Gunnar Heinsohn / 21.12.2016 / 06:15 / Foto: Dudzislaw / 12 / Seite ausdrucken

Anschlag von Berlin: Kein Herz für Polen

Zuerst wird am 19. Dezember der polnische LKW-Fahrer – ein 37-jähriger Familienvater aus Rożnowo –  durch Kopfschuss ermordet. Mit der Leiche im Fahrerhaus dreht der Täter eine Probe- oder Beschleunigungsrunde, um dann seine Todesschneise durch den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche zu ziehen und weitere elf Menschen umzubringen. Die polnischen Medien sind schon am Abend voll mit Meldungen. Jeder im Lande weiß, dass einer der ihren für eine noch entsetzlichere Tat geopfert wurde. Sein Verwandter und Arbeitgeber, Ariel Żurawski, erklärt später, dass er die Trauer um die Berliner Toten zutiefst mitempfinde, aber doch bedrückt sei, wenn sein Cousin Łukasz übergangen werde.

Am 20. Dezember, um elf Uhr in der Früh, erklärt Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Bestürzung für die Gemordeten und ihre Angehörigen. Sie leidet mit „Millionen von Menschen“, „Millionen in Deutschland“. Ihr Herz ist bei den „vielen Deutschen, die tagtäglich in der Flüchtlingshilfe engagiert sind“, bei den Ermittlern, Polizisten, Feuerwehrleuten, Sanitätern und Ärzten. Gemessen und mit dem gebotenen Ernst bringt sie das zum Ausdruck. Doch für den Polen und seine Landsleute hat sie kein einziges Wort übrig.

Drei Stunden nach der Kanzlerin spricht die polnische Premierministerin "‘der deutschen Nation‘ ihr Beileid aus“. So zumindest berichtet es der SPIEGEL. Er allerdings unterschlägt – im Gegensatz zu anderen deutschen Medien – bereits bewusst, was Merkel womöglich nur verdrängt hat. Denn Beata Szydło beginnt ihr Mitgefühl für die Deutschen mit einer Erinnerung an den so leichthin Vergessenen: „Mit großem Schmerz und Trauer haben wir zur Kenntnis genommen, dass das erste Opfer der abscheulichen Gewalttat ein polnischer Staatsbürger war.”

Sie erhebt keine Vorwürfe gegen Deutschlands Politik, vor deren Folgen Polen früh warnt und dafür bis heute viel teutonische Wut erntet. Immerhin drängt sie: „Europa muss sich im Kampf gegen den Terrorismus vereinen”.

Nichts spricht für eine beabsichtigte Gefühllosigkeit von Angela Merkel. Sie unterläuft ganz selbstverständlich. Doch die Kälte gegenüber dem polnischen Nachbarn, die der Redenschreiber durch Auslassen unterstreicht und die von der Kanzlerin nicht korrigiert wird, lässt einen frösteln.

Nachtrag: Es gibt inzwischen mehrere Spendenaufrufe für die Familie des polnischen Truckers. Siehe hier.

Foto: Dudzislaw GFDL, via Wikimedia Commons

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Hans Peter Kovacs / 21.12.2016

Ein sehr guter Artikel! Ich habe ihn, mit folgendem Kommentar versehen, auf Facebook geteilt: “Die Presse berichtet von Kampfspuren im Führerhaus des Lkw. Der polnische Fahrer Lukasz U. war ein tapferer Mann. Er hat das versucht zu tun, was getan werden muss: “Es reicht nicht, die Opfer unter dem Rad zu verbinden. Man muss dem Rad selbst in die Speichen fallen” (D, Bonhoeffer). Meine Hochachtung!”

Wieland Schmied / 21.12.2016

Zitat: ” Doch die Kälte gegenüber dem polnischen Nachbarn, die der Redenschreiber durch Auslassen unterstreicht und die von der Kanzlerin nicht korrigiert wird, lässt einen frösteln.” Richtig, Herr Hsohn.t nur frösteln sondern richtig frieren. Denn dazu kommt ja noch folgendes : “Sie leidet mit „Millionen von Menschen“, „Millionen in Deutschland“. Ihr Herz ist bei den „vielen Deutschen, die tagtäglich in der Flüchtlingshilfe engagiert sind“, bei den Ermittlern, Polizisten, Feuerwehrleuten, Sanitätern und Ärzten.”  Die anderen, die ‘schon länger hier sind’ werden vom Ghostwriter der eiskalten Dame -beabsichtigt oder nicht(?) -  ‘unterschlagen’.  Denn deren Gefühlsregungen beschränken sich bekanntlich ohnehin nur auf Hass. So werden zig Millionen Deutsche, wie das polnische Opfer, zur Bestrafung ihrer Unbotmäßigkeiten als Bürger des widerspenstigen Polens und des widerlichen Dunkel-Deutschlands als nicht existent ausgeblendet und manch einem dafür gekonngt und gewollt auch noch Schuld- und/oder Minderwertigkeitskomplexe eingepflanzt. Maas-Regelungen durch diese abscheuliche Dame überall und bei jeder Gelegenheit.

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