"Nudging" gehört bekanntlich neben der Weigerung, die Grenzen zu schließen, zu den liebsten Beschäftigungen der Bundesregierung, allen voran der Bundeskanzlerin. Und ihre Adlaten im Rampenlicht und hinter den Kulissen waren, das muss man neidlos anerkennen, auch recht gut darin.
So rätseln die versammelten Auguren der Presse immer noch über Plan und Ziel der Großen Öffnung, die Angela Merkels politisches Glanzstück sein soll, was nur darauf zurückzuführen ist, dass die Bundeskanzlerin a) die Dinge vom Ende her denken soll, b) sie als promovierte Physikerin quasi heiligen Wissenschaftsstatus einnimmt und c) ihr Vorname auf ein Geschlecht deuten lässt, das jede Kritik an ihr als rückschrittlich und frauenfeindlich brandmarkt. Das alles sind die Resultate des „Nudging", das die Menschen sanft in eine bestimmte Richtung lenken und an ein gewolltes „Narrativ" glauben lassen soll.
Die Wahrheit mag viel banaler sein: Eine ehemalige FDJ-Kaderfrau mit dem Charme einer verhärmten Physiklehrerin, die das zu Sowjetzeiten erlernte Propagandawissen gnadenlos einzusetzen weiß, hat es geschafft, mit einigen hübschen Altmaier-Boys eine innerparteiliche Schreckensherrschaft aufzubauen, die schlicht nach dem Motto funktioniert: Bei Widerspruch wirst du plattgewalzt.
Mit der ganzen Dramatik der Repression
Ihr undramatischer Regierungsstil ist dabei nur die Projektionsfläche, die ein aufgeblähter Hofstaat an kadavergetreuen Vasallen mit der ganzen Dramatik der Repression herzustellen geschafft hat. Auch bei für das Land falschesten Entscheidungen ist noch nicht einmal ein „Zucken" der Kanzlerin überliefert, was man je nach Perspektive entweder für bewundernswert oder für verbrecherisch halten kann. Auch hier gilt: Die Wahrheit kann viel banaler sein. Der Verdacht, der Dame könnte es schlicht an menschlicher Größe mangeln, um auch nur den Hauch von Selbstkritik aushalten zu können, dürfte eher der Wahrheit entsprechen. Das mal so ganz "ungenudged".
Wie verzweifelt man im Bundeskanzleramt und den ihm angeschlossenen Anstalten inzwischen ist, zeigt ein klitzekleines Beispiel der letzten Tage, das, wenn das Nudging weiterhin so reibungslos funktioniert hätte, niemandem aufgefallen wäre (hier gebührt Alexander von Schaumburg mein herzlicher Dank für den Hinweis).
Am 18. Januar stellt die Facebook-Redaktion der Tagesschau ein Bild online, zu dem sie schreibt: "Der Chef des wertvollsten Unternehmens der Welt, Tim Cook von Apple, sieht in Kanzlerin Angela Merkel ein Vorbild für junge Frauen." Auf dem Bild ist über dem Foto des Tim Cook das Zitat zu lesen: „Angela Merkel ist eine phänomenale Führungspersönlichkeit – nicht nur für Deutschland, sondern für die ganze Welt." (Hervorhebungen vom Bundeskanzleramt, äh Verzeihung: der Tagesschau-Redaktion).
„leader" heißt vorsichthalber „Führungspersönlichkeit"
Das ist in der Tat ein recht ordentlich übersetztes Zitat vom CEO desjenigen Unternehmens, das erst einige Tage vorher die in Europa gebunkerten Steuersparmilliarden in die USA abzog. Dass Tim Cook im Original „leader" sagt und daraus im deutschen statt Führer „Führungspersönlichkeit" wird, muss man den Eigenheiten der deutschen Vergangenheit anlasten und hat selbstverständlich nichts mit Nudging zu tun.
Wem sagt Tim Cook das eigentlich? Nun, er sagte es einer Schülerzeitung! Da bekam wundersam eine junge High-School-Schülerin die Möglichkeit zu einem Interview mit dem „Chef des wertvollsten Unternehmens der Welt" und schreibt voll Stolz darüber (”Ever since I was a little girl, my Dad and I would share our love of technology by visiting the Apple Store downtown...“). Das ist rührig, hat aber an Relevanz den Vergleich mit dem berühmten Sack Reis in China nicht zu scheuen. Wenn es jedoch von der Tagesschau verbreitet wird, erhält es gleich den Spin der Relevanz vom mindestens Time-Magazine.
Wir halten also fest: Wenn eine Schülerzeitung den Chef eines Tech-Unternehmens zu allem Möglichen befragt und natürlich in politisch korrekten Zeiten auch die Frage nach sich verschiebenden Rollen-Modellen bei Frauen nicht ausspart – und der Chef eines Weltunternehmens, das Nudging selbstredend perfektioniert hat, dann pflichtschuldigst in einem Satz drei Frauen nennt – Rosa Parks, die berühmte Menschenrechtsikone der USA, die 4-Sterne-Generälin Lori Robinson und eben die deutsche Bundeskanzlerin – ist das der Tagesschau ein hübsches Werbebildchen mit fast an Fake-News erinnernder Überschrift wert.
Warum bloß zitiert die Tagesschau nicht mal einen Satz über die Kanzlerin, wie er hier auf achgut schon öfters gefallen ist? Es wird wohl nur daran liegen, dass achgut noch keine Steuermilliarden angehäuft hat.

@Bärbel Schneider / 25.01.2018 Ich habe den Vortrag von Maximilian Krah auch auf Youtube gesehen und halte die Erklärung für plausibel. Wer an den Nationalstaat mit solidarischer homogener Bevölkerung glaubt, ist von gestern. Modern ist "No Borders" und "Refugees Welcome". Jeder Bedenkenträger wird mit der Nazikeule nieder gemacht. Die Geschichte ist voller Beispiele, dass eine sog. Elite an die Macht kommt und die Bevölkerung die durchgeknallten Ideen ausbaden muss: Mao ins China mit dem "grossen Sprung" -> mehrere Millionen Tote, die roten Khmer in Kambotscha mit dem "Steinzeitkommunismus" -> mehrere Millionen Tote. Hoffentlich gehen wir mit "Refugges Welcome" nicht auch so in die Geschichtsbücher ein. Hans Bethe
Richard Loewe schreibt hier: von der FDJ Propagandasekretärin ist Bundeskanzlerin. Dazu kann ich nur sagen, dass dieser Werdegang ein bedenkliches Bild der in Deutschland herrschenden Parteiklassen wirft. Der Personenkult um Merkel kann nur noch mit den Personenkulten von Diktaturen verglichen werden. Hat man eigentlich vergessen, das Merkel in ihrer ehemaligen Mitgliedschaft der FDJ auch alles, aber auch alles was in der DDR passiert ist gutgheißen zumindest unwiedersprochen geduldet hat? Danke Herr Vahlefeld für Ihren Artikel.
Jetzt mal eine Frage: wie viele Leute verfolgen die Tagesschau auf Facebook? Ich meine das ganz ehrlich. Gibt es dazu Zahlen? Meine Vermutung ist, dass dort maximales Zwangsbeitragsgeld für minimale Wirkung verpulvert wird.
Sie ist nicht genial. Was sie ist, werden erst spätere Generationen offen sagen können, denn noch fällt es unter die ärztliche Schweigepflicht. Ihre Körpersprache bei Will im Herbst 2015 jedenfalls sprach Bände.
Im Grund macht M. Stalinismus soft. Da das im Westen kulturell, unter den Augen der Amerikaner, nicht geht, macht sie Putinismus soft. Eine sozialistische Kaderfrau, gerade aus der Wissenschaft, kommt niemals ohne Propusk aus aller höchsten Kreisen in die geheimen Stätten sowjetischer Wissenschaften. Viele Westler denken so unpolitisch und egozentristisch, dass es Erfahrene schmerzt. Man kann sich nicht vorstellen, dass der Ausgang demokratischer, geheimer und freier Wahlen gemanagt werden kann. Von Denkfabriken zum Bespiel. Wenn man verfolgt, wie M. zur Karriere kam, ohne jedes kommunale Amt, weiss im Prinzip Bescheid. Politik beruht auch auf Vergessen- lassen.
Ist denn Intelligenz bei der Tagesschau verboten? Danke für diesen erheiternden Artikel - wenngleich er das biedere Elend der Bemühten beschreibt. Schülern kann man die Ikonisierung durchgehen lassen, aber nicht den von uns alimentierten Journalisten/Redakteuren. Ob sich wohl mancher von denen noch im Spiegel angucken kann?
Maximilian Krah, ehemaliges CDU-Mitglied, schlägt vor, man solle die Aussagen der Kanzlerin wörtlich nehmen, dannn könne man die Grenzöffnung zu erklären. Angela Merkel sieht sich als Sachwalterin der ganzen Welt, speziell zuständig für den Bezirk Deutschland. Es besteht kein Unterschied zwischen deutschen Staatsbürgern und Migranten, alle sind "Menschen" und haben ganz genau dieselben Rechte. Einige davon sind "schon länger hier", andere noch nicht so lange in Deutschland, aber das macht keinerlei rechtlichen Unterschied. Wenn ein Niedersachse nach Bayern zieht, kann er ja auch sofort Sozialhilfe beantragen, Schule, Polizei, Bibliothek und anderes nutzen, auch wenn er nie in Bayern gearbeitet und Steuern gezahlt hat. Und wenn er kriminell wird, kann ihn Bayern auch nicht nach Niedersachsen abschieben. Ebenso sieht Angela Merkel die Migration: Menschen, die ihren Wohnsitz nach Deutschland verlagern wollen, haben alles Recht, die vorhandenen Ressourcen zu nutzen, ebenso wie die "schon länger hier Lebenden". Sie "sind eben da". Kulturelle Unterschiede sind unwichtig. Wenn man genug Geld in die Hand nimmt, kann man auch Migranten zu braven "hier lebenden" Steuerzahlern machen. Mit Menschen zu diskutieren, die sich in diese Denkweise verrannt haben, hält Krah für aussichtslos.