Die Corona-Krise hält die Gesellschaft in Atem. Panisch hat die Politik von anfänglicher totaler Verneinung von überhaupt einer Bedrohung mit einer totalen Abschaltung der Gesellschaft reagiert. Beides erscheint mir gleich unangemessen. Aber die Gesellschaft ist so in Furcht versetzt worden, dass sie schier alles nahezu widerspruchslos akzeptiert, was irgendwie Schutz und Sicherheit verspricht. Also macht die Politik, was ihr als richtig erscheint. Doch schon haben einige damit begonnen, die kollektive Angst für ihre Agenda zu missbrauchen.
Schlägt man im Lexikon der Psychologie unter dem Begriff „Panik“ nach, findet sich lediglich ein Verweis auf: Angst. „Angst ist Angst vor Nichts und Furcht ist Furcht vor etwas“ – das habe ich mal in meinem Psychologiekurs gelernt. Angst ist ein Erregungs- und Spannungszustand ohne eingrenzbaren Auslöser. Furcht hingegen ist eher rational, eine Reaktion auf eine tatsächlich vorhandene Gefahr, die bei uns Menschen entweder zur Flucht oder zum Gegenangriff führen kann.
Bei der Corona-Panik haben wir es mit einer hybriden „Angstfurcht“ zu tun. Es handelt sich um Attacken von starker Besorgnis, Furcht und Schrecken. Nur ist die Ursache dieser Furcht winzig, ein Virus. Nicht nur, dass die Viren unsichtbar sind, sie sind schier allgegenwärtig und so klein, dass sie ohne Probleme durch den Stoff einer Atemmaske schlüpfen können.
Unser genetisches Rezept „Flucht oder Angriff“ taugt nur bedingt für Corona. So haben wir Furcht, uns mit Corona anzustecken und womöglich sterben zu müssen, aber gleichzeitig Angst, weil es keine garantierten Schutzmechanismen gibt. Deswegen neigen viele Menschen zu phobischen Reaktionen, einem irrationalen Vermeidungsverhalten bestimmter Situationen und Verhaltensweisen, das angesichts der tatsächlichen Eigenbedrohung unbegründet und übertrieben ist. So führt – angeheizt von Medien, Politik und noch unwissender Wissenschaft – die individuelle „Angstfurcht“ zu gesellschaftlichen Panikreaktionen.
Es kommt mir so vor, als ob eine gesellschaftliche Panik schlimmer ist als eine Atombombe.
Menschen sind grottenschlechte Risikowahrnehmer
Der Begriff Risiko ist stets verbunden mit dem einer Entscheidungsfindung. Dies gilt für Individuen genauso wie für Gruppen oder gar für die Politik. Wie gut sind wir Menschen eigentlich in der Einschätzung von Risiken? Nun, wir zeigen eine gewisse „Varianzpräferenz“, um es mal mit dem Mäntelchen der Nächstenliebe auszudrücken. Wir folgen nämlich nicht immer dem allgemeinen Nutzensmaximierungsprinzip, sondern berücksichtigen stets auch das Verhältnis des größtmöglichen Verlustes oder Gewinns für uns selbst.
Die Wahrnehmung von Gefährdungen bzw. Risiken und deren potenziellen Folgen unterliegt dabei einer ganzen Reihe von systematischen Verzerrungen:
- Sehr selten auftretende Gefahren werden gern überschätzt, sehr häufig auftretende eher unterschätzt, z.B. viele halten Fliegen für gefährlicher als Bahnfahren.
- Je höher das Katastrophenpotenzial für uns selbst, desto höher wird ein Risiko eingeschätzt – unabhängig von der Häufigkeit des Auftretens der Gefahr.
- Risiken, die durch Medien hohe Aufmerksamkeit erhalten, werden stark überschätzt.
- Gefährdungen, denen man täglich ausgesetzt ist, oder Risiken, die man selbst gut kennt, werden als weniger bedrohlich eingeschätzt.
- Risiken, die durch einen zeitlich gegenwärtigen Zwischenfall beleuchtet werden, scheinen bedrohlicher als Risiken mit langen zurückliegenden Ereignissen.
- Wird ein Risiko freiwillig übernommen, wird es als weniger bedrohlich wahrgenommen.
- Ist man persönlich bzw. sind Kinder oder persönlich bekannte Personen von einem Risiko betroffen, wird es als gefährlicher betrachtet.
- Wenn ein persönlicher Nutzen der Risikovermeidung nicht erkennbar ist, wird das Risiko bedrohlich eingeschätzt.
- Die Risikowahrnehmung wird zusätzlich durch subjektiv-unrealistischen Optimismus verzerrt – “Mir passiert nichts!” oder „Mir ist noch nie etwas passiert“.
- Wir unterliegen oft fälschlicherweise einer Kontrollillusion – “Ich habe das im Griff!”.
Die erwähnten systematischen Verzerrungen sind durch die Psychologie wohl untersucht und gut belegt. Schauen wir uns nun die gesellschaftliche Corona-Risikowahrnehmung unter diesem Gesichtspunkt an, dann merken wir, dass nahezu alle systematischen Risikowahrnehmungsverzerrungen uns zu einer Überschätzung der Corona-Gefahr neigen lassen. Und wenn ich „uns“ schreibe, meine ich mich, aber auch die Politiker und Entscheider – das sind auch nur Menschen. Und leider treffen die ihre Entscheidungen auf Basis ihrer persönlichen Risikowahrnehmung.
Noch ist die wissenschaftliche Basis für Corona-Entscheidungen dünn, und niemand kann garantieren, dass Corona kein erhebliches persönliches Risiko für Gesunde darstellt. Doch wer sagt uns, dass nicht, wie einst die Kernkraftwerke, die wegen einer Tsunamigefahr in der deutschen Tiefebene abgeschaltet wurden, gegenwärtig die Gesellschaft mit ihrer Industrie wegen einer „Coronagefahr“ abgeschaltet wird, die sich hinterher als genauso gefährlich herausstellt wie ein Tsunami im Emsland? Es bereitet mir Sorge, dass auch wissenschaftliche Kritiker der allgemeinen Corona-Gefahreneinschätzung mit dem Begriff „Corona-Leugner“ stigmatisiert werden, statt einer ergebnisoffenen Diskussion Raum zu geben.
Ich mache zurzeit Corona-Fasten von deutschen Internet-Medien, weil ich es einfach nicht mehr ertragen kann. Wenn man diese einst seriösen Plattformen konsumiert, dann kann man wirklich Furcht bekommen. Da werden alle möglichen Todesgefahren herbeibeschworen. Absolute Zahlen, die bar jeder Vergleichsmöglichkeit für die Leser sind, werden kolportiert. Sterberaten an der Krankheit werden aus dem Hut gezaubert, fern jeder Realität – die selbsternannten Experten überbieten einander in Horrormeldungen über Leichenberge.
Und Vieles davon folgt einer mehr als schlichten politischen Agenda: Trump (Trump riegelt Corona-Hotspots nicht ab – mehr als 2.400 Tote), Putin (steuert nur halbherzig um), Orban (Viktor Orbán hat die Coronakrise genutzt, um die Demokratie weiter zu demolieren) führen ihre Bevölkerung nebst der Demokratie in den sicheren Tod. Das andere Framing lautet: Die deutsche Regierung rettet uns mit ihrer Weitsicht und in ihrer grenzenlosen Weisheit. Vergessen sind die Verharmlosungen derselben Leute von vor vier Wochen. Genauso vergessen werden die Übertreibungen von heute sein, wenn in wenigen Wochen die Gesellschaft wieder hochgefahren werden soll. Was schert den Journalisten und den Politiker sein Wort von gestern.
Die Rolle der Wissenschaft
Erst mal ein paar Worte zu den Unterschieden der wissenschaftlichen Diskussion in Frankreich und Deutschland. In Deutschland gibt es ein paar superprominente Corona-Wissenschaftler, die allein die Agenda bestimmen. Das sind seriöse Wissenschaftler, die ganz ihrer Meinung sind, auch wenn schon mal eine Horror-Meldung in absoluten Zahlen in den Raum gestellt wird. Und dann gibt es in Deutschland noch die Corona-Leugner. Das sind laut den Medien rechte Hetzer, noch schlimmer als „Klima-Leugner“. Es geht um Leben und Tod! Jedes Hinterfragen ist kaltherzig und zynisch. Mit Solchen diskutiert man nicht.
Auch in Frankreich dominiert die Corona-Krise die Berichterstattung. Nur funktionieren viele Medien in Frankreich anders als in Deutschland. Den Franzosen sind Diskussionen, die nicht ergebnisoffen geführt werden, ein Gräuel. In den Diskussionsrunden streiten die unterschiedlichen Ansichten möglichst wissenschaftlich – doch noch wichtiger – fair miteinander um die richtige Antwort.
Auch in Frankreich ist die Datenlage mit der völlig ungewissen Dunkelziffer der komplikationslosen, nicht getesteten Corona-Fälle völlig unklar. Wir wissen es nicht, auch wenn es noch so schwerfällt, das zuzugeben.
Was ist richtig? Shutdown mit Wirtschaftskrise oder Nicht-Shutdown mit Gesundheitskrise. Ein Schrecken ohne Ende oder ein Ende mit Schrecken? Es ist bei der Corona-Strategie wie mit dem Bewegen im Regen – werde ich nasser, wenn ich renne oder wenn ich normal gehe? Wir wissen es nicht. Und die Wissenschaftler wissen es auch noch nicht. Hinterher werden wir alle es wissen – vielleicht.
Aber, es darf keine Meinung verteufelt werden, sonst gewinnt der Lautere und der Richtige verliert.
Epilog: Von einstürzenden Plumpsklos
Weltweit sind bisher etwa Million Menschen an Corona erkrankt und (Stand 06.04.2020) knapp 70.000 daran (?) gestorben. Wie ist das einzuordnen? Wie dramatisch ist das? Jährlich sind nach Schätzungen der WHO weltweit 700 Millionen bis 1,4 Milliarden Menschen von Grippewellen betroffen, bis zu 650.000 Personen sterben jedes Jahr an grippebedingten Komplikationen.
Angst essen Verstand auf. Ja, Corona ist schlimm genug. Aber vielleicht verursachen ja die mittel- und langfristigen Nebenwirkungen des Shutdowns, z.B. die Beschädigung der sozialen Systeme mit ihren resultierenden Auswirkungen auf das Gesundheitssystem die gesundheitlichen Auswirkungen der Corona-Krise. Man darf ja nicht vergessen – Corona geht vorbei, aber die vielen anderen schlimmen Krankheiten bleiben und wollen gut behandelt werden. Sonst wird’s gefährlich. Dazu braucht es „das beste Gesundheitssystem der Welt“. Wir wollen doch weiter gegen Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall und andere Geißeln der Menschheit bestmöglich behandelt werden. Wenn die Sozialsysteme aber in der Krise nach Corona unterfinanziert sind: Wer soll das bezahlen?
Liebe Leser, bilden Sie sich Ihre eigene, möglichst angstfeie Meinung über Ihr persönliches Corona-Risiko. Werden Sie nicht aus lauter Corona-Angst krank. Bleiben Sie gesund. Angst essen Verstand auf. Die Meisten von Ihnen haben schon ganz andere Sachen überstanden. Das ganze Angst-Elend kann man eigentlich in einem slowakischen Sprichwort zusammenfassen: „Na posrateho aj hajzel spadne“ – stubenrein und sinngemäß übersetzt heißt das: „Wer sich vor Angst in die Hosen gemacht hat, über dem bricht auch noch das Herzhäuschen zusammen“.
Ausgangssperre? E-Book lesen: Manfred Haferburg ist der Autor des Romans „Wohn-Haft“. Im Kernkraftwerk kämpft er gegen Macht der Bonzen. Er verweigert sich der SED. Hexenprobe der Stasi ist eine erfolglose Anwerbung als Spitzel. Bald steht er auf allen schwarzen Listen seines Heimatlandes. Eine Odyssee durch die Gefängnisse des „sozialistischen Lagers“ beginnt. Der Mauerfall rettet ihm das Leben und ein neues Leben in Paris wird aufgebaut, während sich in Deutschland die ehemaligen Genossen sich gegenseitig ums SED-Erbe den Schädel einschlagen. Ein Buch, dass den Leser atemlos umblättern lässt. (85 Kundenbewertungen: 4,8 von 5 Sternen)