Gunnar Heinsohn / 25.10.2019 / 06:10 / Foto: Bundesregierung.de / 38 / Seite ausdrucken

Ankara und Berlin in der Flüchtlingsfalle

Von drei auf neun Millionen springt Syriens Bevölkerung zwischen 1945 und 1980, als der Kriegsindex zwischen 4 und 5 steht. Auf 1.000 Männer im Alter von 55 bis 59 Jahren folgen 4.000 bis 5.000 Jünglinge zwischen 15 und 19 Jahren. Nur die Besten können – daheim oder in den Ölscheichtümern – auf akzeptable Positionen hoffen. Der stetig härter werdende ökonomische Wettbewerb wird umgeprägt in eine religiös aufgeladene Feindschaft. Seit 1976 erstreben sunnitische Muslimbrüder die Auslöschung der regierenden alawitischen Minderheit. Ihnen gelingen spektakuläre Morde, aber 1982 zertrümmert die Armee unter Rifaat Al-Assad, Onkel des heutigen Diktators Baschir, ihre Stadtviertel in Hama. Über 20.000 Menschen kommen dabei um. Das haben die Besiegten nie vergessen.

2011 steht Syrien bei 22 Millionen Einwohnern. Der Kriegsindex steht immer noch bei 4 bis 5. Doch die ökonomische Lage ist hoffnungsloser. Allein zwischen 2009 und 2011 wächst die Arbeitslosigkeit von 8 auf 15 Prozent. Seit 1980 ist die Zahl kampffähiger Männer aller Konfessionen (15-29 Jahre) von 1,20 auf 3,25 Millionen gestiegen. So viele gab es zuvor nie. So viele werden es auch nie wieder sein. Das gilt allerdings nur, solange die rund 6,7 Millionen Flüchtlinge nicht zurückkehren. Unter ihnen dominieren junge Männer und Frauen. Viele ziehen längst eigenen Nachwuchs auf. Drei Millionen Exilsyrer sind deshalb jünger als 18 Jahre. 

Der Kriegsforscher Herwig Münkler verteidigt 2016 die Aufnahme einer knappen Million Syrer durch Angela Merkel mit dem Bild eines „Überlaufbeckens“. Als solches sollte Deutschland rund fünf Jahre lang – bei Kosten von etwa 100 Milliarden Euro – die jungen Araber menschenwürdig versorgen, um sie nach Kriegsende in ihre Heimat zurückzuführen. 

Allerdings hatte Berlin nicht bedacht, dass die Syrer ihrerseits aus einem ‚Becken‘ flohen, das nicht nur dauernd ‚überlief‘, sondern aus eigenem Nachwuchs auch immer wieder bis zum Rand nachgefüllt und eben dadurch stets Kriegsverluste absorbieren konnte. 

Auch Erdogan ging von ihrer baldigen Rückkehr aus

Wie der Autor von seinen türkischen Studenten (Diplomaten und Kommandeure) am NATO Defense College (ROM) weiß, hatte auch Ankara bei der Aufnahme von 3,5 Millionen Syrern nicht an die Demografie hinter ihrem Bürgerkrieg gedacht. Auch Erdogan ging von ihrer baldigen Rückkehr aus, verstand nun aber, dass er mit Deutschland und den anderen Aufnahmeländern in derselben Falle saß. Die Kosten und die entsprechenden Reibereien würden immer nur zunehmen. Seitdem will er die Fremden, deren Kosten Berlin und Brüssel ja nur partiell abdecken, loswerden.

Denn ungeachtet der bis zu 500.000 Bürgerkriegstoten wächst Syriens Gesamtbevölkerung zwischen 2010 und 2020 von 21 auf 25 bis 26 Millionen. Davon leben 17 bis 19 Millionen innerhalb der Landesgrenzen. Das sind immer noch sechsmal mehr als 1945. Bis 2040 sollen es mit 30 Millionen intern sogar zehnmal so viele sein. Syriens Regierung kann die bald 7 Millionen Exilanten also gar nicht zurückhaben wollen. Ihr jugendlicher Druck würde die gerade abflauenden Gemetzel umgehend wieder in umfassende Kriegsaktionen transformieren. Da überwiegend Sunniten kämen, müssten die alawitischen, christlichen und kurdischen Minderheiten überdies blutige Rache fürchten.

Baschir Assad hat diese Sorge unmissverständlich zum Ausdruck gebracht: „Wir haben von unserer Jugend zwar die Besten verloren, dafür aber sind wird als Gesellschaft homogener und gesünder geworden.“ ("We lost the best of our youth. / But in exchange, we won a healthier and more homogeneous society;")

Ein paar Millionen syrische Sunniten, die Ankara jetzt in Nordsyrien ansiedeln will, sind für Damaskus keine Sicherheitszone, sondern eine Kriegserklärung. Erdogan weiß das und Assad schickt Truppen an die türkische Grenze. Wer eine solche Zone aus Berlin oder woher auch immer garantieren möchte, verschiebt die gescheiterte Politik des Überlaufbeckens nur auf ein anderes Gelände. Sie mag dort weniger kosten als im hiesigen Hartz-IV-Sektor.

Doch man vergisst dabei leicht, dass selbst Putins Russland zwischen all den syrischen Fronten nicht nur siegt, sondern stetig auch Elitesoldaten verliert. Wie ihre deutschen Kameraden sind sie einzige Söhne oder gar einzige Kinder ihrer Mütter. Wenn sie fallen, wird ihre Familienlinie nicht – wie noch auf Jahrzehnte hinaus in Syrien, Irak oder Jemen – von den Brüdern fortgesetzt, sondern beendet. Wohl dem, der in dieser Region nicht Krieg führen muss.

Gunnar Heinsohn hat von 2011 bis 2019 am NATO Defense College (NDC) in Rom Kriegsdemographie gelehrt. In Stavanger hat er 2018 das Perspektivreferat zum 15. Geburtstag des Joint Warfare Center (JWC) der NATO gehalten.

Foto: Bundesregierung.de

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Thomas Schmidt / 25.10.2019

@Wolfgang Kaufmann / 25.10.2019 “Denn mittlerweile besteht ein Wettbewerb der Männergruppen, BBC versus AWM. Allen ist klar, wer bei dieser Damenwahl den Kürzeren zieht” Der weiße Mann sieht sich nicht nur einem krassen Hochverrat seiner Eliten gegenüber, sondern ebenso einem Verrat seiner Frauen. All diejenigen die meinen, Europa noch retten zu können - wozu denn? Eure Frauen und Töchter vögeln längst mit den Ethno-Männern rum, die euch demnächst ablösen werden. Es gibt niemanden mehr, für den es sich lohnt das ganze zu verteidigen. Das Vorurteil der Zuwanderer über “billige deutsche Schl…” ist ja wohl eher ein auf persönlichen Erlebnissen beruhendes qualifiziertes Urteil, als ein Märchen aus 1001 Nacht. Die einzig wahre und intelligente Strategie für den weißen Mann ist “Islam is right about woman”. Also nicht einen Krieg gegen die Demographie führen, den man nicht gewinnen kann, sondern sich frühzeitig auf die Seite der Sieger schlagen und dabei zusehen, den Hochverrätern aus den eigenen Reihen die Konsequenzen ihres Handeln spürbar zu machen.

Klaus Kalweit / 25.10.2019

Die Mutter aller Fragen ist für mich: Warum ist die Grenze heute immer noch offen für jeden, egal ob mit Pass oder ohne?

Thomas Schmidt / 25.10.2019

Parallelwelten. Dort blutige, barbarisch grausame Kriege, Machtkämpfe der Großmächte in Kombination mit tödlich verfeindeten religiösen Gruppen vor Ort, und bei all dem zählen nur Männer. Hier die irre Dekadenz einer kindlich verweiblichten Urenkel Generation, bei der Gehirnwäsche, Dummheit, Hysterie und “ewiger Frieden und Wohlstand” zu einem psychopathologischen Zustand geführt hat, dem zwangsläufig die finale Quittung von Darwin folgen wird. Und Hochverrat, nicht zu vergessen, denn es sind ja die gleichen alten Männer des Westens, die dort in Syrien Krieg führen, die hier für kranke Ideologie und totale Gehirnwäsche verantwortlich sind.

Wolfgang Kaufmann / 25.10.2019

Der Gesinnungsethiker fragt nicht nach den Folgen seiner Gesinnung. Dennoch werden sie ihn einholen. – Mir haben die Zeiten besser gefallen, als Frauen zum Fremdgehen noch ins Ausland gingen und nicht ganze Hundertschaften testosteronschwangerer Prinzen ins traute Heim hereinschipperten wie diese Sea Witch. – Denn mittlerweile besteht ein Wettbewerb der Männergruppen, BBC versus AWM. Allen ist klar, wer bei dieser Damenwahl den Kürzeren zieht: Der Weiße Mann hat seine Schuldigkeit getan, der Weiße Mann kann gehen.

Rolf Lindner / 25.10.2019

Da ich es prinzipiell Ablehne, die Ergebnisse ungehemmter Bettgeschichten anderer Länder bis weit in das Erwachsenenalter von meinem Steueraufkommen zu alimentieren, plädiere ich dafür: 1. Keine Hilfsgelder mehr an Länder, die keine Geburtenkontrolle betreiben, 2. ein Grenzregime an der Süd- und Südostflanke Europas, das dem der DDR zur BRD entspricht, 3. kein Alimentieren von arabischen und afrikanischen Familien mit mehr als zwei Kindern in Europa, 4. Hilfen an die entsprechenden Länder nur in Form von Schwangerschaftsverhütungsmitteln, 5. keine Aufnahmen von männlichen Einzelpersonen.

Jörg Klöckner / 25.10.2019

Dass der Politologe Herfried Münkler ein “Kriegsforscher” sei, ist einerseits wahr angesichts einiger Buchtitel, andererseits ein glatter Seitenhieb aus dem Munde Heinsohns, der ein Institut für vergleichende Völkermordforschung gegründet hat, seit 2012 am NATO Defense College (NDC) in Rom Kriegsdemographie lehrt, und ein Perspektivreferat für das Joint Warfare Center (JWC) der NATO gehalten hat. Im Achse-Artikel “Dreißigjähriger Krieg auf immer unbegreifbar?” vom 10.6.2018 kommentiert er Münklers Buch “Der Dreißigjährige Krieg” folgendermaßen: “Für Herfried Münkler lässt sich, nach 976 Seiten [...], immer noch ‘nicht entscheiden, ob es in diesem Krieg wesentlich um Religions- oder um Machtfragen ging’.” Ein feiner Tritt in den Hintern, bei dem man dem Getroffenen noch nicht mal gönnt, nachweisbar herablassend gewesen zu sein. Da kommt Freude auf! Und Herr Münkler hatte wieder Stoff für seine “mürrische Indifferenz”. Als Einflüsterer der Kanzlerin ist Münklers “Überlaufbecken” der Gipfel deutscher Strategie, und ich denke, dass sogar die Handwerksinnung der Installateure kalte Füße bekam und Angst hatte, vom Spontanmeister übernommen zu werden. Dagegen ist Gunnar Heinsohn ein echter Forscher, der sich nicht ideologisieren lässt. Das hat er seinen Opponenten voraus, die reihenweise genau deswegen scheitern.

elke popken / 25.10.2019

Es ist einfach nur noch unfassbar: diese ehemals saarländische “Bürovorsteherin”, die auf mich immer wirkt, als wenn sie als Hausfrau ein nebenBetätigungsfeld sucht um sich ein bisschen aufzuwerten, macht auf Verteidigungsministerin. Eine witzfigur! Sie will eine Schutzzone einrichten: mit was oder wem bitte?! Unsere grenzen ist sie nicht in der Lage zu schützen, aber Putin jetzt noch in die Parade fahren. Dann sitzen assads Wehrdienstverweigerer bei uns in den Cafés, von unserem Geld, und unsere Jungs werden jetzt wegen akks profilneurose in den Krieg ziehen, nur weil sie selbst zu blöd ist, um zu erkennen, wie sie von Merkel von Anfang an missbraucht wurde?! Seit ich denken kann, bekriegen sich diese SteinzeitMoslems wegen ihrer religion und von Afrika zeigt man uns seit Jahrzehnten hungernde Kinder. Das einzige was sich geändert hat, ist, das deren Probleme durch muslimische masseneinwanderung in unser Land geholt wurden, anstatt die grenzen dicht zu machen. Dieser Staat ist gar nicht der Lage sich noch selbst zu verteidigen, akk und Maas spiegeln das gesamte Desaster, versagen und Dummheit in ihrer gleichfalls absoluten Lächerlichkeit wieder!!

P. Werner Lange / 25.10.2019

Zum Thema baldige Rückkehr: “Nun sind sie halt da ...” Wie die noch 2015 sofort einsetzenden Weisungen und Bemühungen um Integration und Familienzusammenführung es zeigten, war eine Rückkehr aus Deutschland auch nie beabsichtigt: Pässe und Ausweise hätten dem nur störend entgegengestanden. Welche Absicht dahintersteht, ist unergründlich. Denn: “Falls Sie in einem Land leben, in dem Sie für das Fischen ohne Anglerschein bestraft werden, jedoch nicht für den illegalen Grenzübertritt ohne gültigen Reisepass, dann haben Sie das volle Recht zu sagen, dieses Land wird von Idioten regiert.” Das Zitat stammt von Miloš Zeman, dem sozialdemokratischen tschechischen Ex-Präsidenten. Jedenfalls lässt sich sagen, dass eine Frau, die ihr Handeln nach eigener Aussage stets “vom Ende her” bedenkt, wohl - wie bei der sogenannten Energiewende, beim “Atomausstieg” und in mancher Hinsicht sonst - überhaupt nicht nachdenkt, sondern allein von Machthunger und Unwissenheit getrieben wird. Stehende Ovationen gibt es ja trotzdem, und da fällt mir gleich wieder das besagte Zitat ein.

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