Ayn Rand

Ob Herta Müller, Peter Handke oder Bob Dylan des Nobelpreises würdig sind, wird plausibel, wenn man sie mit den übrigen Laureaten vergleicht. Noch deutlicher wird es aber, wenn man sich die Namen derer vor Augen hält, die vom Nobelpreis-Komitee übergangen wurden, die Namen derer, die keinen Preis bekamen, obwohl sie ihn vielleicht verdient hätten.

Da wäre etwa der Schöpfer von Anna Karenina, ein gewisser Leo Tolstoi, oder der Autor der Sternstunden der Menschheit, Stefan Zweig, zu erwähnen. Gut, vielleicht ein unfairer Vergleich, denn das war vor hundert Jahren, seither ist das kulturelle Niveau beständig in die Knie gegangen. Dafür können Handke, Dylan und Müller nichts. Aber da wäre dann noch eine Dichterin, erst 1982 verstorben, die den Preis auf jeden Fall verdient hätte – nicht als Quotenfrau, sondern für ihre literarische Leistung.

Alisa Zinovyevna Rosenbaum wurde in Petersburg geboren. Sie erlebte als Teenager die bolschewistische Revolution und den Segen des Sozialismus. Mit zwanzig emigrierte sie solo nach New York. Dort verkürzte sie ihren Namen auf Ayn Rand und begann zu schreiben. Frühe Ablehnung durch Verlage brachten sie nicht von ihrem Ziel ab, eine bedeutende Schriftstellerin zu werden. Schließlich wurden ihre Bücher in Millionenauflagen gedruckt, obwohl sie dem Leser mehr abverlangen als Harry Potter oder Fifty Shades of Grey.

Ihre Biographie ist die einer Frau, die es durch Intelligenz und Energie zu Erfolg und Ansehen gebracht hat. In ihrer amerikanischen Heimat wurde sie durch eine Briefmarke geehrt.

Warum ist Ayn Rand in Deutschland nicht bekannt?

Warum ist sie in Deutschland nicht bekannt? Erfolgreiche Frauen werden bei uns doch händeringend als Role-Models gesucht. Liegt es daran, dass sie keine gute Feministin war? Sie liebte die Männer leidenschaftlich, war aber von keinem abhängig, getreu ihrem Motto „Ich würde für dich sterben, aber ich würde niemals für dich leben“. Vielleicht liegt es daran, dass sie jeglichen Sozialismus ablehnte – kein Wunder angesichts der frühen bolschewistischen Erfahrungen am eigenen Leib.

Was sie anderswo berühmt machte, ist ihr Roman „Atlas Shrugged (Der Streik)“. In einer Horrorvision der amerikanischen Zukunft beschreibt sie ein Land, in dem die Versager das Sagen haben; wo Männer, die nichts leisten, zunehmend an Einfluss gewinnen, um auf Kosten der Tüchtigen zu leben. Ein Konglomerat von Plünderern („looters“) und Schnorrern („moochers“) greift per Gesetz und Korruption von Tag zu Tag stärker in alle Lebensbereiche ein.

Was die Schmarotzer perfekt beherrschen, ist die Entkernung der Sprache von jeglicher Logik. Ihre Kommunikation ist der systematische Missbrauch von Vokabeln, welche eigens zu diesem Zweck laufend neu geschaffen werden und die aller vernünftigen Argumentation den Boden entziehen.

Der führende Industrielle und geniale Erfinder, John Galt, will sein Land vor der Zerstörung durch die Parasiten retten. Er fordert Gleichgesinnte auf, aus Protest gegen den politischen Verfall die unternehmerische Arbeit niederzulegen, um so das Land in den Stillstand zu zwingen. Bald stockt die Versorgung, und die Bevölkerung wird rebellisch. Der Präsident in Washington erkennt die Gefahr für sich und sein Regime. Er kündigt eine wichtige Rede im staatlichen Rundfunk an, mit der er die Menschen draußen im Lande beruhigen will.

Als Zugpferd für die Massen hat er keinen anderen als den Erzfeind John Galt eingeladen, der inzwischen vom Volk wie Robin Hood verehrt wird. Vor dem Mikrophon provoziert er ihn, der doch angeblich alles besser weiß, mit der Frage, was die Regierung in dieser kritischen Lage denn tun solle. Und er solle sich kurz fassen. Galts Antwort an den Präsidenten hat in der Tat wenige Worte: „Get out of the way.“

Der Roman – ein Drehbuch für unsere Politik

Das Buch wurde vor 60 Jahren geschrieben, doch es ist aktueller denn je, es liest sich wie ein Script für die aktuelle deutsche Politik. Einige Passagen hören sich an, als wären sie auf konkrete Ereignisse der Gegenwart gemünzt.

„Die Regierung ist da, um uns vor Verbrechern zu schützen, und die Verfassung ist da, um uns vor der Regierung zu schützen.“

Diese schlichte Einsicht ist bei uns abhandengekommen. Aktuell schützen sich die Regierenden erst einmal selbst gegen Kriminelle, etwa durch einen Burggraben vor dem Reichstag in Berlin. Und wenn der Schützer der deutschen Verfassung der Regierung widerspricht, dann wird er in den Ruhestand versetzt.

„Es gibt noch etwas Feigeres als den Konformisten; es ist der zeitgemäße Nonkonformist.“

Damit ist der Aktivist gemeint, von den Medien als mutig gelobt und durch die Machthaber vor Strafe geschützt. So kann er gefahrlos gegen Rechts randalieren, Autos abfackeln oder die Polizei mit Exkrementen bewerfen. Es ist ja für einen guten Zweck. Aber auch Herbert Grönemeyer wäre ein guter Kandidat für die Medaille des Feigsten unter den Feigen.

„Eine Absurdität, der man heute nicht widerspricht, wird morgen zur Leitidee.“

Gibt es heute Leitideen, die nicht absurd wären? „Fridays for Future“ und der Kult um Greta springen sofort ins Auge, aber auch der Kampf gegen Feinstaub.

„Wenn Sie merken, dass man, um etwas zu produzieren, die Erlaubnis von Personen braucht, die selbst nichts produzieren …“

Das dürfte die Automobilindustrie deutlich gemerkt haben, und die Energiebranche nicht weniger. Ihnen wird von „Eliten“ das Leben schwer gemacht, die nicht zwischen Megawatt und Megabyte unterscheiden können, die glauben, der Strom würde im Netz gespeichert, die das Metall Kobalt für einen Kobold halten.

„… und wenn Sie erkennen, dass die Gesetze nicht mehr Sie vor den Regierenden schützen sollen, sondern umgekehrt, dann ist Ihr Land dem Untergang geweiht.“

Das trifft für so ziemlich alle Gesetze der letzten Jahre zu, denken Sie nur an das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“.

Es ist kein John Galt am Horizont zu erkennen

Wo müssen wir die John Galts bei uns suchen? Die Demarkationslinie zwischen Parasiten und Leistungsträgern ist leicht auszumachen: Man braucht nur dem Geldstrom des „Länderfinanzausgleichs“ zu folgen und landet sofort in der Hochburg der Schmarotzer, in Berlin. Dort, wo man nicht in der Lage ist, das eigene Haus in Ordnung zu halten, von dort werden Deutschland und halb Europa befehligt.

Und wo entspringt der Geldstrom? Im Süden der Republik, wo vor siebzig Jahren fleißige Ingenieure, die gleichzeitig begabte Unternehmer waren, das aufbauten, was heute als „Mittelstand“ bezeichnet und als Rückgrat der Wirtschaft gelobt wird.

Aber deren Leistung wird vom Zeitgeist verhöhnt. Die Kinder werden von Lehrerinnen erzogen, die ihr Geld bekommen, weil der Monat zu Ende ist; von naiven Wesen, die sich nicht vorstellen können, dass außerhalb des öffentlichen Dienstes noch eine andere Welt existiert, in der die Gehälter jeden Monat erarbeitet werden müssen. Unternehmer werden als Ausbeuter und Gauner dargestellt, von Menschen, die nicht wissen, warum und worum sich das Rad der Wirtschaft dreht.

Anders als im Roman ist bei uns noch kein John Galt zu erkennen. Der Zug mit dem Namen Deutschland rasselt ungebremst in den sozialistischen Sumpf – zum dritten Mal.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf www.think-again.org

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Leserpost

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Andreas Rochow / 17.11.2019

Was für ein schönes, gedankenmächtiges Stück! Respekt, verehrter Hans Hofmann-Reinecke. Zur Institution Literatur-NP möchte ich anmerken, dass alle hochdotierten Preise früher oder später Gefahr laufen, zum Stempel für Gutes und zeitgeistig “Wichtiges”, politisch Korrektes zu werden. Dass Handke und Müller dieser dieser Beschreibung nicht entsprechen, hat mich geradezu gefreut. Die geniale Ayn Rand hat eine Literaturgattung gewählt, über die linke Literaturkritiker die Nase rümpfen. Dass sie dennoch eine Millionenleserschaft gefunden hat und auch noch 60 Jahre später gelesen wird, bedurfte des Nobelpreises nicht. -  Ihre spanndende Frage: “Wo müssen wir die John Galts bei uns suchen?” habe ich für mich umgedreht: “Wo nicht?” Vielversprechende Persönlichkeiten mit Kompetenz, Wahrhaftigkeit, Lebensklugheit, kritischem Verstand und echtem, unbeirrbarem Engagement weist das aktuelle Panoptikum der saturierten Politikdarsteller/innen unserer bunten Republik nicht auf. Das ist der Erfolg jahrzehntelanger Propaganda und der öffentlich-rechtlichen Verteufelung jeglicher Regierungskritik. Ein heutiger John Galt ist bei angesichts des Verzagens und Verstummens der Intellektuellen in Merkel-Deutschland absolut undenkbar!

Volker Matthes / 17.11.2019

Danke für diesen starken Beitrag und für die darin enthaltene Anregung.

Markus Kranz / 17.11.2019

Die Idee zu Atlas Shrugged ist wirklich gut, allerdings ist es gerade für Kinder und Jugendliche etwas zu sperrig. Ich habe mir mal erlaubt, das Ganze in eine Fantasy Geschichte zu verpacken & bin gerade dabei, sie ins Englische zu übersetzen. Ich glaube, Frau Rosenbaum hat sicher nichts dagegen ;)

Dr. Guido Elberfeld / 17.11.2019

Zu Peter Handke und Bob Dylan kann und möchte ich mich mangels Kompetenz nicht äußern, von Herta Müller habe ich allerdings fast alles gelesen und möchte festhalten, dass ich ihre Romane schon außergewöhnlich finde. Ob sie einen Literaturnobelpreis wert sind (und welchen Wert diese Auszeichnung überhaupt noch hat), ist mir auch ziemlich egal, die Atmosphäre im kommunistisch beherrschten Rumänien (ich bin in den 80-er Jahren als Rumänisch- und Ungarischstudent oft in diese Länder gereist) geben sie wirklich phantastisch (= sehr bedrückend) wieder. Ich möchte also freundlichst darum bitten, Frau Müllers Werk nicht mit dem von Herrn Dylan in einen Topf zu werfen. - PS: Ihre aktuellen Äußerungen zur Tagespolitik ignoriere ich, sie hat viel erlitten, bisher ein großartiges Werk geschaffen, wenn es ansonsten in ihrem Oberstübchen mal ein wenig durcheinander geht - sei’s drum…

Karl Mistelberger / 17.11.2019

Ich habe gerade gerade auf zeit.de nach “Atlas Shrugged” gesucht und mich nicht gewundert, dass der wichtigste Aspekt des Buches zu kurz kommt. Eine besonderes Lob für Hans Hofmann-Reinecke und seinen präzise geschriebenen Artikel.

Jürgen Frohwein / 17.11.2019

Alles gesagt, nichts mehr zu kommentieren.

Heiko Engel / 17.11.2019

Die vermutlich beste Rockband, die es je gab, tätig im progressiv Bereich, RUSH, aus Toronto bezog sich häufig auf Ayn Rand. Die Herren starteten ihre Laufbahn im Jahre 1974 und verrenteten im Jahre 2015 offiziell. Die ersten Veröffentlichungen aus den Jahren 1975 bis 1978 verarbeiteten textlich sehr gekonnt Themen aus den Büchern von Ayn Rand. Der Trommler und Texter der Band, Neil Peart, ist bekennender Anhänger der Randschen Werke. Frei nach dem Motto: „ Ich bin kein Sozialist, auch kein internationaler, kein Kommunist, kein Materialist, sondern Humanist.“ Wie es sich für einen klugen und verantwortungsvollen Geist nun mal geziehmt. Meinen Dank an den Autor des Artikels und die Sensibilisierung für das Leben Ayn Rand.

Georg Dobler / 17.11.2019

Eine Hellseherin.  Nur eines hat sie nicht ganz richtig vorausgesagt: “....aus Protest gegen den politischen Verfall die unternehmerische Arbeit niederzulegen, um so das Land in den Stillstand zu zwingen.”  - - -  Das ist in der Gegenwart nicht nötig. Die Regierung bringt alleine alles zum Stillstand und die Auto-Industrie zum Erliegen, da braucht Niemand etwas niederzulegen.

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