Anhausmeistern mit Rollsplit

Das Phänomen aufmerksamer Frühpensionäre, die verbotenerweise im Hauseingang abgestellte Kinderfahrräder im Wäschekeller einschließen, um den nervigen kleinen Kackbratzen mal so richtig zu zeigen, wo es langgeht, kennt man. Der große Wiglaf Droste hat die deutsche Sprache um das schöne Wort „anhausmeistern“ bereichert. Hier handelt es sich um die Ermahnung eines Mitbürgers durch einen anderen. Ersterer hat dabei tatsächlich einen Verstoß gegen Vorschriften begangen, aus was für Gründen auch immer. Das Ganze ist hochgradig nebensächlich und zeitigt keinerlei Folgen, schon gar nicht für den ermahnenden Mitbürger. Gelegenheit, die „Anhausmeisterei“ auszuüben, bietet beispielsweise ein Fußgänger, der eine einsame, zu dieser Zeit verkehrsfreie Straße trotz rotem Ampelsignal überquert oder ein Radfahrer, der widerrechtlich auf einem breiten, kaum genutzten Gehweg fährt.

Aber es geht auch eine Nummer größer. Bürgermeisteramt, Corona-Vorschriften und eine politisch-mediale oder gar tatsächlich schon gesellschaftliche Atmosphäre, die entsprechende Prädispositionen seit noch gar nicht so langer Zeit wieder einmal fördert, bieten großartige Gelegenheiten. Die Chronik der menschlichen Abgründe wird fleißig weiter geschrieben.

Dann kam ich auf diesen spontanen Einfall, verkündet der Rathauschef des hessischen Dieburg, der parteilose Frank Haus, stolz in einem Interview. Der spontane Einfall bestand darin, den Skatepark der Stadt mit Rollsplit zuzuschütten. Irgendwie geht es um Virusausbreitungsbekämpfung, aber dies scheint für Herrn Haus, ausweislich seiner Ausführungen, gar nicht so sehr das Problem zu sein. Die Ordnung ist es. Die Ordnung.

Hauptstichwort ist das verschärfte Infektionsschutzgesetz des Bundes. Ist die magische 100 überschritten, sind Zusammenkünfte im privaten und öffentlichen Bereich nur noch zwischen einem Haushalt und einer weiteren Person zulässig. Dass der Bürgermeister die Vorschriften kennt, ist unerlässlich. Nun wurde laut Herrn Haus durch ein nicht näher bestimmtes „Wir“ festgestellt, möglicherwiese eine Anleihe beim etwas aus der Mode gekommenen Pluralis Majestatis, dass auf dem Skateplatz regelmäßig deutlich größere Gruppen an jungen Leuten zusammengekommen sind, überwiegend Teenager. Ordnungsbehördenpräsenz, Absperrung via Flatterband, Baustellenbaken – das „Wir“ bemühte sich redlich, allerdings erfolglos, dem Gesetz Geltung zu verschaffen. Daher suchte das „Wir“ nach einer pragmatischen Lösung. Das „Wir“ brachte Rollsplit auf, der sonst im Gehwegbau oder bei Pflasterarbeiten benutzt wird… so ein bis zwei Zentimeter hoch. Und siehe da: Seitdem finden diese Aktivitäten dort nicht mehr statt. Treffer, Teenager versenkt.

Das "Wir" war von der Welle überrascht

Mehrheitlich, so erklärt Herr Haus bzw. das „Wir“ weiter, haben sich die Menschen dort nicht getroffen, um zu skaten. Mit Skatern an sich und deren Individualsport habe das „Wir“ überhaupt kein Problem, da ist es großzügig. Aber aus der Szene heraus kamen eben viele Leute auch zum Abhängen… Und dabei wurden die Hygieneregeln nicht eingehalten.

Dass sich die jungen Menschen nun gar nicht mehr träfen, glaubt der Herr Bürgermeister, der sich nun wieder als „Ich“ äußert, nicht. Aber wir  - Wechsel in den Plural – haben als Ordnungsbehörde einen klaren gesetzlichen Auftrag. Wenn es ein Infektionsschutzgesetz gibt, das vor Ort umgesetzt werden muss, dann versuchen wir das auch. Ein klarer gesetzlicher Auftrag, da muss man handeln, das versteht jeder.  

Von der Welle, die das jetzt schlägt (etwa hier), war das „Wir“ überrascht. Nun befürchte der Bürgermeister, wieder als „Ich“, dass sich da jetzt eine bestimmte Gruppe austobt, die den Corona-Maßnahmen insgesamt skeptisch gegenübersteht.

Herr Haus war zum Handeln gezwungen: Es gibt eine Regel. Und ich muss dafür sorgen, dass diese Regel eingehalten wird – auch wenn auf dem Skateplatz wahrscheinlich keine große Infektionsgefahr bestand. Ich habe diese Regel aber nicht gemacht, ich finde das Infektionsschutzgesetz in diesem Punkt auch nicht sehr gelungen… Aber es ist nicht meine Aufgabe, zu entscheiden, ob das Gesetz vernünftig ist. Meine Aufgabe ist es, das Gesetz anzuwenden. Genau, mit einem eigenen, spontanen Einfall.

PS: Der Autor dieses Textes, dem das Fach Geschichte nicht völlig unvertraut ist, wollte eigentlich noch einen schönen Schluss formulieren, musste aber nach der Übertragung dieser bürgermeisterlichen Interviewpassagen erst einmal ein mittelschweres Unwohlsein niederkämpfen.

PPS: Inzwischen wurde der Platz wieder vom Split befreit, einfach so, initiativ, ohne Segen durch Herrn Haus, das „Wir“ oder ein Gesetz. Wer genau es war – naheliegende Verdächtige werden genannt – weiß man nicht. Der Autor weiß aber, dass diese Nachricht gut für sein Wohlbefinden war.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Dieter Franke / 15.05.2021

Da bleibt zu hoffen, daß die Jugendlichen sich des Bürgermeister-Namens erinnern wenn wieder Kommunalwahl erlaubt ist - so sie überhaupt noch zur Wahl gehen.

Judith Panther / 15.05.2021

Gute Nachricht für Arschkriecher wie den Dieburger Schotterkönig heute auf t –online: “AKTUELLE STUDIE - FORSCHER HALTEN REKTALE BEATMUNG BEI MENSCHEN FÜR MÖGLICH”.

Walter Weimar / 15.05.2021

Völker der Erde, schaut auf diese Stadt. Ein Bürgermeister von dem man sich hunderte wünscht, leider gibt es tausende davon. Diese Typen kann man auf jeden Wachturm stellen, die wissen was zu tun ist.

Judith Panther / 15.05.2021

Ein Gutes hat es ja, aus den Wahlumfragen zu erfahren, daß die Wähler mit ihrem angeblichen Hype um die Grünen ihren endgültigen Untergang anscheinend nicht erwarten können: Denn spätestens jetzt können wir uns von unserer Lieblingsverschwörungstheorie verabschieden, wonach ein paar Godzillionäre und pergamenthäutige Greise aus Übersee angeblich mit uns und der Welt Monopoly spielen. Ausgeschlossen. Die haben sicher nichts dafür springen lassen, daß die Deutschen mit ihrer unverwechselbaren Mischung aus Todessehnsucht und Sündenstolz ihre Stimmen jetzt zunehmend den Vertretern der „Deutschland, verrecke!“- und Pädo-Partei opfern. Und ganz sicher hat eine Handvoll seniler Milliardärssenioren dem deutschen Bürger auch keinen Pfennig dazubezahlt, daß dieser seinem Nachbarn zum Kindergeburtstag die Polizei auf den Hals hetzt. Mag sein, daß diese alten Herren für ein paar Dollar ihre Großmutter verkaufen würden – aber Kinder traumatisieren und mit giftgetränkten Wattestäbchen foltern? Vom Schlitten schubsen? Ihre Schneemänner und Rodelbahnen zerstören? Schotter auf die Skateboardpiste streuen? Ihre Geburtstage ruinieren? So tief würde selbst Bill Gates nicht sinken. Noch nicht einmal für Geld. (Für Geld macht er allerdings noch viel Schlimmeres, aber das steht auf einem anderen Blatt.) Außerdem wissen sie ja, daß man Menschen nicht extra noch dafür bezahlen muß, daß sie ihren finstersten Trieben nachgehen. Das machen die für lau. Der Deutsche ist aber der einzige, der daraus auch noch eine Tugend macht.  Ist DAS vielleicht ist der kleine Unterschied mit seinen furchtbaren Folgen?

Heinrich Hein / 15.05.2021

Leider besteht das Problem darain, dass zahlreiche mittelgroßen Städte nicht gerade Intelligenzbolzen als Bürgermeister haben. Schlaue Menschen haben überhaupt kein Interesse daran, sich in der niederen Kommunalpolitik zu engagieren. Im Ergebnis bleiben die nicht sehr intelligenten Menschen unter sich und die anderen schütteln immer häufiger nur mit dem Kopf.

George van Diemen / 15.05.2021

Hat da eigentlich jemand Anzeige wegen Gefährdung der Öffentlichen Sicherheit gestellt? So ein Rollsplit ist doch nicht ohne? Und gerade die addressierten Partypeople sind doch mehrheitlich nicht des Lesens von Warnschildern mächtig? Bin aber zuversichtlich - eine Impfung wird da bald finale Abhilfe verschaffen!

Harald Unger / 15.05.2021

Der Herr Bürgermeister Ichwir hat die Sache nun wirklich falsch angepackt. Skateboards sind Klimakiller. Durch den erhöhten CO2 Ausstoß beim Betätigen mit diesem mörderischen Gerät. Wäre die Angelegenheit also im Sinne künftiger Generationen auf diesem Planeten kommuniziert worden, die Jugendlichen hätten öffentlich (Twitter, FB) abgeschworen und ihre Boards verbran-äh nein, geht gar nicht, sondern zerhackt und den CO2 neutralen Abriss des Skateparks gefordert. Damit nie wieder Nazis dort aufmarschieren können.

Jo Pabst / 15.05.2021

Wenn man sich fragt: Wie konne GöFaZ an die Macht kommen und bis zum Endsieg durchhalten oder wie kann Mutti Merkel das Land in einem Ausnahmezustand versetzen, den durchhalten ohne großartigen Widerstand? Es ist wie beim Frosch im Kochpott auf dem Herd: Er merkt’s erst wenn’s zu spät ist. Dann ist es zu spät und es gibt kein Raus bzw Zurück. Oder: Steter Tropfen höhlt den Stein.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com