Dirk Maxeiner / 22.08.2019 / 06:23 / Foto: Emilio Esbardo / 134 / Seite ausdrucken

“Ansprüche gegen Anis Amri an die Arbeitsagentur abtreten”

Bei dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt steuerte der islamistische Terrorist Anis Amri am 19. Dezember 2016 einen Sattelzug in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche. Amri tötete 12 Menschen, sieben kamen aus Deutschland, jeweils ein Todesopfer kam aus Israel, Italien, Tschechien, der Ukraine und Polen. 48 Personen wurden verletzt, 18 davon schwer. Die regierungsamtliche Gleichgültigkeit und Bagatellisierung gegenüber den Opfern war immer wieder ein Thema, auch auf Achgut.com. Für den vom Täter im Vorfeld getöteten polnischen Lastwagenfahrer blieb es einem englischen Trucker überlassen, eine Spendenaktion für die Hinterbliebenen zu starten.

Die Mitglieder aller 12 Familien der Todesopfer vom Breitscheidplatz schrieben einen offenen Brief an die Kanzlerin. Darin hieß es, der Anschlag am Breitscheidplatz sei auch eine tragische Folge der politischen Untätigkeit der Bundesregierung und weiter:

„In Bezug auf den Umgang mit uns Hinterbliebenen müssen wir zur Kenntnis nehmen, Frau Bundeskanzlerin, dass Sie uns auch fast ein Jahr nach dem Anschlag weder persönlich noch schriftlich kondoliert haben. Wir sind der Auffassung, dass Sie damit Ihrem Amt nicht gerecht werden. Der Anschlag galt nicht den unmittelbar betroffenen Opfern direkt, sondern der Bundesrepublik Deutschland. Es ist eine Frage des Respekts, des Anstands und eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass Sie als Regierungschefin im Namen der Bundesregierung unseren Familien gegenüber den Verlust eines Familienangehörigen durch einen terroristischen Akt anerkennen."

Die „Allgemeine Zeitung“ in Mainz und der „Wiesbadener Kurier“ haben in den letzten Jahren mehrmals über das Schicksal von Dr. Stefan W., berichtet, der beim Anschlag schwer verletzt wurde und in den Monaten nach dem Anschlag mehrmals mit dem Tod gerungen hat. Der geborene Wiesbadener überlebte nur durch ein Wunder. Fast eineinhalb Jahre blieb er nach dem Terroranschlag in Berlin, zunächst auf der Intensivstation, dann in einer Reha-Einrichtung. Der seinerzeitige Manager in einem großen Berliner Industrieverband ist heute Ende 50, Mobilität sei „eine stete Herausforderung“, „der Gang zur Apotheke, den Berg hoch“, berichtet er. Seine Lunge hat nur noch die Hälfte des früheren Volumens. 

Abtreten von Ansprüchen gegen einen toten Terroristen

Ende des vergangenen Jahres sagte Stefan W. zum Wiesbadener Kurier:

„Der Staat versagt. Der Staat ist nicht in der Lage, seine Bürger zu schützen. Das ist ein Armutszeugnis, furchtbar.“ Die meisten Politiker und die Bürokratie wollten mit dem Leid und den anderen Folgen von Terroranschlägen nichts zu tun haben: „Merkel sagt nur: weiter so.“

Immerhin: Behördlich wurde der Terroranschlag vom Breitscheidplatz im Falle von Stefan W. als „Wegeunfall“ anerkannt. Der Wiesbadener kämpfte mit aller Macht gegen das Aufgeben, wollte ins Arbeitsleben zurück: „Meine Ziele in Berlin waren: raus aus der Intensivstation, dann raus aus der Reha, irgendwann wieder arbeiten“. Die Berufsgenossenschaft zahlt zeitlich begrenzt Verletztengeld, danach stehe ihm, so wurde ihm geraten, Arbeitslosengeld zu. 

Doch sein Antrag auf Arbeitslosengeld wurde zunächst abgelehnt. „Viermal war ich da“, schildert er im Gespräch mit der Allgemeinen Zeitung, „bei drei unterschiedlichen Beratern. Jeder musste sich neu einarbeiten. Warum ordnet man nicht feste Sachbearbeiter zu?“ So habe er beispielsweise ein Formular ausfüllen sollen, in dem er Ansprüche gegen den Terroristen Amri an die Arbeitsagentur abtreten sollte.

In der Allgemeinen Zeitung, wird die kafkaeske Szene beschrieben. Stefan W. habe dem Sachbearbeiter gesagt: „Der Terrorist Amri ist tot, bei dem ist nichts zu holen“. Der habe geantwortet „Ich muss meine Chefin fragen“. Er sei weggegangen, zurückgekommen und habe dann darauf bestanden: „Sie müssen das ausfüllen.“

Nach langem zähen Ringen sei Stefan W.‘s Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosengeld dann doch noch positiv beschieden worden. Das sei mittlerweile aber überholt, weil sein Rentenbescheid vorliege, wegen voller Erwerbsminderung.

Die Dienstaufsichtsbeschwerde, die Stefan W. an den Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, gerichtet hatte, wurde inzwischen auch beantwortet: „Zunächst möchte ich mich bei Ihnen bedanken, dass Sie sich erneut die Zeit genommen haben, Ihre Meinung mitzuteilen“, schrieb ein untergeordneter Mitarbeiter der Agentur, „insofern werde ich Ihre ergänzenden Hinweise gerne zum Anlass nehmen, die entsprechenden Prozesse zu überprüfen.“

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Leserpost

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Gabriele Schulze / 22.08.2019

P.S. Das Hüllenbild (Burkhard Minack) habe ich natürlich falsch zitiert. Der erneut anrollenden Hitze geschuldet….

Gabriele Schulze / 22.08.2019

Nach Sichtung der Kommentare und einigen Überlegungen: wenn dem so ist und die Unaussprechliche die Deutschen haßt, selbige sie aber mehrheitlich supi finden - sind sie dann nicht auch hassenswert? Circulus….Das Bild der hüllenlosen Wesen in einem Kommentar ist zutreffend!

Klaus Plöger / 22.08.2019

BERLIN Breitscheidplatz. Es geschah vor Weihnachten an diesem Ort. Die Kanzlerin hieß alle Muslime willkommen. Und so fand der Täter seine Opfer. Ich nenne das: Beihilfe zum Mord!

J.P. Neumann / 22.08.2019

Die Arbeitsagentur ist nicht verantwortlich für die Politik von Frau Merkel, obwohl sie natürlich auch “Staat” ist.  Das die Opfer des Anschlags so schäbig behandelt werden, ist eine ausschließliche Entscheidung der Bundesregierung.

armin wacker / 22.08.2019

@Andreas Rühl Ich kann ihre Argumentation nachvollziehen. Wir bestehen aber auf Nothilfe hier im Forum. Schnelle unbürokratische Nothilfe. Nicht vom Sachbearbeiter XY, sondern vom Obersten der Exekutive. Wir sind so was von einem Beamtenstaat. Bloß beim Welt retten spielt alles keine Rolle, Geld schon gar nicht.

Karla Kuhn / 22.08.2019

Ergänzung: Herr Reiner Gerlach, herrlich Ihre “Satire.”  “....oder müssen noch hunderte oder tausende Mitläufer, die wie immer nix von gar nix gewusst haben, auch ihren Hut nehmen?”  Mit Hut wird nix ! Vielleicht habenSie noch in Erinnerung, wie viele der DDR Nomenklatura es sich recht komfortabel z. T. in der Regierung Kohl aber vor allem in den meisten Parteien und Organisationen(Beispiel u.a.  MERKEL und Kahane) gemacht haben? Der VERLIERER wird- wie immer- nur das schuftende Volk sein. Die schlimmste Beispiele gab es nach dem zweiten Weltkrieg !!  Ich bin heute noch sehr froh darüber, daß wenigstens in Rumänien mit diesem elenden Verbrecher, samt seinem Weib KURZER Prozeß gemacht wurde !

B.Schulz / 22.08.2019

Lieber Herr Murmelstein:“Wer das nicht begreifen will muß mit Widerstand rechnen und dieser Widerstand wird so leid es mir für Frau Merkel und ihren Milchbrüdern vom öffentlich rechtichen tut auch kommen! Und zwar früher als sie denken.“ Ich bewundere Sie für die Kraft Ihres Glaubens, jedoch - wer, bitteschön, sollten hier plötzlich Widerstand leisten? Da bin ich doch arg im Zweifel. Ein Land voller katzbuckelnder Untertanen ?

Michael Scheffler / 22.08.2019

Lieber Herr Rühl, was sollen eigentlich Ihre juristischen Erläuterungen? Warum wird nicht sofort nach OEG entschädigt? Das ist doch die Frage.  Haben Sie den Beitrag nicht verstanden?

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