Tagesschau.de berichtete von manipulierten Schwarzen und Latinos, ARD-"Faktenfinderin" Laura Bisch meint: „Desinformation vor US-Wahl. Maßgeschneidert und zielgerichtet“. Wer die Substanz dieser Story prüft, kriegt das kalte Grausen.
Esosa Osa war im Zuge des amerikanischen Wahlkampfes in den letzten Monaten bei Journalisten sehr gefragt. Sie hat früher für die Finanzkonzerne Morgan Stanley und BlackRock gearbeitet, danach wurde sie eine Lobbyistin der Demokratischen Partei. So arbeitete sie für die Organisation Fair Fight Action, die 2018 von Stacey Abrams gegründet wurde. Abrams wird von Sendern wie CNN, CNBC, MSNBC regelmäßig als Interviewgast zugeschaltet und ist darum eine der wenigen in den ganzen USA bekannten schwarzen Politikerinnen der Demokratischen Partei.
2018 trat sie bei den Gouverneurswahlen in Georgia an und verlor gegen den Republikaner Brian Kemp. Sie weigerte sich, das Wahlergebnis anzuerkennen und behauptete auch Jahre später noch, dass sie nur wegen vermeintlich „unfairer“ Wahlen verloren habe. Schwarze seien angeblich am Wählen gehindert worden. Sie gründete Fair Fight Action, einen Verein, dessen Zweck es ist, den Anschuldigungen der Wahlverliererin Gehör zu verschaffen, in der Öffentlichkeit und vor Gericht.
Im Oktober 2022 wurde eine Klage von Abrams und Fair Fight Action vom Bezirksgericht Nord-Georgia zurückgewiesen. Richter Steve C. Jones – ein Schwarzer, falls das wichtig ist – schrieb in seiner Begründung, das Wahlsystem Georgias sei zwar „nicht perfekt“, es gebe aber keine Praktiken, die gegen die Verfassung oder das Wahlrechtsgesetz verstießen. Fair Fight Action war damit in eine Sackgasse geraten. Monate später gründete Esosa Osa ihr eigenes Kleinunternehmen, Onyx Impact. Es basiert auf der These, dass es eine gezielte (!) „Desinformation“ schwarzer Wähler gebe. Sie würden mit vermeintlich falschen Informationen versorgt, damit sie nicht mehr die Demokraten wählen.
Klar, dass das ein Braten ist, der viele Journalisten interessiert – in den USA und auch bei uns. Gerade im jetzigen US-Präsidentschaftswahlkampf, wo Latinos stärker als früher zu den Republikanern tendieren und laut einer Umfrage jeder vierte schwarze männliche Wähler unter 50 für Trump stimmen könnte. Da muss es doch eine Verschwörungstheorie geben, die dieses Phänomen zufriedenstellend erklärt, oder?
„Russische Desinformation“
Mit einem derartigen Kommentar haben wir uns kürzlich auseinandergesetzt. ZDF-„Faktenchecker“ Nils Metzger wollte herausgefunden haben, dass „russische Desinformation“ am Werk sein müsse, wenn junge schwarze Männer nicht die Demokraten wählen.
Wenn man feststellt, dass die „politischen Überzeugungen“„konservativer (sind) als die älterer schwarzer Wähler“, dann stecke „eine bewusste Strategie der Republikaner und rechter Influencer“ sowie „Falsch- und Desinformationen im Netz, die sich gezielt an die Black Community richten“, glaubt Metzger. Könnte es sein, dass diese einfach wie zwei Drittel der US-Bevölkerung der Ansicht sind, dass die USA sich auf dem falschen Weg befinden? Das wäre für unseren Faktenchecker zu einfach, wer würde dann mit ihm zusammen Kaffeesatz lesen wollen. Gewährsfrau für Metzger war die eingangs erwähnte Esosa Osa.
„Mindestens 40 Millionen Nutzer von primär an Schwarze US-Bürger gerichteten Online-Angeboten würden regelmäßig Falschinformationen ausgesetzt“, habe Onyx Impact herausgefunden. Wer darüber entscheidet, was eine Falschinformation ist? Esosa Osa natürlich. In der Zusammenfassung ihrer Studie gibt es auf Seite 5 ein Spaghettidiagramm, das die „Falsch“- bzw. „Desinformationen“ schlagwortartig auflistet. Unter den Schlagwörtern findet sich neben „Anti-Einwanderung“, „Anti-LGBTQ+“, „revisionistischer Geschichtsschreibung“ und „Covid 19 / Gesundheit“ auch: „Biden hat Versprechen gebrochen“. Wer also meint, der Präsident habe nicht alle seine Wahlkampfversprechen von 2020 eingelöst – was sogar die Redaktion der New York Times so sieht –, der verbreitet „Desinformation“. Man fühlt sich an Nordkorea erinnert; jedenfalls kann man Frau Osa wirklich nicht vorwerfen, sie schütze Objektivität vor. Klar, dass deutsche Faktenchecker ihren Parteiquark für bare Münze nehmen.
„Desinformation hat Hochkonjunktur“
Nun hat tagesschau.de einen zweiten Aufguss der These von den manipulierten Schwarzen und Latinos gebracht, von ARD-Faktenfinderin Laura Bisch: „Desinformation vor US-Wahl. Maßgeschneidert und zielgerichtet“. Schon das Bild gibt die Tendenz vor: Eine schwarze Frau mit einer humorvoll-patriotischen Verkleidung (darunter eine übergroße rote „USA“-Brille), MAGA-Kappe in der linken Hand und eine Kette, die wie ein Rosenkranz aussieht, in der rechten. Exzentrisch soll man sich die schwarzen Wähler von Trump vorstellen. Bisch will erfahren haben, dass „Desinformation“ in den USA „Hochkonjunktur“ habe. „Befragungen und Studien zeigen, dass einige davon maßgeschneidert auf bestimmte Bevölkerungsgruppen sind.“
Edda Humprecht, eine Professorin für Digitalisierung und Öffentlichkeit an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, wird mit der Einschätzung zitiert, dass die Nutzung sozialer Medien Menschen „anfälliger für Desinformation“ mache. Aha. Soweit die deutsche Professorin. Dann kommt Esosa Osa:
„Die Nonprofit-Organisation Onyx Impact hat in einer Studie untersucht, wie sich Falschinformationen 2024 speziell in afroamerikanischen Communitys in den USA verbreiten und welche Narrative dabei im Fokus stehen. Darunter waren etwa angeblich gebrochene Versprechen von US-Präsident Joe Biden. Zudem seien Anti-Einwanderungs- sowie Anti-LGBTQ+-Narrative in mehreren Desinformationsnetzwerken weit verbreitet, heißt es in der Studie weiter.“
Zur Desinformation zählt die deutsche Faktencheckerin „etwa das Narrativ der ‚Grenzkrise’“. Sehen wir uns das „Narrativ“ an. Mehr als die Hälfte der Wähler der Demokratischen Partei ist laut einer Umfrage der Meinung, dass diese Grenzkrise wirklich existiert. Die Washington Post benutzte schon 2021 die Formulierung „Bidens Grenzkrise“ als Überschrift für einen Beitrag. Auf CNN findet sich eine ausführliche Fotoreportage mit dem Titel „Im Innern der Grenzkrise“. Und jetzt kommt der Schock: Selbst Präsident Joe Biden sprach im Januar 2024 in einer Rede von der „Grenzkrise“. Um etwas gegen dieses „Narrativ“ einzuwenden, muss man schon sehr weit links von der Demokratischen Partei stehen. Von diesem Blickwinkel aus ist dann alles „Desinformation“, was nicht dem eigenen Weltbild entspricht.
Frau Bisch erklärt das „Narrativ der Grenzkrise“, indem sie in indirekter Rede den Bericht von Esosa Osa zitiert:
„Dieses besage, lateinamerikanische Einwanderer seien dafür verantwortlich, dass afroamerikanische Gemeinden angeblich Ressourcen und Arbeitsplätze verlieren, heißt es in der Studie.“
Und das bilden sie sich bloß ein? Zwei Autoren des Center for Immigration Studies schrieben schon vor 32 Jahren in einem Zeitungsbeitrag für den New Pittsburgh Courier:
„Während die massive Einwanderung billige Arbeitskräfte liefert, von denen ein wohlhabender Teil der Amerikaner profitiert, verschlechtert sie die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse auf eine Weise, die die schwarzen Bürger überproportional schädigt.“
Es sei „an der Zeit, klar nachzudenken und offen darüber zu sprechen, was 27 Jahre massiver Einwanderung den Schwarzen angetan“ hätten. „Massive Einwanderung“ vergrößere „die Kluft zwischen Reichtum und Armut und berge „sozialen Sprengstoff“.
„Dieses Land hat eine lange und traurige Geschichte, in der es den massiven Import gering qualifizierter ausländischer Arbeitskräfte zugelassen hat, um Afroamerikaner zu verdrängen, obwohl die meisten zeitgenössischen schwarzen Führer die Fähigkeit verloren oder aufgegeben haben, über diese schwierige Realität zu sprechen.“
Selbstentlarvung
Zurück zum ARD-Beitrag. Als Desinformationsnarrative erwähnt dieser – unter Berufung auf einen weiteren Experten, Tamoa Calzadilla von Factchequado – auch folgende Themen:
– Inflation: „Das ziele vor allem auf Menschen aus Argentinien und Venezuela ab.“
– Wahlbetrug oder manipulierte Wahlen: Dafür „seien Menschen aus Honduras, Nicaragua oder Ecuador zugänglich, weil es dort solche Fälle gab“.
– „Falschnachrichten um das Thema Abtreibung“: Das richte sich an Lateinamerikaner, „da diese meist katholisch seien“. Ohne die Desinformation rechter Influencer würde der Papst Abtreibungen begrüßen, muss das wohl heißen.
Ob Desinformation einen Effekt auf das Wahlverhalten habe, fragt sich die Autorin. Das sei „noch unklar“. Wohl deshalb, weil man noch nicht weiß, ob Trump oder Harris die Wahlen gewinnen werden. Gewinnt Trump, dann muss die „Desinformation“ erfolgreich gewesen sein. Laura Bisch macht sich Sorgen:
„Die Latinos tendieren Umfragen zufolge weiterhin zu den Demokraten — allerdings hat sich der Abstand zu jenen, die republikanisch wählen, über die Jahre deutlich verringert.“
Sehr bedenklich. Dazu gibt es viele Schwarze, die sich ihre Mentholzigaretten nicht verbieten lassen wollen:
„Ein prominentes Beispiel ist eine Lobbygruppe, die finanziell von Musk unterstützt wird — ein sogenanntes Political Action Committee (PAC). Dabei wurden vor allem afroamerikanischen Wählern in den USA Anzeigen auf dem Kurznachrichtendienst Snapchat präsentiert, die besagten, Kamala Harris wolle Mentholzigaretten verbieten."
„Brisant“ daran sei, dass Erhebungen gezeigt hätten, „dass 81 Prozent der afroamerikanischen Rauchenden Mentholzigaretten verwenden“.
Dann geht sie ein mögliches Verbot also an. Wo ist hier die Desinformation?
„Vor dem Hintergrund, dass bereits die Biden-Administration über ein Verbot von Mentholzigaretten nachgedacht hat, handelt es sich dabei nicht um eine klassische Desinformation – die Anzeigen suggerieren afroamerikanischen Wählern aber eine Bedrohung ihrer Lebensweisen durch eine mögliche Präsidentin Harris.“
Ja, weil die Regierung Biden/Harris diese „Lebensweise“ – das Rauchen eines bestimmten Typs von aromatisierten Zigaretten – tatsächlich verbieten will. Keine „klassische Desinformation“? Das ist so, als würde man schreiben, tagesschau.de habe die Ergebnisse der Fußballbundesliga letzten Samstag korrekt gemeldet, es sei also „keine klassische Desinformation“. Es ist überhaupt keine Desinformation. Aber das traut sich Bisch nicht zu schreiben. Weil sie so wenige Belege hat, mag sie darauf nicht verzichten.
NDR fällt immer wieder wegen Desinformation auf
tagesschau.de wird vom NDR verantwortet. NDR-Mitarbeiter klagten in der Vergangenheit darüber, „Berichterstattung werde teilweise verhindert und kritische Informationen heruntergespielt“. „Autoren würden abgezogen und Beiträge in den Abnahmen massiv verändert.“ Es gebe beim NDR in Kiel einen „politischen Filter“, Führungskräfte würden wie ‚Pressesprecher der Ministerien’ agieren, die kritischen Themen frühzeitig die Relevanz absprechen.“
Das Hamburger Landgericht untersagte 2023 dem NDR „elf Passagen und damit wesentliche Teile der Berichterstattung“ über den ehemaligen „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt. So sei etwa die Behauptung, er habe um „2 Uhr morgens“ eine Frau „per Textnachricht aufgefordert“, „sofort in sein Hotelzimmer zu kommen, wo es dann zum schnellen Sex gekommen sei“, „frei erfunden.“
Der Sänger der Band Rammstein, Till Lindemann, erwirkte im Juli 2024 vor dem Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung gegen den NDR. Wie Zeitungen berichteten, wurde es dem NDR untersagt, den Verdacht zu erwecken, Lindemann hätte sexuelle Handlungen an einer bewusstlosen Frau ohne deren Einverständnis vorgenommen. Dieser Verdacht sei rechtswidrig verbreitet worden, denn es mangele am „erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen“.
Im Oktober 2024 wurde gegen den NDR ein Ordnungsgeld verhängt, weil er sich weigerte, eine falsche Berichterstattung vollständig zu korrigieren.
Das Oberlandesgericht Hamburg hatte, wie Apollo News berichtete, Ende September eine Revision des NDR gegen ein früheres Urteil des Landgerichts Hamburg abgelehnt:
„Demnach darf der NDR weiterhin nicht behaupten, dass Correctiv eine Geheimkonferenz in Potsdam aufgedeckt habe, bei der angebliche Pläne zur Massendeportation von Migranten diskutiert wurden. Das Gericht bestätigte, dass diese Darstellung falsch sei, keine konkreten Deportationspläne besprochen wurden und der NDR entsprechend auch nicht solche Behauptungen tätigen darf.“
Der Sender hatte das Urteil, das ihn zu einem Verzicht auf seine Aussagen aufforderte, ignoriert und dennoch weiterhin entsprechende Äußerungen getätigt. Ob es über die vom NDR verbreitete Desinformation schon eine Studie gibt? Oder eine Einschätzung von Edda Humprecht, der Professorin für Digitalisierung und Öffentlichkeit? Wenn ja, werden wir es auf tagesschau.de bestimmt bald lesen.
Es geht hier aber um mehr als um falsche Informationen des NDR. Dass politische Themen wie Inflation und illegale Einwanderung, die die Wähler für dringend halten – nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland –, zu Beispielen für „Desinformation“ gemacht werden, sollte jeden Staatsbürger beunruhigen. Und wenn Laura Bisch glaubt, dass sich in erster Linie Menschen aus klassischen Krisenländern wie Argentinien und Venezuela Sorgen wegen der hohen Lebenshaltungkosten machten, zeigt das, in welchem Elfenbeinturm die Autorin sitzt. Es scheint fast, als wolle sie die Entscheidung, welche Anliegen Gehör beanspruchen dürfen und welche „Desinformation“ sind, einer kleinen Kaste von „Experten“ vorbehalten.
Stefan Frank, geboren 1976, ist unabhängiger Publizist und schreibt u.a. für Audiatur online, die Jüdische Rundschau und MENA Watch. Buchveröffentlichungen: Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise (2009); Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos (2012).