Ramin Peymani, Gastautor / 07.10.2019 / 08:41 / Foto: Pixabay / 83 / Seite ausdrucken

Angsttriebe in Berlin: Die Migrationsdebatte kehrt zurück

Fast schien es, als spiele die ungebrochene Zuwanderung nach Europa keine große Rolle mehr. In den zurückliegenden Monaten war die Politik so sehr damit beschäftigt, sich einer irren grünen Ideologie anzudienen, dass sie nur noch wenig Zeit dafür fand, sich der eigentlichen Herausforderung des 21. Jahrhunderts zu widmen. Doch urplötzlich schrillen in Brüssel, Paris und Berlin die Alarmglocken. Erdoğan will mehr Geld. Viel mehr Geld. Auf dem Weg, sein Land in einen Gottesstaat umzubauen, ist der türkische Präsident in Not geraten.

Eine tiefe Währungskrise und eine Rezession im Jahr 2018 haben seiner Popularität geschadet und die Türkei geschwächt. Zwar hat Erdoğan mittlerweile die Kontrolle über die Notenbank übernommen, um seine Wirtschaft mit einer drastischen Zinssenkung anzukurbeln, doch rechnen Volkswirte trotz der Rückkehr auf den Wachstumspfad für 2019 mit einem deutlich hinter den Regierungserwartungen zurückbleibenden Anstieg des Bruttoinlandsprodukts. Die Rating-Agenturen haben bereits mit der Abstufung der Kreditwürdigkeit reagiert oder diese angedroht.

Es läuft nicht gut für Erdoğan, der allerdings einen Joker in der Hand hält, den die Europäische Union ihm 2016 zugesteckt hat. Unter dem Eindruck der Kapitulation Deutschlands vor dem millionenfachen Zuwandereransturm mussten die von Merkel in Bedrängnis gebrachten Staats- und Regierungschefs klein beigeben. Sechs Milliarden Euro sicherten sie der Türkei zu, die sich im Gegenzug verpflichtete, sämtliche von griechischen Behörden und Gerichten abgelehnten Asylbewerber zurückzunehmen, die es von der türkischen Küste zu einer griechischen Insel geschafft haben.

 

Unterwürfigkeit, die alles bisher Dargebotene übertraf

Die Zusage fiel Erdoğan leicht, wusste er doch, dass kaum jemand, der die türkische Grenze erst einmal hinter sich gelassen hat, am Ende zurückkehren würde. Zu leicht ist es, der Rückführung zu entgehen, wie etwa durch die Behauptung, man fühle sich in der Türkei nicht sicher. Maßgeblich dazu beigetragen, dass bis heute rund zehnmal mehr Syrer direkt aus der Türkei aufgenommen, als von den griechischen Inseln in die Türkei abgeschoben wurden, hat aber die Tatsache, dass der ohnehin nicht funktionierende griechische Staat mit der Abwicklung der Asylverfahren hoffnungslos überfordert ist.

Der Winter naht, und immer mehr Menschen strömen in die überfüllten Erstaufnahmeeinrichtungen. Panik macht sich breit. Und so beorderte die Willkommenskanzlerin, die 2015 den Grundstein für die heutige Krise Europas gelegt hat, ihren Innenminister nach Athen. In Ankara hatte sich Seehofer zuvor in eine wahre Heldenverehrung hineingesteigert. Mit blumigen Wortgirlanden pries er die „historische Leistung“ Erdoğans, der darauf setzen kann, dass die Europäische Union die Verlängerung des Deals mit einem zweistelligen Milliardenbetrag dankt.

In einer Unterwürfigkeit, die alles bisher Dargebotene übertraf, versicherte Seehofer den türkischen Herrscher seiner immerwährenden Dienerschaft. Auch Athen umgarnte der Bundesinnenminister mit vollmundigen Angeboten. Dort will man aber lieber das Asylrecht verschärfen. Die Griechen wissen, dass sie der Lage nicht mehr Herr werden. Auch nicht mit europäischer Hilfe. Merkel hat die Büchse der Pandora geöffnet, und es scheint fast unmöglich, das Unheil aufzuhalten. Jetzt helfen nur noch rigorose Maßnahmen.

Die Aushöhlung der Asylregeln hat eine Sogwirkung entfaltet

So groß ist die Angst in Berlin, dass Seehofer am Sonntag medienträchtig warnte, es drohe ein noch größerer Massenansturm als 2015. Damit übertreibt er keinesfalls. Die Aushöhlung der Asylregeln hat eine Sogwirkung entfaltet. Heute muss praktisch niemand mehr Europa verlassen, wenn er es einmal bis hierher geschafft hat. Dies gilt insbesondere für Deutschland mit einer vernachlässigbaren Quote vollzogener Abschiebungen und einem Füllhorn an Aufenthaltstiteln, die jedem individuellen Begehr gerecht werden.

Seehofer treibt aber nicht nur die Angst vor der Unkontrollierbarkeit um. Ihm geht es letztlich – ebenso wie Merkel und ihrer Regierung – um die Macht. Die Berliner Koalitionäre wissen nur zu gut, dass ein erneutes Aufflammen der Zuwanderungskrise die AfD zu neuen Umfragerekorden tragen würde. So unwahrscheinlich es für einige klingen mag, könnte sie die Union in einem solchen Szenario als stärkste Kraft ablösen, und auch der Höhenflug der Grünen wäre schnell vorüber, weil die Bürger sich wieder den tatsächlichen Problemen des Landes zuwenden würden.

Es dürfte schwierig werden und lange dauern, den sorgsam inszenierten Klimahype aufs Neue zu orchestrieren. Überdies beschleunigte ein Millionenheer weiterer Zuwanderer, die schon heute vielfach nicht integrierbar sind, die wirtschaftlichen Probleme der in die Rezession rutschenden Staaten, denen die heiß gelaufenen Gelddruckmaschinen der EZB künftig kaum mehr helfen könnten. Die Europäische Union würde dies nicht gerade populärer machen. Um die Türkei bei Laune zu halten, sind die EU-Innenminister zu allem bereit. Doch egal, wie hoch ihr Einsatz ausfällt – gewinnen kann Europa nicht mehr.

Foto: Pixabay

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Wolfgang Richter / 07.10.2019

@ Hans-Peter Dollhopf—Und Trump punktet bei seinen Leuten, weil er keine “US-Boys” (einzige Kinder der Eltern) im für US-Amerikaner weit entfernten Orient opfert, die Europäischen “Partner” in der Nato sich weitgehend weigern, dort zu unterstützen, nicht mit ein paar Überwachungsflugzeugen, sondern vor Ort, wo es auch mal weh tun könnte. Verar….t im Spiel der Mächte sind wieder mal die Kurden. Bleibt zu hoffen, daß sie inzwischen so effektiv bewaffnet sind, daß ein Angriff auf sie schmerzhaft wird.

Wolfgang Richter / 07.10.2019

@ Martin Stump—Der Roman “Heerlager der Heiligen” von Jean Raspail verläßt zunehmend den Bereich der Vision eines in den 1970ern Schreibenden in Richtung Realität.

Wolfgang Richter / 07.10.2019

Der Klima-Hype kommt den Merkelianern wunderbar gelegen, um von der nachwievor unkontrollierten Zuwanderung, den einwandernden Problemen und Folgen durch Integrationsunfähigkeit abzulenken. Und solange Erdolf mit Euronen ruhig gestellt war, standen die Chancen gut, daß Klima und sich daraus ergebende Möglichkeiten der Abzocke des Zahlmichels für den Guten Zweck auch weiter das Tagesthema bleiben. Da Erdolf das Geld ausgeht, ihn außerdem das Fell juckt, als Ventil für innenpolitische Probleme gegen die Kurden in Syrien militärisch vorzugehen, dürften die Zuwanderungsprobleme wieder aufkochen. Noch mal ein größerer Schwung Flüchtilanten bei nicht mehr vorhandenem Wohnraum und bröselnder Wirtschaftsleistung samt Steuereinnahmen und der Kampf um die Ressourcen geht in eine heiße Phase. Und in Berlin dreschen Altmeier u.co. Durchhalteparolen im Stile der Verschiebung von Adolfs bereits untergegangenen Divisionen. Und Windräder samt EAuto sind die neuen Wunderwaffen.

Mike Loewe / 07.10.2019

Alles eine Frage der Dosis. Die Politiker werden nun die Milliarden an Erdogan so akribisch austarieren, dass der Zustrom der “Flüchtlinge” so groß wie möglich bleibt, aber gerade noch klein genug ist, damit die AfD nicht gewinnt.

Lutz Gütter / 07.10.2019

Herr Bauer, Herr Rogge, lesen Sie das Buch “Super-hubs: Wie die Finanzelite und ihre Netzwerke die Welt regieren” von Sandra Navidi und Sie werden feststellen, es gibt keine derartigen Verschwörungstheorien. Es ist einfach nur business as usual.

Karin Kruse / 07.10.2019

der erste Schritt wäre ÖR Medien Funk und TV , sowie die linksgrünen Propagandablätter zu meiden. Sich der täglichen Dauerberieselung zu entziehen schaffen die wenigstens. Deswegen gibts auch nur wenig Hoffnung

Hans-Peter Dollhopf / 07.10.2019

Dunkeldeutschland wurde von Steinmeiers Vorgänger als politischer Kampfbegriff eingeführt. Denunzieren wollte er damit die Aufmüpfigkeit von Teilen der Dresdener Bürgerschaft als Fremdenfeindschaft und damit arbeitete er der nicht mehr reparierbaren heutigen Situation zu. Darum wird auch der Ort seines Grabes zwischen den Ruinen dieser Republik einst nicht mehr gefunden werden. Das real existierende Dunkeldeutschland, das liegt in den Ballungszentren krankhaft stolzer türkischstämmiger Anhängerscharen Erdogans. Orte des Antisemitismus sind das allemal, aber geleugnet von einer bis zum Erbrechen schwülstigen Moralität der herrschenden Gedanken. Eben so wie die Leugnung der islamistischen Identität des allerneuesten Attentäters von Paris. Für die Mehrzahl der Türken Deutschlands, stramme Türken alle, werden es Festtage! Erdogan wird die Kurden totschlagen. Seehofer brachte dazu unterwürfig Gold. Bange Frage in der heutigen Jerusalem Post: “Can Israel trust the U.S. after Syria withdrawal?” Wir dagegen wissen, wir wurden von unseren “Exzellenzen” schon an Brüssels Pläne verraten! Kurde, Kartoffel, Israeli: gleiches Schicksal.

M.R.W. Peters / 07.10.2019

Ich fürchte, dass es über kurz oder lang unweigerlich zum Schusswaffengebrauch an den europäischen Grenzen kommen muss. Hätte es “2015” nicht gegeben, wäre der außereuropäische Exodus möglicherweise für etliche Jahre aufgehalten worden - aber langfristig ist er nicht zu stoppen. Ein relativ kleines aber hochtechnisiertes und aufopferungsvolles Europa mit offenen Grenzen, eingekreist von etlichen Millionen hungernder und verarmter Menschen, kann selbst mittelfristig nicht weiter so existieren wie es gern bleiben möchte.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Ramin Peymani, Gastautor / 27.05.2022 / 14:00 / 22

„The Deal“: Blick in eine dystopische Zukunft

Der soeben erschienene Film „The Deal“ ist ein Meisterwerk der Produzenten von „Independence Day“. Verstörend real wirkte das Gezeigte angesichts der letzten beiden Jahre, und…/ mehr

Ramin Peymani, Gastautor / 04.05.2022 / 06:15 / 61

Warum Boris Becker besser in die Politik gegangen wäre

Boris Becker wird mindestens die nächsten 15 Monate wegen Insolvenzverschleppung im Gefängnis verbringen. In der Politik wäre der deutschen Tennislegende das nicht passiert. Es war…/ mehr

Ramin Peymani, Gastautor / 25.02.2022 / 16:00 / 16

Der Dämon des Parteienstaates

Das 1967 geschaffene Parteiengesetz war ein Wendepunkt. Es gab den Parteien viel weitergehende Befugnisse und Einflussmöglichkeiten sowie Zugriff auf die Gelder der Steuerzahler. Seither hat…/ mehr

Ramin Peymani, Gastautor / 29.12.2021 / 16:00 / 22

An die Diskursfeinde

Wie kann es sein, dass einer, der aus eigener Erfahrung weiß, wie unangenehm eine Corona-Erkrankung sein kann, als „Corona-Leugner“ diffamiert wird, nur weil er die…/ mehr

Ramin Peymani, Gastautor / 06.12.2021 / 16:00 / 13

Gottloses Weihnachtstheater

Die besinnliche Zeit ist immer auch eine Zeit der Tränen, dieses Jahr mehr denn je. Zum zweiten Mal gibt es staatlich verordnete Einsamkeit, die Familien…/ mehr

Ramin Peymani, Gastautor / 30.11.2021 / 11:00 / 28

In der Impfpflicht-Talkrunde bei Servus TV

Reisen bildet. Schon Mark Twain wusste: „Man muss reisen, um zu lernen.“ Und so bin auch ich mit vielen Eindrücken und Erkenntnissen aus Salzburg zurückgekehrt.…/ mehr

Ramin Peymani, Gastautor / 23.11.2021 / 15:00 / 38

Unheilvolle Signale: Die Schrecken der Impfpflicht

Es ist aber auch wirklich vertrackt mit dem Totalitarismus. Er nutzt immer nur einigen wenigen. Und immer nur eine begrenzte Zeit. Das sollten die Hetzer…/ mehr

Ramin Peymani, Gastautor / 16.11.2021 / 11:00 / 23

Klimagipfel: Das programmierte Scheitern der Heuchler

Auch der 26. Weltklimagipfel war nicht mehr als das Schaulaufen der Heuchler. 14 Tage lang durfte nach Herzenslust CO2 produziert werden, mehr vielleicht als es…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com