangs ein Gefecht bei Olympia, das am 27.07.2024 zwischen einem Georgier und einem Ägypter stattfand, man sieht den entscheidenden Treffer. Der Georgier wähnt sich als Sieger, die Schiedsrichter entscheiden gegen ihn, es kommt zum Streit. Der Georgier fühlt sich betrogen. Streitige Entscheidungen im Sport sind selbst bei Mitwirkung von Video-Schiedsrichtern alltäglich. Wir erinnern uns an die Handelfmeter-Szene im Halbfinale der Fußballeuropameisterschaft 2024 zwischen Deutschland und Spanien. „Beweise für Manipulationen in diesem Kampf gibt es nicht, für die Schiedsrichter sind Entscheidungen im Säbelfechten oft schwierig“, heißt es in dem ARD-Bericht. Welchem journalistischen Zweck diente dann diese Eingangsszene? Dem Beleg für etwas, das jeder weiß, dass es im Sport Streit um Schiedsrichterentscheidungen gibt oder doch nur dem Aufheizen der Zuschauer?
Es folgt ein Interview mit Joachim Wargalla. Wargalla ist ein früherer Kampfrichter, vor Jahrzehnten bei hochrangigen Turnieren eingesetzt, heute Vertreter einer österreichischen Firma, die Tropfen und Dragees gegen Gallensteinerkrankungen und Sprays zum Schutz gegen Zecken und Bremsen verkauft. Wargalla ist noch hobbymäßig aktiv.
Von ihm erfährt der Zuschauer, dass das Regelwerk im Fechtsport kompliziert sei und missbraucht werden könne. Das mag zutreffen. Ob sich auch aktive Schiedsrichter überfordert fühlen, erfahren wir nicht. Die „Sportschau“ aber tut so, als wäre die triviale Erkenntnis, dass Missbrauch möglich sei, sensationell und als gäbe es diese Möglichkeit nicht überall, sondern allein beim Fechten. „Wird etwa im großen Stil betrogen?“ raunt der Sender geheimnisvoll allein auf Basis dieser Plattitüde. Die Aussagen von Wargalla erschöpfen sich in vagen Andeutungen und beleglosen Unterstellungen. Der seit Jahrzehnten nicht mehr auf wichtigen Turnieren eingesetzte Schiedsrichter nennt keinen einzigen konkreten Fall, in dem es zu Bestechung oder versuchter Bestechung gekommen sein soll, er behauptet nicht einmal, auch nur davon gehört zu haben. Seine Äußerungen liefern keinen Beleg für ein angebliches „Korruptionssystem“, sie wabern wertlos im Diffusen herum, ohne Tat und Täter zu nennen.
Dann folgt der Auftritt des von der ARD als „Kronzeuge“ bezeichneten Marcus Schulz. Man habe mit einer Person gesprochen, die „auf höchster Ebene international als Schiedsrichter im Einsatz war“. Auch das mit der „höchsten Ebene“ ist nicht ganz richtig, Schulz hatte sich zuletzt sogar gar nicht mehr qualifiziert. Erst nach seinem mangels Nominierung enttäuschenden Abschied geht er nun an die Öffentlichkeit und behauptet, ihm sei in einem Fall, und zwar vor acht Jahren, Bestechungsgeld in Höhe von € 5000,00 angeboten worden, um einen Fechter zu bevorteilen. Eine zweite Quelle gibt es nicht. Ein weiterer Bestechungsversuch wird nicht behauptet. Schulz: „Das ganze System ist darauf ausgerichtet, bei Olympia zu betrügen.“ ARD: „Haben sich etwa Fechter durch Schiebung und Korruption für Olympia qualifizieren können?“
Die „Sportschau“ führt sich dann selbst ad absurdum, wenn sie Wargalla erzählen lässt: „Ein bezahlter Kampfrichter, dem man sagt, was er zu tun hat, erfordert eigentlich gar nicht ein Bestechungsgeld in dem Sinne.“ Wer hat wem wann gesagt, was er zu tun hat? Kennt Wargalla einen einzigen solchen Fall? Ist es ihm selbst passiert? Kennt er jemanden, dem das passiert ist? Nachfrage der gleich fünf mit dem Thema befassten ARD-Journalisten Fehlanzeige. Wargallas Aussage lautet letztlich: Bestechungsgelder gibt es nicht, weil man sie gar nicht braucht, was allerding nicht so recht zur reißerischen „Sportschau“-Überschrift passt („5000 Euro Bestechungsgeld im Säbelfechten“).
Dann kommt wieder Kronzeuge Schulz zum Einsatz: „Wenn Sie sagen würden, wir haben jetzt zehn Top-Kampfrichter im Säbel. Elite. Weltweit. Dann sind fünf von denen, sagen wir mal, beeinflussbar.“ Wie kommt er auf diese Zahl? Von welchen Kampfrichtern spricht er? Hat er einfach geschätzt? Was bedeutet die Aussage „sagen wir mal“? Hat irgendjemand nachgefragt?
ARD verschweigt US-Urteil
Geradezu skandalös ist das journalistische Versagen des „Doping-Experten“ Hans-Joachim Seppelt und seiner Kollegen aber in Hinblick auf das, was Lesern und Zuschauern mit Vorsatz oder Inkompetenz verschwiegen wird. Man liest:
„In den USA hat der nationale Fechtverband bereits eine unabhängige Untersuchung eingeleitet. Weil es Auffälligkeiten gab in Gefechten von zwei Athleten, die sich in der Folge für Olympia qualifizierten, wurden beide Fechter vom Verband Ende vergangenen Jahres angeschrieben wegen ‚verdächtiger Schiedsrichter-Aktivitäten‘, die darauf hindeuteten, sie seien ‚bevorzugt behandelt‘ worden. Der Verband sei ‚im Besitz von Daten‘, aus denen der ‚Vorwurf der Manipulation des Sports‘ hervorgehe.“
Skandalös ist diese Passage aus mindestens zwei Gründen: Die ARD veröffentlichte ihren Bericht am 05.08.2024, die Fernsehausstrahlung (wohl) am Vortag. Aber bereits mehr als einen Monat zuvor, am 23.06.2024, hat ein US-Schiedsgericht über die erwähnten Vorwürfe entschieden, die Anhörungen fanden im Juni 2024 statt. Das Urteil (Chamberlain and Burke vs USA Fencing Case No. 24060602) ist online abrufbar, der Sender verschweigt die US-Entscheidung komplett. In ihrem Tenor heißt es:
„Mehrere Zeugen gaben an, dass bestimmte Kampfrichterentscheidungen in beide Richtungen hätten ausfallen können...und...auch gut ausgebildete Kampfrichter oft unterschiedliche Auffassungen über die richtige Entscheidung haben, insbesondere wenn sie diese in Echtzeit und ohne Hilfe von Videowiederholungen fällen müssen. Auf der Grundlage der derzeit verfügbaren Beweise haben die Kläger nicht bewiesen, dass eine der Entscheidungen der Schiedsrichter, die die betreffenden Kämpfe leiteten, das Ergebnis von Betrug, Korruption, Parteilichkeit oder anderem Fehlverhalten waren.“
Als Zeuge wurde auch Marcus Schulz gehört, den eine Klägerin benannt hatte. Das Gericht hält (Seite 16) fest:
„Obwohl es in der Fechtbranche Spekulationen darüber gibt, dass Kämpfe manipuliert wurden und Geld geflossen sein könnte, haben alle Zeugen, die zu diesem Thema ausgesagt haben, bestätigt, dass sie noch nie Zeuge eines Geldflusses zur Manipulation eines Kampfes waren.“
Vor Gericht hat Schulz den angeblichen Bestechungsversuch verschwiegen. Das lässt sich nicht rechtfertigen und beschädigt die Glaubwürdigkeit des ARD-Kronzeugen irreparabel. Vier Wochen später packt Schulz dann auf einem obskuren YouTube-Kanal plötzlich aus. Auf YouTube oder in der ARD ist man nicht zur Wahrheit verpflichtet, vor Gericht unter Eid schon.
Eine weitere Passage schließlich legt nahe, dass auch das US-Gericht Schulz für einen Selbstdarsteller hielt, der wilde Anschuldigungen erhebt, aber zur Untermauerung unfähig war. Gerichte formulieren zurückhaltend:
„Herr Schulz sagte aus, dass einem Schiedsrichter während der Weltmeisterschaft in Algier und dem Grand Prix in Seoul, Korea, ‚unmögliche‘ Fehler unterlaufen seien, die ein internationaler Schiedsrichter nicht ohne Manipulation machen würde. Er hat allerdings nicht vermocht, die angeblichen Fehler aufzuzeigen.“
Entweder die ARD und Seppelt verschweigen das Ergebnis des US-Verfahrens, von dem sie wussten und täuschen damit die Zuschauer vorsätzlich. Und sie vertuschen, dass alle Zeugen vor Gericht bestätigt haben, „noch nie Zeuge eines Geldflusses“ gewesen zu sein. Oder Seppelt und Co. haben so schlampig recherchiert, das man sich eines Kommentars zu diesem journalistischen Komplettversagen enthalten möchte.
Sodann wendet sich der Beitrag Alisher Usmanow zu, denn keine Verschwörungstheorie kommt ohne dunkle Hintermänner aus. Man erfährt, dass Usmanow die weltweiten Fechtverbände seit 2008 mit rund $ 80 Millionen unterstützt habe. Dabei wird nicht eine denkbare philanthropische Großzügigkeit betont, vielmehr sei das Geld in die Verbände „gedrückt“ worden, zur Schaffung von Abhängigkeiten, „auch mit großem Einfluss auf das Schiedsrichterwesen“. Es klingt so, als habe man die Verbände zur Geldannahme nötigen müssen. Ernst nehmen kann man die Reportage hier schon lange nicht mehr. Usmanows Zahlung namhafter Beträge an eine große Zahl von Verbänden wird erwähnt, der Rest ist auch hier pure, reißerische Spekulation.
„Alischer Usmanov war in seiner Jugend ein sehr guter Fechter, auch wenn man ihm die leichtfüßige Eleganz dieses Sports heute nicht mehr ansieht“, hielt der „Spiegel“ in einem Artikel vom 23.09.2022 fest. Dem Sport somit eng verbunden, kandidierte Usmanow 2008 für die Präsidentschaft des Weltfechtverbandes und gewann. Über 100 Fechtverbände sprechen sich heute für die Streichung Usmanows von den Sanktionslisten und seine Rückkehr an die Spitze der International Fencing Federation (FIE) aus. All dies zu erwähnen, unterlässt der Bericht.
Denn man hat ja den Kronzeugen Schulz. Dieser, während des Interviews laut Auskunft des Senders schwer erkältet und offenbar auch fiebrig, merkt an, es seien „ganze Riegen von Kampfrichtern ausgebildet“ und „von den Organen von oben in den Sport gedrückt“ worden. Dies habe eine „ganz andere Dimension angenommen“. Was das heißen soll, haben die Journalisten der Sportschau nicht nachgefragt. Wenn man davon ausgeht, dass in jedem Sportverband die Ausbildung der Schiedsrichter „den Organen“ des Verbandes obliegt und diese nach ihrer Ausbildung aktiv werden, fragt man sich, worin hier eigentlich das Verwerfliche liegen soll. Aber nach allem, was wir über Schulz wissen, ist es eigentlich egal, was er behauptet.
Die Schlussfolgerung der ARD ist: Usmanow trage „für die Kultur der Korruption im Schiedsrichterwesen entscheidende Mitverantwortung.“ Dass der Bericht bereits daran scheitert, eine derartige Kultur darzulegen, hat der Zuschauer bis dahin längst gemerkt.
Der ARD-Beitrag weist schwere fachliche Mängel auf
Jeder verantwortungsvoll arbeitende Journalist muss, auch ohne Kenntnis der Vorfälle in dem US-Verfahren, sofort misstrauisch werden, wenn ein „Informant“ wie Herr Schulz, der ein Jahr zuvor als Schiedsrichter mangels Nominierung ausgeschieden ist, acht Jahre nach einem angeblichen Bestechungsversuch von Bedenken überwältigt wird und an die Öffentlichkeit geht. Was hat ihn dazu motiviert? Hat er eigene Interessen? Will er sich für seine Disqualifikation revanchieren? Warum sucht er erst jetzt die Öffentlichkeit? Wer hat ihn angeblich bestochen? Welchen Fechter sollte er bevorzugen? Warum werden keine Namen genannt? Warum haben die Journalisten nicht nachgefragt? Warum hat sich Schulz nicht sofort, also vor acht Jahren, gfs. anonym, an die zuständigen Organe des Verbandes gewandt, sondern dieser ihm als Schiedsrichter obliegenden Pflicht zuwidergehandelt? Wie rechtfertigt er dies? Warum hat er erst acht Jahre später moralische Bedenken bekommen? Hätte es bei gründlich und verantwortungsbewusst arbeitenden Journalisten kein Misstrauen wecken müssen, wenn der „Kronzeuge“ sieben weitere Jahre in einem angeblich korrupten System weiter mitgewirkt hat und erst viel später vortritt, obwohl ihm schon vor acht Jahren „seine Begeisterung abhandengekommen“ sei? Hat dies keinen Einfluss auf seine Glaubwürdigkeit? Warum gibt es keine zweite Quelle?
Haben die Journalisten recherchiert, wer der Trainer war, der Schulz vor einem knappen Jahrzehnt € 5.000,00 angeboten haben soll? War dies der einzige Fall, den Schulz in über 10 Jahren Schiedsrichtertätigkeit erlebt hat? Kann er einen einzigen anderen Schiedsrichter namentlich benennen, der bestochen wurde oder ihm davon berichtete? Haben die Journalisten ihn danach überhaupt gefragt? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, warum erfahren wir die Antwort nicht? Mit etwas Recherche findet man heraus, dass der Trainer von Schulz, der „wie ein Vater“ für ihn war, nach meinen allerdings noch nicht abgeschlossenen Nachforschungen im August 2022 verstorben ist, der einzige Gegenzeuge also nicht mehr existiert. Kam es Schulz darauf an? Hat er deshalb so lange gewartet?
Der zur ARD gehörende NDR veröffentlicht einen Ratgeber Medienkompetenz. Dort kann man folgendes lesen: „Eine Information kann veröffentlicht werden, wenn zwei Quellen unabhängig voneinander diese bestätigen.“ Wurde dieser Grundsatz hier berücksichtigt? Nein.
Dem Bericht folgt ein Interview mit Hajo Seppelt, der behauptet, ihm sei „von einem Informanten“ ein Video zugespielt worden. Ganz so dramatisch ist es nicht, denn das Video kann sich jedermann auf YouTube ansehen. Seppelts investigative „journalistische“ Leistung besteht darin, dieses Video zu kopieren und ohne jede belastbare Faktenbasis etwas von Korruption zu raunen. Seppelt besitzt sogar die Dreistigkeit, nach dieser journalistischen Bankrotterklärung zu behaupten: „Usmanow..hat dieses System…etabliert.“
Und wie rechtfertigt sich der WDR, nachdem er hierzu eine anwaltliche Abmahnung erhielt:
„[Es] handelt sich um eine nicht diffamierende Meinungsäußerung mit Sachbezug.“
Das bleibt also übrig. Man räumt ein man habe keine Fakten, man stelle keine Tatsachenbehauptung auf. Fünf Journalisten recherchieren und sind ohne Belege zu der „Meinung“ gelangt, dass ein System von Korruption und Bestechung herrscht. Ein schon historisches Armutszeugnis, ein völliges Abdanken jeglicher journalistischer Ethik.
Die Fakten
Die gebotenen Recherchen, die die ARD unterlassen hat, hätten ergeben, dass die Fechtgemeinschaft während der Präsidentschaft von Usmanow erhebliche Fortschritte in Bezug auf die Transparenz und die Verbesserung ihres Regelsystems gemacht hat.
Die FIE (der internationale Verband) führte während seiner Amtszeit Echtzeitübertragungen von Gefechten auf einem Großbildschirm ein, die es dem Zuschauer ermöglichen, das Gefecht bis ins kleinste Detail zu verfolgen, des Weiteren gibt es jetzt videobasierte Kampfrichtereinsätze. Die FIE führte weiter ein computergestütztes System für die zufällige Auslosung von Schiedsrichtern ein, so dass der Schiedsrichter für jedes Gefecht erst 30 Minuten vor dessen Beginn benannt wird. Eine Regelung, die die Bestechung des ausgewählten Schiedsrichters fast unmöglich machen, jedenfalls aber ganz erheblich erschweren dürfte.mAuch davon erfährt man in dem Bericht nichts.
Schließlich erlaubt ein Blick auf den Medaillenspiegel der olympischen Fechtwettbewerbe 2024 eine objektive Einschätzung dazu, welche Länder gut abgeschnitten haben und welche nicht. Frankreich gewann sieben Medaillen, Italien und Japan je fünf, die USA vier, Ungarn und Südkorea je drei, Hongkong und die Ukraine je zwei. Fünf weitere Länder, darunter Tunesien und Ägypten, erhielten jeweils eine Medaille. Angesichts der breiten geografischen Streuung der Gewinnerländer würde ich die Autoren des ARD-Berichts gerne fragen: Wer hat hier eigentlich von dem Korruptionssystem, das Herr Usmanow etabliert haben soll, profitiert?
Der Bericht der Sportschau und ihrer führenden Sport-Reporter ist eine ethische und journalistische Bankrotterklärung, die auch zivil- und strafrechtlich angreifbar ist. Keine Beweise, völlig unglaubwürdige Zeugen und am Ende werden strafbare Verleumdung und rufschädigende Schmähungen herablassend als „Meinungsäußerung mit Sachbezug“ verkauft.
Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote des Pressekodex. Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen sind auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen. Hajo Seppelt, Sebastian Krause, Peter Wozny, Jörg Mebus und Jörg Winterfeldt sind als Autoren für den hier geschilderten Bericht verantwortlich. Namen die Sie sich merken sollten. Fünf Männer, für die die Berufsethik lediglich ein lästiges Hindernis beim Produzieren von verleumderischen und niederträchtigen Artikeln wie diesem ist. Jetzt haben die Gerichte das Wort.
Joachim Nikolaus Steinhöfel, geboren 1962 in Hamburg, ist einer der profiliertesten deutschen Wettbewerbsrechtler, Medienanwalt sowie Publizist.