Nun hat Deutschland also wieder einmal einen Antisemitismusstreit, diesmal über Spiegel-Kolumnist Jakob Augstein. Das traurige daran ist: Auslöser dafür ist nicht etwa einer der vielen fragwürdigen Texte, die Augstein über Grass, Israel und die jüdische Lobby in den USA geschrieben hat. Auslöser ist ein Jahresranking des Simon-Wiesenthal-Centers in Los Angeles, das Augstein am untersten Ende seiner Top-Ten des Antisemitismus aufgeführt hat. Nicht Augsteins Texte sind also der Skandal, mit denen er in schner Regelmäßigkeit die Vorurteile eines gewissen linken Milieus bedient. Sondern die Wiesenthal-Leute sind es, weil sie sich als Kronzeugen Henryk M. Broder besorgt haben, der seit Jahren eine innige Fehde mit Augstein führt. So sieht es jedenfalls der Feuilleton-Chef der FAZ, Nils Minkmar.
Nun hat Minkmar in manchem durchaus Recht. Mit einiger Recherche würde man auf viele andere Namen stoßen, die es eher verdienten, auf die Liste der zehn schlimmsten Antisemiten weltweit zu stehen. Und gerade Broder, den begnadeten Polemiker und intellektuellen Gegner Augsteins, als Kronzeugen zu präsentieren, ist keine besonders gute Idee. Allein: Auch Minkmar macht es sich sehr einfach. Weil er sich nämlich nicht einmal die Mühe macht, den Vorwurf anhand der Texte von Augstein zu überprüfen. Denn wer das mit einiger Ernsthaftigkeit tut, der kommt kaum umhin zu konstatieren, dass vieleicht nicht das Wiesenthal Center, aber mindestens Broder Recht hat: In ihnen steckt eine Zwanghaftigkeit im Umgang mit Israel, der Wille zur ideologisch Verzerrung von Tatsachen, die einem den Atem stocken lässt. Und die mindestens einen antisemitischen Unterton insich tragen.
http://flatworld.welt.de/2013/01/02/ist-jakob-augstein-ein-linker-antisemit/#more-1460