Claudio Casula / 08.02.2007 / 22:00 / 0 / Seite ausdrucken

Arafats Pudel

Uri Avnery, Arafats ältestes Groupie, ist immer noch nicht über den Verlust des Raïs hinweg. Im „Guardian“ trauert er dem Friedensfürsten im Kampfanzug hinterher. So wie Avnery auf die offizielle arabische Linie eingeschwenkt ist, nimmt es nicht wunder, dass er sich eine natürliche Todesursache nicht vorstellen kann. Während es ein mehr oder weniger offenes Geheimnis ist, dass der Vorsitzende der Autonomiebehörde wohl zu sehr auf Tuchfühlung mit seinen Leibwächtern gegangen war und sich dabei ein tödliches Virus eingefangen hatte, schließt sich Avnery lieber den wenig überraschenden Verschwörungstheorien an und spricht von Mord: „On the way back from Arafat’s funeral in 2004, I ran into Jamal Zahalka, a member of the Israeli Knesset. I asked him if he believed that Arafat was murdered. Zahalka, a doctor of pharmacology, answered “Yes!” without hesitation. That was my feeling too.“

Was für ein Bild: Ein Araber und ein Jude, der eine aktuelles Knesset-Mitglied, der andere ein gewesenes, kommen traurig von der Beerdigung eines tausendfachen Judenmörders und sinnieren über die teuflischen Juden, die ihn irgendwie vergiftet haben müsssen. Inzwischen hat Avnery 83 Jahre auf dem Buckel und leidet ganz offensichtlich an Demenz; anders ist folgender Satz nicht zu erklären: „If Arafat were alive, there would be a clear address for negotiations with the Palestinian people.“

Womit Avnery seine fehlende Kenntnis darüber demonstriert, dass sein Idol – auch nachdem er vor aller Augen auf dem Rasen des Weißen Hauses verbindliche Verträge unterschrieben hatte – weiter zum Kampf gegen Israel aufrief und in einer Moschee in Johannesburg die Unterzeichnung der Friedensabkommen als taktische Maßnahme entschuldigte, Straßen und Plätze nach Selbstmordattentätern benannte, Terrorgruppen mit westlichen Hilfsgeldern finanzierte, Schulkinder zum Hass auf Juden erziehen und seine Medien Schauergeschichten über israelische Greueltaten verbreiten ließ, eine erste heftige Welle der Gewalt schon 1996 lostrat („Tunnel-Unruhen“), Waffenschmuggel organisierte, öffentlich Hamas-Scheich Yassin herzte, keine Gelegenheit ausließ, seinen Verhandlungspartner mit Dreck zu bewerfen, in Camp David eine Verhandlungslösung verweigerte, statt dessen eine zweite Terror-Intifada vom Zaun brach und „Dschihad! Dschihad! Dschihad!“ in die Mikros der versammelten internationalen Medien brüllte. Und dieser Mann, mit einem Sündenregister, dicker als das Telefonbuch von Paris, ist für Avnery immer noch die erste Adresse für einen echten und dauerhaften Frieden?

„It is no use talking to Mahmoud Abbas, because he is unable to impose his will on Palestinians. He has no power.“ Abu Mazen ist Avnery also zu weich. Kein starker Mann wie Arafat, der zwar anerkannte Führerfigur war, jedoch entweder nicht verhindern konnte, dass in seinem Machtbereich Mörderbanden wie Hamas sich bis an die Zähne bewaffneten – oder es aber nicht wollte, was wahrscheinlicher ist, weil ein Wort reichte, um aus politischen Gründen den Terror immer mal wieder kurzfristig zu unterbrechen. In beiden Fällen disqualifizierte er sich als ernsthafter Friedenspartner für Israel. Avnery kann nicht nachvollziehen, dass seine Landsleute, die sich im Gegensatz zu ihm die Vernunft bewahrt haben, angesichts der gegenseitigen Dezimierung von Hamas- und Fatah-Anhängern feixen. Er sehnt eine Einheitsregierung der beiden größten palästinensischen Terrorgruppen herbei, der Israel zum Dank für fortwährenden Terror und Kriegsrhetorik noch all das geben soll, was die Palästinenser als Minimum seit 30 Jahren verlangen, vom „Palästina vom Jordan bis zum Meer“ ganz zu schweigen: „A Palestinian state side by side with Israel, whose border is the Green Line (pre-1967 borders) and whose capital is East Jerusalem; the dismantling of the settlements; and an ‘agreed upon’ solution of the refugee problem.“

Es fragt sich, warum man überhaupt verhandeln soll, wenn sich die Palästinenser keinen Zentimeter von ihrer Forderung wegbewegen. Wo ist da noch Spielraum?  „There is practically no Palestinian, indeed no Arab, who would agree to less. It would leave the Palestinians a mere 22% of historic Palestine.“ Was natürlich Unfug ist, denn als die britische Mandatsverwaltung 1923 Transjordanien aus dem „historischen Palästina“ heraustrennte und den Hashemiten übergab, waren schon mal 80 Prozent für die Juden futsch, aber um die Feinheiten von Avnerys eigenartiger Arithmetik kümmern sich speziell die „Guardian“-Leser bestimmt nicht. Ausgerechnet die Einheit der Palästinenser und der Araber überhaupt ist für Avnery die Voraussetzung für den Frieden mit dem jüdischen Staat, obwohl es doch gerade die vehemente Ablehnung Israels ist, die nach wie vor als kleinster gemeinsamer Nenner für die arabische und muslimische Welt herhalten muss. Armer Uri. Deine Auftritte als Arafats Pudel waren schon peinlich genug, aber jetzt bleibt uns nur noch der flehentliche Ruf, den Raymond Carver vor Jahren als Titel für einen Erzählungen-Band wählte: Würdest du bitte endlich still sein, bitte! Der ganze Quatsch steht hier: http://www.guardian.co.uk/israel/Story/0,,2002298,00.html

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