Arbeitsmarkt im März – die ukrainischen Flüchtlinge kommen

Auch für den Monat März geht wieder der Vorhang für das überaus erfolgreiche Theaterstück auf, welches auf den Namen „Arbeitslosenzahlen“ hört. Vom Genre her handelt es sich um eine Mischung aus Science-Fiction, Grimms Märchen und Drama.

So bejubelt der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA) den Rückgang der Zahlen auf 2.827.000: „Im März gab es am Arbeitsmarkt eine spürbare Frühjahrsbelebung – und das, obwohl die Infektionen steigen und die Einschränkungen für einige Wirtschaftsbereiche nach wie vor bestehen. Insgesamt zeigt der Arbeitsmarkt aber weiter sehr deutliche Spuren der nun seit einem Jahr andauernden Krise.“

Monat für Monat Fake News

Dass diese Zahl nichts weiter als Fiktion ist, weiß der BA-Chef. Und auch der alerte Journalist, von „Tagesschau“ bis „Zeit“, „Welt“, „Spiegel“ und der Medien mehr, die diese Zahlen übernehmen, sollten es besser wissen.

Doch eigentlich liegt die Zahl schätzungsweise zwischen 5,5 und 6 Millionen, da viele Größen gar nicht berücksichtigt werden. Allen voran die viel besprochenen „Maßnahmen“, in der viele Arbeitslose stecken und im Übrigen eine Vielzahl an sogenannten privaten Unternehmen am Leben halten. Diese tauchen zwar in dem Monatsbericht bei „Unterbeschäftigung“ auf, finden aber in der monatlichen Legendenzahl, die dann Tagesschau, Spiegel und Co verbreiten, keinen Raum. Auch ALG-I-Bezieher und Beschäftigte über 58 Jahre werden nicht berücksichtigt.

Monat für Monat versuche ich die Leser dahingehend aufzuklären, dass sie von der BA und den meisten Medien schlicht für dumm verkauft werden. Doch auch jenseits der Arbeitslosenzahl schaue ich mir den Arbeitsmarkt an. Hierbei muss man auch die kommenden Belastungen ankommender ukrainischer Flüchtlinge betrachten.

2022 ist nicht das neue 2015

Zunächst möchte ich Vergleiche mit 2015 entschieden zurückweisen. Das hat viele Gründe.

  • Ukrainische Flüchtlinge sind kulturell den Deutschen näher, was eine mögliche Integration in den Arbeitsmarkt erheblich erleichtern dürfte. Gepflogenheiten wie Pünktlichkeit und Leistungsbereitschaft gehören auch in ihrem Land zum Standard. Ferner stören religiöse Riten den Arbeitsablauf nicht. Ein Beispiel ist der Ramadan, der gerade in produzierenden Gewerben regelmäßig für Probleme sorgt.
     
  • Im Gegensatz zu vielen, die 2015 nach Deutschland kamen, genießen Ukrainer einen hohen Bildungsstand. Das Schulsystem ist, ähnlich wie das russische, sehr an Leistung orientiert. Naturwissenschaftliche Fächer sowie Mathematik werden traditionell als sehr wichtig empfunden – etwas, das dem deutschen Arbeitsmarkt nur gut tun kann.
     
  • Die fast einhellige Meinung der Flüchtlinge ist, dass sie, sobald Frieden herrscht, wieder in die Ukraine zurückkehren wollen. Das ist vielleicht der fundamentale Unterschied zu 2015. Die damaligen Migranten sind gekommen, um dauerhaft zu bleiben. Immer noch sind zwischen 40 und 50 Prozent derjenigen, die auf Geheiß von Angela Merkel nach Deutschland hineingelassen wurden, arbeitslos.
     
  • Die rund 4 Millionen Ukrainer sind tatsächlich Flüchtlinge im Sinne des Rechts. Dies konnte man 2015 in dieser Pauschalität nicht sagen. Denn weder in Bosnien noch im Irak oder damals in Äthiopien herrschte Krieg. Diese Migranten hatten subjektiv verständliche wirtschaftliche Interessen, die jedoch objektiv einen Status als Asylant nicht rechtfertigt.

Die Zombifizierung geht weiter

Gestatten Sie mir eine subjektive Anmerkung jenseits des Themas Arbeitsmarkt, auch auf die Gefahr hin, mich unbeliebt zu machen: Natürlich muss auch Deutschland den ukrainischen Menschen helfen. Eine Politik ohne Moral ist letzten Endes eine Politik ohne Sittlichkeit und Anstand. Ukrainer und Deutsche haben kulturelle Ähnlichkeiten, und wenn es so etwas wie einen europäischen Zusammenhalt gibt, dann sollte er jetzt zum Tragen kommen, was auch in einer beeindruckenden Weise gerade geschieht.

Auch das ist fundamental anders als 2015: Während damals die arabischen und afrikanischen Anrainerstaaten keinen der Migranten aufnehmen wollten, erleben wir heute von Polen, Moldawien, Tschechien und der anderen europäischen Nachbarländer mehr eine enorme Aufnahmebereitschaft. Aber auch hier gilt: Ist der Krieg vorbei, so müssen die Flüchtlinge – außer sie haben sehr gute Argumente, womit wir wieder beim Arbeitsmarkt sind – wieder zurück in ihre Heimat.

Jenseits der Ukraine geht die Zombifizierung von Unternehmen weiter. So wird das Kurzarbeitergeld (KUG) bis zum 30. Juni 2022 verlängert.

Anspruch auf KUG besteht, wenn mindestens 10 Prozent der Beschäftigten einer Unternehmung einen Arbeitsentgeltausfall von mehr als 10 Prozent haben. Das Kurzarbeitergeld wird für Beschäftigte in Kurzarbeit, die einen Lohnausfall von mindestens 50 Prozent haben, bis Ende Juni weiterhin aufgestockt. Ab dem vierten Bezugsmonat – gerechnet ab März 2020 – auf 70 Prozent (77 Prozent für Personen mit Kindern) und ab dem siebten Monat auf 80 Prozent (87 Prozent für Personen mit Kindern) des entfallenen Nettoentgelts. 

Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie simpel Unternehmen sich bedürftig rechnen können, um so durch KUG Sozialversicherungsbeiträge zu sparen. Auch bei kleineren Unternehmen kommen da Subventionen (nichts anderes ist diese Leistung) in fünfstelliger Höhe zustande. Daher das Wort „Zombifizierung“, denn es lähmt Betriebe, hält sie davon ab, innovativ zu sein und sich nach der Decke zu strecken.

Faselei vom nicht vorhandenen Jobwunder

Zum Schluss möchte ich auf einen Beitrag der SZ eingehen, der in Sachen Schlichtheit kaum zu unterbieten ist. So ist in dem Beitrag „Arbeitsmarkt: Jobwunder in der Doppelkrise", der hinter einer Bezahlschranke steht, vom „großen Jobwunder“ im März trotz „Flüchtlingen und Corona“ die Rede. Das ist Unsinn. Diese Annahme ist aus mindestens drei Gründen falsch.

1. Die ukrainischen Flüchtlinge sind zwar für die Behörden eine Belastung, aber noch nicht für den Arbeitsmarkt. Da werden noch Monate ins Land gehen. Effekte welcher Art auch immer können – Stand heute – unmöglich gemessen werden.

2. Corona hat massive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Seien es ganz explizite, wie das erwähnte Kurzarbeitergeld, das den Markt völlig verzerrt, oder seien es Selbstständige, die durch die Maßnahmen in die Pleite getrieben und mit Subventionen zum Schweigen gebracht werden. Es gibt aber auch implizite Auswirkungen, die nicht weniger schlimm sind. Ich kenne Leute, gerade in kommunikativen Berufen, die seit zwei Jahren im Home Office sind. Teamleiter, die von der fernen Couch ein Team leiten sollen. Das nagt nicht nur an einem, das verändert die Arbeitswelt nachhaltig.

3. Die von der SZ propagierte Arbeitslosenzahl ist falsch und geschönt.

Also nichts neues an der Arbeitsmarkt-Front: Die echten Arbeitslosenzahlen dürften irgendwo zwischen 5 und 6 Millionen liegen. Ukrainische Flüchtlinge könnten zu einer Belastung werden, jedoch erst in einigen Monaten. Ein Vergleich – rein aus Sicht des Arbeitsmarktes – mit 2015 ist auf vielen Ebenen falsch. Jedoch sollte eine langfristige Integration in den Arbeitsmarkt nur für Mangelberufe gelten.

 

Julian Marius Plutz ist 1987 geboren und betreibt seinen eigenen Blog neomarius. Hauptberuflich arbeitet er im Personalbereich.

Foto: Tomaschoff

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Horst Jungsbluth / 05.04.2022

Im Prinzip müssten alle arbeitsfähigen Bürger, die nicht zur Schule gehen oder studieren, aber ohne Gegenleistung Geld von staatlichen Stellen erhalten, in die Statistik einfließen, weil man nur dann das ganze Ausmass erkennen kann. Aber das will man nicht, weil man dann handeln müsste und unsere Politiker hassen das, weil sie lieber reden, Geld verteilen und sich dann als soziale Wohltäter feiern lassen wollen. Und die “Sozialverbände” nehmen das dann sofort zum Anlass, um noch mehr zu fordern und weitere Gruppen einzubeziehen. Jetzt haben Corona und der russische Überfall auf die Ukraine schlagartig die ganze Misere unserer Politik aufgedeckt, aber die meisten unserer “ewig Unverantwortlichen” haben noch immer nichts begriffen. Man sieht das schon an den angekündigten Massnahmen der Regierung, wo wiederum einfach Geld unter das Volk gestreut wird und die Reaktion so ist, wie sie immer ist, es wird noch mehr gefordert. Wir haben in vielen Berufen einen Mangel an Fachkräften trotz der Millionen, die angeblich keinen Job finden. Hier muss die Politik endlich ansetzen, denn die freien Arbeitsplätze können von denen, die ohne Gegenleistung sich auf Staatskosten einen schönen Lenz machen, besetzt werden, was zur Folge hat, dass der Staat mehr einnimmt, weniger ausgibt und die Betriebe sowie die Lohn und Brot stehenden Arbeitnehmer erheblich entlastet werden. Wenn unsere Politiker diese einfache Sache nicht hinbekommenm dann ist es nur logisch, dass sie ständig auf solche Halunken wie Honecker,  Putin oder andere hereinfallen.

Walter Weimar / 05.04.2022

Flüchtlinge lassen ihr Land, Kultur, Heimat und die Verteidiger dessen im Stich.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Julian Marius Plutz, Gastautor / 07.06.2023 / 14:00 / 23

Arbeitsmarkt im Mai: Viele ungelernte Migranten

In Deutschland haben 2,5 Millionen Menschen zwischen 20 und 34 keine Berufsausbildung – jeder zweite davon hat Migrationshintergrund. Diese Ungelernten haben auf dem Arbeitsmarkt kaum eine…/ mehr

Julian Marius Plutz, Gastautor / 05.05.2023 / 16:00 / 26

Arbeitsmarkt im April: Jobs verschwinden, das Bildungsniveau sinkt

Während die Klebekinder Paul Lafargues Motto „Das Recht auf Faulheit“ ins 21. Jahrhundert transportieren, sinkt das Bildungsniveau in Deutschland. Einwanderung hilft da kaum, denn es…/ mehr

Julian Marius Plutz, Gastautor / 03.04.2023 / 16:00 / 12

Arbeitsmarkt im März: Agenda-Erfolge und Migranten-Arbeitslosigkeit

Fachkräfte werden fast überall gesucht, selbst ältere sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt, derweil sind Menschen „mit Migrationshintergrund“ unter Arbeitslosen und Bürgergeldempfängern deutlich überrepräsentiert. Ich weiß…/ mehr

Julian Marius Plutz, Gastautor / 02.03.2023 / 16:00 / 26

Arbeitsmarkt im Februar: Massenentlassungen angekündigt

Etliche große Unternehmen kündigen massiven Stellenabbau an. Derweil gefällt sich die Bundesanstalt für Arbeit in Symbolpolitik. Ein weitverbreitetes Phänomen ist die kognitive Dissonanz. Die Psychologie…/ mehr

Julian Marius Plutz, Gastautor / 06.02.2023 / 14:00 / 25

Arbeitsmarkt im Januar – Die Fachkräfte verlassen Deutschland

Die offiziellen Arbeitslosenzahlen blenden weiterhin viele Arbeitslose aus, und beim Fachkräftemangel soll Zuwanderung helfen. Dabei wird gerade die Abwanderung der deutschen Fachkräfte zunehmend zum Problem. Andrea…/ mehr

Julian Marius Plutz, Gastautor / 03.01.2023 / 14:00 / 12

Arbeitsmarkt 2023: Ein Ausblick ohne viel Hoffnung

Haben Sie auch die Nase voll von 2022? Rückblicke des Grauens, des Grusels und der Gräueltaten? Ähnlich ging es bei einem meiner Themen, dem Arbeitsmarkt,…/ mehr

Julian Marius Plutz, Gastautor / 02.12.2022 / 12:00 / 21

Arbeitsmarkt im Dezember – kaum Entspannung

Die Lage am Arbeitsmarkt bleibt prekär. Und das geplante „Bürgergeld”, das erst recht keinen Anreiz schafft, eine Beschäftigung anzunehmen, ist geeignet, die sozialen Spannungen im Land weiter zu…/ mehr

Julian Marius Plutz, Gastautor / 03.11.2022 / 16:00 / 19

Arbeitsmarkt im Oktober: Azubis fehlen an allen Ecken

Azubis werden in allen Branchen händeringend gesucht. Dax-Konzerne wie Continental oder Commerzbank können nicht alle ihre Ausbildungsstellen besetzen. Das Zauberwort als Lösungsvorschlag der Linken ist…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com