In Bremen herrscht auf Seiten der Landesregierung allerdings wenig bis kein Interesse, sich der antizionistischen Bremer Zustände anzunehmen, die in den Teilen 1 und 2 dieser Artikelserie aufgezeigt worden sind. So brachte es der damalige rot-grüne Senat bereits im September 2016 zu einer Großen Anfrage von Grünen und SPD – der beiden damaligen Koalitionäre, die sich demnach selbst befragten. Ein Husarenstück in Bezug auf die Frage nach „antisemitischen Strömungen und Aktivitäten in Bremen“. Nämlich in ihrer Antwort das israelfeindliche Netzwerk der Linkspartei vollständig unerwähnt zu lassen. So ist darin einzig die Rede vom „Boykott israelischer Waren (…) Ende 2015“, ohne jedoch Ross und Reiter zu nennen. Gemeint war hier wohl die Boykottaktion des „Nahost-Forum Bremen“ vom November 2015 (siehe Teil 1). Kritik an dieser Marginalisierung des linken Bremer Israelhasses gab es in der Folge keine wahrnehmbare.
Die aktuell rot-grün-dunkelrote Bremer Landesregierung, zu der die Linkspartei seit Sommer 2019 selbst als Koalitionär gehört, sieht sich selbst einem Handlungskonzept „Stopp den Antisemitismus“ verpflichtet. Hierin werden Teile des skizzierten Anti-Israel-Netzwerks adressiert, so unmittelbar das „Bremer Friedensforum“ und indirekt das „Nahost-Forum Bremen“ beziehungsweise der „Arbeitskreis-Nahost Bremen“. Der Senat spricht im Konzept sogar davon, dass er deren „[Boykott-]Aktionen strikt ablehnend gegenüber“ stünde, da sie „der komplexen Problemlage nicht gerecht (würden) und (…) einen Ausgleich der Interessen in der Region“ erschwerten. Jedoch: Angesichts all der hier geschilderten Sachverhalte des Bremischen Anti-Israel-Komplexes kann dieses Handlungskonzept nur als realpolitischer Hohn erscheinen.
Heikel für den Bremer Senat ist in diesem Kontext auch der Fall des Bremer Informationszentrum für Menschenrechte und Entwicklung (biz), als dessen Träger unter anderem der „Arbeitskreis Nahost“ wirkt, der Herausgeber der Website des antizionistischen „Nahost-Forum Bremen“. Denn das biz ist fest eingebunden in staatliche Strukturen, unter anderem gefördert von der „Senatskanzlei der Freien Hansestadt Bremen“, der „Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau“ sowie der „Senatorin für Kinder und Bildung“. Die Bremer Grünen-Abgeordnete Henrike Müller, die sich laut der taz „maßgeblich für Entwicklung und Verabschiedung des Aktionsprogramms ‚Stopp den Antisemitismus‘ eingesetzt“ hatte, betonte im Mai 2019, dass es „(o)ft genug (…) BIZ-Veranstaltungen im Überseemuseum gegeben (habe), die sich als BDS-Propaganda erwiesen hätten“.
Bremen fordert von Israel einen „Verzicht auf Provokation und Gewalt“
Und dass dann Veranstaltungen vom biz, wie die mit Raif Hussein, dem langjährigen Präsidenten der Israel-Boykott-Gruppe „Deutsch-Palästinensische Gesellschaft“, in der Räumlichkeit des Bremer Kulturzentrums Weserterrassen stattfinden, welches in der Eigendarstellung teils (u)nterstützt (wird) vom Senator für Soziales“, lässt fragen: Senatorische Behörden, die indirekt Anti-Israel-Aktivismus subventionieren? Wo ist hier der Aufschrei von Politik und Zivilgesellschaft?
Die Presseabteilung der Bremischen Bürgerschaft indes verbreitete im Jahr 2017 in sozialen Medien das Reisetagebuch einer Nahostreise einer Bürgerschaftsdelegation, das allerlei antizionistische Motive aufgriff. So wurde aus einem innerparteilichen palästinensischen Machtkampf unter Einsatz inhaftierter Terroristen ein Protest gegen Israels vermeintlich inhumane Haftbedingungen. Aus dem Leiter des Vertretungsbüros der Bundesrepublik Deutschland in Ramallah, der Kopf hinter einer Vereinbarung mit einem Präsidenten des palästinensischen Hohen Rats für Jugend und Sport ist, „der Mordanschläge auf Juden so lange befürwortet, wie es in Israel noch Juden gibt“, wird im Reisetagebuch indes ein „Mann des Ausgleichs“. Und über einen Besuch im Jordantal heißt es, dass die Palästinenser um ihr Menschenrecht auf Wasser, „ständig mit Israel kämpfen müssten“. Ein im Kern antisemitisches Schauermärchen, in dem die Juden den Palästinensern das Wasser stehlen.
Selbst das Landesparlament kann sich nicht dem Einfluss des Anti-Israel-Netzwerks entziehen. Dies zeigt sich auch im parlamentarischen Betrieb. Im Nachgang der zwei antisemitischen Demonstrationen vom Sommer 2014 (siehe Teil 1 und 2) reichten die Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und der Linkspartei einen gemeinsamen Antrag „Antisemitismus, Fanatismus und Hassparolen entschieden entgegentreten“ im Spätherbst desselben Jahres in den Landtag ein, der zwar Israel ein „Recht auf angemessene Selbstverteidigung“ zugestand, aber zugleich einen „Verzicht auf Provokation und Gewalt“ reklamierte. Weiterhin behauptete der Antrag einen Konflikt „zwischen Israelis und Palästinensern“, der „sich regelmäßig in Terrorismus, humanitären Katastrophen und einer durch Hass geprägten Spirale von Gewalt und Gegengewalt“ entladen würde.
Wie eine „angemessene Selbstverteidigung“ ohne „Gewalt“ aussehen soll, führten die Fraktionen der Bürgerschaft dabei jedoch lieber nicht näher aus. Und worin nun eine „Provokation“ besteht, bei permanentem Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen zu besagter „Selbstverteidigung“ zu greifen, diese Antwort blieben Bremens Parlamentier ebenso schuldig. Ein Antrag, der, statt eine deutliche Positionierung gegen den allgegenwärtigen Israelhass in Bremen vorzunehmen, vielmehr deutlich darum bemüht war, eine Dualität von „Terrorismus und des Krieges“ zu behaupten. Ohne aber darauf einzugehen, dass Israels „Kriege“ doch nur finale Reaktion auf den „Terrorismus“ von Hamas und anderen palästinensischen Terrorbanden sind. Ob die Fraktionen der Bremischen Bürgerschaft sich heute wieder so positionieren?
Wo bleibt der Verfassungsschutz?
Bezeichnenderweise folgten die Fraktionen der Bremischen Bürgerschaft dabei im Wesentlichen dem Narrativ der Landessprecher wie der Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei, die im Nachgang der antisemitischen Demonstrationen besagte Symmetrie der „Gewalt“ proklamierten, dabei jedoch Ursache und Wirkung im Ungefähren beließen. So schrieben die Landessprecher seinerzeit:
„Der massive militärische Angriff der israelischen Armee im Gazastreifen und die jahrelangen, täglichen Raketenangriffe der Hamas auf Israel müssen gestoppt werden. (…) Dazu wird mehr gehören als der unerlässliche Waffenstillstand, der Rückzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen und das Ende der Raketenangriffe durch die Hamas.“
Bremens Verfassungsschutz sieht trotz dieser evidenten anti-israelischen Vernetzungen in Bremen keinen Grund, einen genauen Blick auf diese zu richten. Die Erklärung ist simpel: Seit 2016 zieht man sich bei Bremens Sicherheitsbehörde auf den Standpunkt zurück, sich ausschließlich auf „die gewaltorientierten Teile“ des Phänomenbereichs Linksextremismus zu fokussieren (vergleiche den Verfassungsschutzbericht aus demselben Jahr, Seite 48).
Was – auf den ersten Blick – zur durchaus paradox anmutenden Situation führt, dass die israelsolidarische „Basisgruppe Antifaschismus“, die sich 2011 gegen den von der Bremer Linkspartei unterstützten Israel-Boykott des „Bremer Friedensforums“ stellte, explizit erwähnt wird. Wohingegen man die Fürsprecher des Israelhasses von „Deutsch-Palästinensischer Gesellschaft“ (DPG), Linkspartei-Strömung „Antikapitalistische Linke“ (AKL), trotzkistischer „Sozialistischen Alternative“ (SAV) und der „Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands“ (MLPD) wie auch von Nahost- und Friedensforum beziehungsweise „Arbeitskreis-Nahost Bremen“ im aktuellen Verfassungsschutzbericht vergebens sucht.
Der Bremer Verfassungsschutz scheint bei explizit israelfeindlichen Gruppierungen wie der MLPD und SAV nunmehr beide Augen zuzudrücken, obwohl die Bremer Linkspartei beiden Parteien jeweils eine politische Heimat gibt. So konnte die MLPD beispielsweise im Sommer 2018 auf der Website der Bremer Linkspartei einen Aufruf „Schließen wir uns zusammen!“ für ein breites Bündnis von MLPD und Linkspartei veröffentlichen. Auch die trotzkistische SAV ist in der Bremer Linkspartei sehr präsent. So ermöglicht sie es der SAV sich in ihrem Abgeordnetenbüro, „Linkstreff“ genannt, sich zu Veranstaltungen zu versammeln. Zur Bundestagswahl 2017 trat ein stadtbekannter Trotzkist für die Bremer Linkspartei sogar als Direktkandidat an, der aktuell auch im Kontext der Anti-Israel-Kundgebung in Bremen wieder in Erscheinung trat (siehe Teil 1) oder früher auch schon einmal in sozialen Medien eine isländische BDS-Band feierte, die beim Song Contest 2019 in Tel Aviv mit einem inszenierten Protest gegen Israel hervorgetreten war.
Bremens Senat blendet linke Israelfeindschaft aus
Und auch der Bremer Senat folgt der kategorischen Unwissenheit des lokalen Verfassungsschutzes ob des heimischen Anti-Israel-Komplexes. So in einer aktuellen Antwort auf eine Anfrage aus der Bremischen Bürgerschaft, dem Bremer Landesparlament, von Ende Februar 2021 (hier zu finden, Anfrage 7), die in Erfahrung bringen wollte, welche Erkenntnisse der Senat „über Querverbindungen des Bremer Landesverbandes der Partei DIE LINKE oder Teilen davon zu parteiexternen linksextremistischen Strukturen“ hat. Hierin bestätigt sich das Ausblenden linker Israelfeindschaft von DPG, SAV, MLPD, Nahost- und Friedensforum beziehungsweise dem Arbeitskreis-Nahost. Denn dem Senat lägen „keine Erkenntnisse hierzu vor“, so dessen vielsagende Antwort.
Zu parteiinternen Antizionisten der innerparteilichen Strömung AKL, deren Protagonisten und ihren in dieser Artikelserie skizzierten Verbindungen zu externen Anti-Israel-Gruppen findet man in der Antwort des Senats ebenfalls keine Angabe. Denn, so die Begründung der Landesregierung, diese würden nicht vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet, da „(d)ie gesetzlichen Voraussetzungen hierfür (…) nicht vorliegen“.
Dass der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer, dessen Landesbehörde den lokalen Verfassungsschutz beaufsichtigt, selbst ein ganz eigenes Verhältnis zu Israel pflegt, kann in diesem Zusammenhang dann auch nicht mehr verwundern. Man erinnere sich an Mäurers Rede im September 2018 in Bremens Parlament, in der dieser davon sprach, dass „die israelische Armee am Grenzzaun Dutzende Palästinenser einfach hinrichtet“. Später ergänzte SPD-Mann Mäurer noch, dass „man angesichts der Toten an der Grenze Verständnis haben muss, wenn es als Reaktion darauf zu Demonstrationen und Protesten kommt“.
Während sich Antisemitismus, in seiner modernen Fokussierung auf den Staat der Juden, vom antisemitischen Mob auf der Straße bis in die Landesspitze der Bremer Linkspartei als en vogue konsolidiert, scheinen dennoch keinerlei Folgen für die darin involvierten Gruppen, Aktivisten und Politiker absehbar. Die rot-grün-rote Landesregierung, Bremens Landesparlament wie auch das Landesamt für Verfassungsschutz schweigen schlichtweg zu alledem seit Jahren ohrenbetäubend.
Dies ist der letzte Teil einer dreiteiligen Artikelserie, die von der Achse des Guten als eine erweiterte Version eines Artikels veröffentlicht wird, der zuerst auf Audiatur-Online erschien.
Teil 1 finden Sie hier.
Teil 2 finden Sie hier.