Vera Lengsfeld / 27.12.2017 / 06:15 / Foto: Cruks / 5 / Seite ausdrucken

Anstiftung zur großen Bankenkrise

Das Geld der deutschen Steuerzahler reicht der EU-Kommission schon lange nicht mehr. Sie haben es jetzt auch auf die Spareinlagen der Deutschen abgesehen. Weitgehend unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit plant die EU-Kommission mit der Europäischen Einlagensicherung „European Deposit Insurance Scheme", kurz EDIS, einen Angriff auf alle nationalen Einlagensicherungssysteme.

EDIS soll laut EU-Kommission die Finanzstabilität erhöhen. Faktisch könnte das Gegenteil der Fall sein. Zwar würde EDIS über mehr Ausstattung verfügen als ein nationales Sicherungssystem, müsste jedoch auch ein Vielfaches an Risiken abdecken. Doch gerade dies könnte gefährliche Anreize für Bankkunden, Finanzinstitute und Regierungen setzen und völlig falsche Erwartungen wecken. Eine ganze Reihe Fehlanreize sind zu erwarten:

Es fängt bereits bei den Kunden an. Auf normalen Märkten wählen Kunden ihre Produkte nicht einfach nur nach dem Preis, sondern auch nach der Qualität. Wer sich für eine günstigere Waschmaschine entscheidet, nimmt in Kauf, dass sie vielleicht ein paar Jahre früher den Geist aufgibt als teurere Modelle. Auch auf den Finanzmärkten sollte dies so sein. Die Preise sind hier die Zinsen und verhalten sich genau umgekehrt, aber nach dem gleichen Prinzip wie bei dem Beispiel mit der Waschmaschine.

Wer sein Geld zu einem höheren Zinssatz, etwa bei einer Bank in Griechenland oder Zypern, anlegt, nimmt bislang eine höhere Ausfallwahrscheinlichkeit in Kauf. Wenn mit EDIS Sparer aus anderen Ländern im Falle einer Insolvenz einspringen, könnte sich dies ändern. Bankkunden hätten weniger Anreize, die Solidität einer Bank zu prüfen, da EDIS ja im Zweifel alle Banken rettet, auch die weniger sicheren. Das für die Marktwirtschaft essentielle Haftungsprinzip wäre ausgehebelt.

Ermunterung zu riskanten Geschäften

Entsprechend attraktiver kann es für Finanzinstitute werden, mit den Einlagen der unvorsichtigeren Kunden riskante Geschäfte zu starten, wenn andere Banken dafür über EDIS mithaften. Wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er auf’s Eis. Wenn es zu vielen Eseln zu wohl wird und alle auf’s Eis gehen, kann die ganze Eisdecke einbrechen und eine Finanzkrise auslösen. Es wäre nicht das erste Mal.

Ein abschreckendes Beispiel ist die amerikanische Sparkassenkrise der achtziger Jahre. Zu ihr kam es, nachdem die Sparkassen mit Hilfe eines gemeinsamen Einlagensicherungsfonds sehr viele Spargelder anlockten und mit diesen hemmungslos zockten. In der Folge gingen zunächst die schwachen Banken und Sparkassen bankrott. Die Einlagensicherung zahlte, bis ihr das Geld ausging.

Letztlich sind die Sparer der schwachen Institute mit den Geldern der starken Sparkassen gerettet worden. Aber als am Ende auch den stärkeren Instituten das Geld ausging, sprang der Steuerzahler ein. Und obwohl der Staat zweimal noch Milliarden aus Steuermitteln hinzugab, war die Einlagensicherung am Ende selber pleite – ein Misserfolg nach dem anderen.

Nicht nur für die einzelnen Banken verringert EDIS die Anreize, über das regulatorisch notwendige Maß hinaus vorzusorgen. Auch die Vorsorge über die freiwilligen Sicherungseinrichtungen der Sparkassen, Volksbanken und privaten Banken lohnt sich mit EDIS nicht mehr. Wer zusätzlich vorsorgt, ist der Dumme. Denn wer selbst aus Eigeninitiative vorsorgt, muss erst diese Mittel verbrauchen, während derjenige, der selbst nicht vorsorgt, sofort auf die Mittel von EDIS zugreifen kann.

Stabile Banken werden doppelt bestraft

Das hat fatale Konsequenzen. Denn ohne die freiwilligen Sicherungseinrichtungen sind alle Einlagen über 100.000 Euro nicht mehr geschützt. Einleger mit höheren Ersparnissen ziehen folglich ihr Vermögen bei bisher relativ sicheren Banken ab und verteilen sie auf mehrere, eigentlich unsicherere Banken. Konservative, stabile und risikoarme Banken werden damit doppelt bestraft: Sie verlieren Kundeneinlagen und müssen für riskantere Banken zusätzliche Kosten für die Einlagensicherung tragen.

Ein besonders starker Fehlanreiz durch EDIS ergibt sich in Verbindung mit der bestehenden Bevorzugung von Staatsanleihen bei der Bemessung des Eigenkapitals von Banken. Wer Staatsanleihen hält, muss dafür in der Regel kein Eigenkapital ausweisen, weil sie regulatorisch als risikolos klassifiziert sind. Die Bilanzen vieler europäischer Banken sind darum bereits voller Staatsanleihen, auch solcher von EU-Krisenstaaten. EDIS verteilt die daraus entstehenden Risiken auf alle Mitgliedsländer um.

Mit EDIS öffnet sich neben der Niedrigzinspolitik und den Target-Salden im EZB-System eine weitere Hintertür (ganz abgesehen von der ESM-Vordertür), über die Staaten ihre Schulden vergemeinschaften können. Es wird für viele Regierungen noch attraktiver, den Weg der Schulden und nicht den Weg der Strukturreformen zu wählen.

Zusammengenommen zeigt sich, dass EDIS ein einziger, institutionalisierter Fehlanreiz ist. Das macht EDIS brandgefährlich, denn was mit dem durch EDIS angereizten unvorsichtigeren Verhalten von Anlegern, Banken und Regierungen beginnt, kann in Summe zu einer ausgewachsenen Bankenkrise führen. Das Fehlverhalten der verschiedenen Akteure kann sich dabei gegenseitig verstärken. Unvorsichtige Kunden, zockende Banken und tief verschuldete Staaten bilden so eine giftige Mischung.

Viel spricht somit dafür, dass die Mittel von EDIS bereits früh in Anspruch genommen werden. Wenn EDIS die Mittel ausgehen, sinkt auch das Vertrauen der Anleger. Im schlimmsten Fall kann dies selbst zu einer Bankenkrise in Deutschland führen.

Dieser Artikel zu EDIS wurde von Vera Lengsfeld als Teil einer Informationskampagne der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) im Europaparlament verfasst. Weitere Informationen finden Sie unter www.stoppt-edis.de.

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Dr. Liu Mei / 27.12.2017

Es ist schon erschreckend, mit welch raffinierter Hinterlist die EU-Baggage den deutschen Steuerzahler ins Obligo nehmen will. "Zum Glück haben wir noch das hochkompetente deutsche Parlament"! Dort wird dieses Vorhaben wahrscheinlich in einer Nacht- und Nebelaktion durchgewunken. Und keiner hats gemer(kel)t. Anfangs war ich entsetzt über den Brexit, inzwischen möchte ich gratulieren. Besser ein Ende mit Schrecken, - sie wissen schon! Verehrte Frau Lengsfeld, besten Dank für Ihr großartiges Engagement.

Andreas Rochow / 27.12.2017

Danke für die sehr gut verständliche Erläuterung dieses vertrackten Problems. Ich verstehe es so, dass offenbar eine weitere Stärke des deutschen Bankenwesens, das nationale Einlagensicherungssystem, zum EDIS eu-isiert werden soll. Am besten still und leise. Gibt es in D nennenswerte Mehrheiten für dieses riskante Opfer? Wo bleiben diesbezüglich die Meinungsinstitute und die angemessene öffentliche Debatte?

Winfried Sautter / 27.12.2017

Im Finanzgeschäft sollte grundsätzlich zwischen Geschäfts-/Investitionsbanken und Sparkassen/Genossenschaftsbanken unterschieden werden. Beide haben ein völlig unterschiedliches Geschäftsmodell: Risiko (inkl. Gewinnaussicht) vs. Sicherheit. Dass letztere nun mit in die Haftung genommen werden, kommt einer Enteignung gleich.

Roland Stolla-Besta / 27.12.2017

Vielleicht werden EDIS und seine Folgen endlich den Ausschlag geben, daß dieses antidemokratische Konstrukt EU auf seinen tönernen Füßen zusammenstürzt. Und somit hätte diese Schnaps-Idee dann doch auch etwas Gutes, allerdings zu welchem Preis!

Wolfgang Richter / 27.12.2017

Der deutsche Sparer rettet im Falle des sicher nicht fernen Falles, wenn man den bereits aktuellen Verfallsgrad verschiedener südländischer Banken kennt, die dortigen Finanzjongleure. Ein weiteres Bubenstück aus dem Hause Juncker u. Co., Berlin spielt mit bei der Gaunerei, feiert sie noch als weiteren Schritt zur Stabilisierung des Friedensprojektes "Europa" (ohne zu benennen, daß "EU" nicht "Europa" ist) , und der Bürger als Betroffener nimmt es offenbar wieder mal hin, ohne vernehmbaren Protest. Dasw verstehe wer will und kann.

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