Django hat sich auf die tastaTUR GESETZT (Runter von der Shifttaste, Untier!) und sieht mich skeptisch an. Ich sehe zurück; ich weiß, das mag er nicht, und folglich kneift er die Augen zu.
„Kann ich jetzt weiter schreiben?“ frage ich. Der Kater klappt die Ohren leicht nach hinten, ich muss nicht fragen, was das bedeutet.
„Also, verfatz dich, sonst setze ich dich vor die Türe!“ Er grinst nicht einmal, die Türe steht auf und davor liegt seit Tagen ein größerer Stapel Klamotten, der in die Wäsche gehört. Türe zu ist also keine ad-hoc Option.
„Dann lass mich wenigstens tippen“ sage ich und schiebe ihn dezent zur Seite. Oder versuche es, er macht sich schwer und unendlich unhandlich. Also packe ich ihn mit beiden Händen unter dem Bauch und setze ihn auf den Boden.
Nachdem ich die Hände verpflastert und Django, der es sich derweil auf meinem Sessel gemütlich gemacht hatte, verjagt habe, setze ich erneut zum Schreiben an. In den Augenwinkeln nehme ich wahr, wie der Kater nun auf die Fensterbank springt und sich von dieser über das kleine Plastiktreibhaus mit den Rizinussamen, den Drucker, das auf diesem liegende, teure Hochglanzpapier und das Mauspad erneut Richtung Tastatur durcharbeiten will.
Ich erinnere mich an Al Capones bis heute gültige Worte „Mit einer Knarre und einem freundlichen Wort erreicht man stets mehr, als mit einem freundlichen Wort alleine!“ und öffne eine Schublade. In dieser liegt, wenn auch nicht geladen, die Wasserpistole, die der Kater von einigen ähnlichen Situationen her bestens kennt. Sein visuelles Gedächtnis funktioniert – ich halte das bunte Spielzeug in seine Richtung, und er erstarrt mitten im Erklettern des Druckers. In einem eleganten Übergang, der suggerieren soll, er habe eh nie vorgehabt, sich weiter zu nähern, nimmt er die Vorderpfoten vom Drucker und setzt sich völlig entspannt auf die Fensterbank, neben das Treibhäuschen.
Testweise tippe ich ein paar Worte, Django rührt keine Wimper und sitzt wie Lots Weib, die Augen zu, ein leises Schnurren auf den Lippen. Danke, Al!
„Du gefällst mir nicht!“ höre ich plötzlich.
Ich tippe weiter, Mails müssen beantwortet werden. „Du gefällst mir nicht!“ höre ich plötzlich. Ich schaue hoch, der Kater sitzt weiterhin regungslos und meditiert. Oder doch nicht? Aber wer hätte dann gesprochen?
„Wenn du mal nicht über die Tastatur trabst, textest du mich voll!“ sage ich, zum Dank gähnt der Kater, dass ich seine Kiefergelenke knacken hören kann. Ein paar Sekunden peinvolle Stille folgen. „Du gefällst mir auch nicht!“ unterbreche ich schließlich das Schweigen. „Sieh dich an! Auf deinem Fell ist so viel Öl, wie der Mini in einer Stunde verliert.“ Was nicht übertrieben ist; in den letzten zwei Wochen habe ich diverse Simmerringe, Stopfen und Dichtungen am englischen Elend erneuert und anschließend mehrere Liter Kaltreiniger und Wischundwechtücher-Rollen verbraucht, um den Unterboden vom Gröbsten zu säubern. Was der Kater offenbar so faszinierend fand, dass er pausenlos dabei zusehen musste. Natürlich unter dem Auto sitzend. Sein Fell sieht entsprechend aus, offenbar meidet er seitdem beim Putzen alle diese Stellen. Ich kann das verstehen, Altöl plus X lecken, das kann nicht schmecken. Kater rot-weiß gefiel mir aber nun einmal besser als Kater rot-schwarz
„Draußen ist das schönste Wetter“ sagt Django und rückt kaum merklich um ein paar Zentimeter zur Seite, damit ich noch besser rausschauen kann. „Mai! Wonnemonat! Überall sprießt es im Garten, die Gräser, die Blumen...“
„Ach“ unterbreche ich den Kater. „Das hast du auch schon bemerkt? Darf ich dann mal fragen, warum du dich ständig genau auf das frische Grün legst? Die kleinen Tulpen? Die Lilien? Das Laub von den Mininarzissen?“ Und warum du ausgerechnet immer unter das Rosmarin kack...“
Manchmal muss man gemein sein
Django gähnt, ich sehe so tief in seinen Schlund wie eine Maus Sekundenbruchteile vor dem Ableben. „Schon klar, dass du das nicht gerne hörst!“ sage ich und versuche, ihn mit meinen Blicken nass zu spritzen. Er rückt nicht einen Millimeter weiter weg.
„Und wegen der paar Blumen hast du die Mundwinkel hängen wie...“
„Sag ihn nicht, diesen Namen, sag ihn nicht! Nicht, ehe du gelernt hast, für dein Futter zu arbeiten und den Dosenöffner zu bedienen!“
Ich weiß, das ist gemein, einen tieferen Tiefschlag dürfte es kaum geben. Vielleicht, wenn eine in Krav Maga geschulte junge Dame einem allzu fremden Südländer deutlich macht, dass sie gerade von der Kosmetik kommt und ihr Gesicht nicht abgeleckt haben möchte.
Manchmal muss man gemein sein, und Django, der endlich verstanden hat, nimmt auf der Stelle wieder sein Schnurren auf. Katzenkenner wissen: Die Viecher schnurren nicht nur, wenn sie sich wohlfühlen, sondern auch, um sich selber zu beruhigen. Und dazu hat er jetzt allen Grund.
Dabei: Er hat ja Recht. Auch ich gefalle mir zur Zeit nicht. Der Mai macht mir zu schaffen, nur noch zwei Wochen, und die Hochzeit der Hochzeiten zwischen dem flotten Harry und der nicht weniger aktiven Meghan steht an. Oder stand? Da lese ich doch letzte Woche in der Fachpresse, die Hochzeit sei in Gefahr. Nein, nicht weil die von Windsor bis Buckingham reichende Brautschleppe beim Probelauf von ölverschmierten Pfoten der königlichen Corgies besudelt wurden. Auch die Torte ist schon lange fertig und steht sicher in der bis zur Hochzeit auf minus 18 Farthing herunter gekühlten Kuppel der Saint Paul's Cathedral, die in Höhe (111 Meter) und Durchmesser (34 Meter) gerade groß genug für die Leckerei ist.
„Buchstabieren Sie das Wort Woostersoße.“
Nein, die Gefahr liegt ganz woanders. Die US-Amerikanerin Meghan Merkle (die ich anfangs wegen des Namens für ein Schwäbin gehalten habe), muss, wie alle, die Briten werden wollen, einen Einbürgerungstest bestehen. Und der soll es in sich haben. Während es in anderen Ländern genügt, keinen Pass sowie ein Mobiltelefon zu besitzen, um von den sozialen Errungenschaften des Okzidents zu profitieren, muss man – und frau – in England umfangreiche Kenntnisse vorweisen, die über den Weg zum nächstgelegenen Sozialamt weit hinaus gehen. Wie mir mein Korrespondent in London glaubhaft kabelte, kommen auf die Braut und künftige Herzogin von Albion Fragen zu, die sich gewaschen haben.
„Buchstabieren Sie das Wort Woostersoße.“ „Nenne die Liebhaber von Lady Diana in der richtigen Reihenfolge“ „Welche Ohrengröße haben die Ear Muffs von Prince Charles, die er bei der Moorhuhnjagd trägt? Und wo findet diese Jagd statt?“ Auch in der Historie des Landes sollte sie sich auskennen. „Wer hatte früher einmal noch mehr Frauen als heute ein durchschnittlicher Imam? Auf was landete 1941 ein brauner Wellensittich? Und wer hat den tödlichsten Witz der Welt geschrieben und wie reagierte seine Mutter darauf?“
„Zur Krönung ihres royalen Liebesmärchens muss Meghan Markle also wohl noch eine Menge büffeln. Vielleicht steht Prinz Harry ihr ja auch hier – wie bei ihrer Verlobung – wieder bei einem Brathähnchen zur Seite. (FOCUS, wörtlich, Mittwoch, 29.11.2017, 18:34)
Das ist alles andere als funny. Selbst seriöse Blätter wie (Notiz an mich: ergänzen) vermelden, dass dieser Test (45 Minuten lang, 24 Fragen zu britischen Traditionen, zur Geschichte und dem aktuellen Geschehen, mindestens 75% richtige Antworten) alles andere als ein Spiel namens „England wird bunt“ ist. Ob Meghan, so die WELT, „die bestmögliche Beratung in juristischen und Verwaltungsfragen haben und möglicherweise auch eine Sonderbehandlung bekommen“ wird, ist keineswegs gebongt. Zwar haben „in außerordentlichen Fällen [...] die Immigrationsbeamten die Möglichkeit, die Vorschriften großzügig auszulegen“, aber ob sie es wirklich tun? Ich hatte früher einige Erlebnisse mit entsprechenden Ordnungshütern, vor allem auf den Kanalinseln, die mich daran zweifeln lassen. Zudem mir ein guter Freund auf Guernsey einmal hinter vorgehaltener Hand steckte, die deutschen Besatzer im WK II seien auch nicht schlimmer als manche Immigration Officers gewesen.
Manche dunkle Wolke über dem jungen Glück
Aber auch wenn Meghan alle Fragen aus dem Ärmel schüttelt (oder aus dem Smartphone, bestimmt darf sie während der Prüfung auch mal austreten), bleibt der Unsicherheitsfaktor Harry. Der muss nämlich, damit die Ehe mit der Nichtbritin anerkannt wird, ebenfalls einige Kritierien erfüllen. Dazu gehört der Nachweis einer gemeinsamen Unterkunft, für deren Existenz er nicht „auf öffentliche Mittel zurückgreifen“ muss.
Django hat sich inzwischen getrollt. Wahrscheinlich konnte er mein sorgenfurchen-durchtostes Gesicht nicht mehr ertragen. Dabei ist er es doch selber schuld! Ich wollte auch eigentlich über etwas ganz anderes schreiben, aber das muss nun bis zur nächsten Woche warten. Falls nicht noch schlimmeres bei Royals geschieht, Prince Philip soll ja auch nicht so recht auf der Höhe sein. Dabei könnte er Meghan bestimmt mit einem seiner beliebten Witze aufheitern „Ist die Baumwolle für das Jäckchen etwa selbst gepflückt?“ käme garantiert gut.
Kein Wunder, dass ich in diesen ersten Maitagen ganz und gar nicht entspannt sein kann. Noch schwebt manche dunkle Wolke über dem jungen Glück, und man darf sich als bekennender Misanthrop durchaus fragen, ob Meghan Merkle nicht besser einen deutschen Prinzen geheiratet hätte. Oder in Deutschland einen afrikanischen Prinzen. Der könnte auch gerne verarmt sein, für die Unterkunft würde gesorgt. Ich finde, sie sollte sich angesichts dieses vertrackten Tests in England noch eine Umdisponierung Richtung Germany überlegen. Ein Mobiltelefon wird sie ja wohl besitzen.