Deborah Ryszka, Gastautorin / 30.01.2021 / 11:00 / Foto: Dicknroll / 23 / Seite ausdrucken

Another day in paradise: Phil Collins wird 70

Ob man seine Musik mag oder nicht. Fest steht: Phil Collins schrieb einen Hit nach dem anderen. Man kann sagen, er schrieb Weltgeschichte. Und dieser Mann feiert am 30. Januar seinen siebzigsten Geburtstag. Aber das hört sich rosiger an, als es ist. Denn von nix kommt nix. „Ruhm und Ruhe sind Dinge, die nicht zusammen wohnen können“, sinnierte bereits Georg Christoph Lichtenberg.

Das musste Collins am eigenen Leib erleben. Während er musikalisch nach den Sternen griff, kehrte er privat umso häufiger Scherbenhaufen zusammen: Dreimal läuteten die Hochzeitsglocken, dreimal hämmerte der Scheidungsanwalt. Auch gesundheitlich ging es für Collins talwärts. Seit ihm zum ersten Mal im Jahr 2000 Taubheitserscheinungen am linken Ohr befielen und Taubheitsgefühle in den Händen aufkamen, verschlimmerte sich sein Gesundheitszustand zunehmend. 2011 verabschiedete sich Collins sogar vom Musikgeschäft.

Doch Collins wäre nicht Collins, würde er sich komplett zurückziehen. Einer wie er braucht das Publikum, die Musik, den Thrill, wie „Normalsterbliche“ die Luft zum Atmen. Es ist wie eine Droge, ein Rausch, eine Sucht. Anders hätte der Vollblutmusiker nicht einen Hit nach dem anderen produzieren können. Er ist ein „Musicoholic“. Daher verwundert es nicht, dass er sechs Jahre nach seinem Abschied, mit seiner früheren Band „Genesis“ im Jahr 2017 auf Reunion-Tour ging.

Verliebt ins Schlagzeug

Diese musikalische Besessenheit des achtfachen Grammy-Gewinners zeichnete sich schon in frühen Jahren aus. Mit fünf Jahren traf ihn Amors Blitz, und er verliebte sich in das Schlagzeug. Diese Begegnung ließ ihn nicht mehr los. Fortan verschrieb sich Collins der Musik. Sogar einen Abstecher in die Welt des Musicals machte er. So besuchte er mit vierzehn Jahren die Schauspielschule und spielte die erste Hauptrolle in der Londoner Westend-Produktion „Oliver!“.

Doch dem Publikum wirklich bekannt wurde Collins als Schlagzeuger der Band „Genesis“. Nachdem Peter Gabriel die Band 1975 verließ, übernahm Collins nun auch das Mikro. Das hörte man auch. Der Sound der Progressive-Rock-Band wurde immer poppiger und softer. In Songs wie „Invisible Touch“ oder „Land of Confusion“ hört man das.

Aber Collins wollte mehr. So begann er auf eigene Faust Musik zu machen. Das zahlte sich aus. Bereits 1985 erscheint sein erfolgreichstes Album „No Jacket Required“. Dieses dritte Studioalbum verkaufte sich weltweit mehr als 20 Millionen Mal. Ebenso das Nachfolgealbum „But Seriously ...“ aus dem Jahre 1986.

Keinen Platz für Frauen

Kaum zu reden von den ganzen Hits, die Collins fortan produzierte. Von „In The Air Tonight“ über „I Missed Again“ bis hin zu „Don‘t Loose My Number“. Fast jeder kennt die Songs, fast jeder schätzt sie. Collins ist eben eine echte Musikmaschine, eine fleischgewordene Hitproduktionsmaschine. Doch das hatte seinen Preis.

So verarbeitete er etwa in seiner Hit-Ballade „Against All Odds (Take A Look At Me Now)“ seinen Schmerz über die Scheidung von seiner ersten Ehefrau. Während Collins somit seinen Liebsten, und letztlich auch sich selbst, Kummer und Leid brachte, so beschenkte der Vollblutmusiker seine entfernten Mitmenschen mit Ohrwürmern en masse.

Collins lebt für und liebt die Musik. Sie ist seine wahre Liebe. Einzig ihr blieb er treu. Platz für anderes (und für Frauen) kann es da nicht geben. Er ist eben ein echter Musiker. Hoffen wir, dass er den Musikhimmel noch mit weiteren Hits bereichern wird. In diesem Sinne: „Happy Birthday, Mister Collins.“

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Leserpost

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Peter Schmidt / 30.01.2021

Collins hat sich seine Ohren kaput gedrummt. In ear Monitore waren in den 70ern halt noch kein Standard. Ein schlimmer Tinnitus ist die zwangsläufige Begleiterscheinung. Für einen Musiker eine Katastrophe. Viele der bekannten Rockgrößen leider unter dieser Pest. Und die jungen Leute gehen immer noch in überlaute Veranstaltungen und wundern sich später wenn es zu spät ist. Ich weiss wovon ich spreche.

Jochen Lindt / 30.01.2021

Mein Lieblingssender war früher Radio Hamburg.  Denn nur dieser Sender hatte etwas, das alle anderen nicht hatten, nämlich “das garantiert Phil Collins-freie-Wochenende”.

Stephan Bender / 30.01.2021

Schon die Dire Straits waren vom rechten Pfad abgekommen und sie stellten die ersten männlichen Groupies der britischen Rockgeschichte dar, so wie später David Beckham ja auch die Seele des Fußballs verriet. Doch Phil Collins war in meinen Augen regelrecht reaktionär, auch wenn “In The Air Tonight” den anerkannt besten Spannungsbogen eines Rocksongs seit Pink Floyd bietet.

Katja Immig / 30.01.2021

Ab einem gewissen Alter lesen sich Glückwünsche wie Nachrufe. Sad But True.

Richard Rosenhain / 30.01.2021

Würschtel-Collins mit seinem unerträglichen Winseln hat maßgeblich die Andre-Rieu-isierung einer meiner früheren Lieblingsbands vorangetrieben. Ich bekomme Schmerzen, wenn ich mir das anhören muss (zum Glück gibt es überall Ausschaltmöglichkeiten). Als Mensch und Drummer vielleicht ein netter Kerl - das ist allerdings alles. Trotzdem Glückwunsch.

Günter Fuchs / 30.01.2021

Der Collins Song “That’s All” damals noch mit “Genesis” (1983) ist einfach genial! Man höre sich mal die Live-Version aus dem Wembley-Stadion (1987 im Rahmen der ” Invisible Touch Tour”) an (auf youtube.com verfügbar)! Von solchen Song-Kompositionen und -Interpretationen können die heutigen musikalischen Laiendarsteller nur träumen!

S. Miller / 30.01.2021

@ Ernst Tannenberg. Wenn Sie die Musik “Absolut langweilig und beliebig” finden, dann weiß ich nicht, welchen Geschmackes Kind Sie sind. Sie dürfen ja anderer Meinung sein, aber die Komplexität und den musikalischen Anspruch so mancher Genesis-Nummer (ja, auch mit Collins) nicht zu erkennen, ist schon fraglich. Behören Sie sich mal “...and then there were three” ganz und sprechen von Beliebigkeit. Es wird schon seinen Grund haben, weshalb sich keine Dudel-Cover-Band an Genesis-Tracks herantraut. Wo’s doch so simpel und langweilig ist. Aber gut!

Nico Schmidt / 30.01.2021

Sehr geehrte Frau Ryszka, ich liebe ihn trotzdem. Mein Leben hat er reicher gemacht. In vielen Nächten und noch mehr Tagen habe ich “in the air tonight” gesungen, gesummt und geschrien. MFG Nico Schmidt

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